Kommentar
Die Behandlungserfolge der pädiatrischen ALL gelten als eine der großen medizinischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Diese Erfolge wurden im Wesentlichen durch die Kombination einer intensiven chemotherapeutischen Kombinationstherapie mit einer Schädelbestrahlung erreicht. Letztere senkte das Risiko für ZNS-Rezidive wesentlich [
1,
2]. Diese Therapieerfolge waren jedoch mit signifikanten Spätfolgen wie Zweitmalignomen, Schlaganfällen, Kardiomyopathien und Defiziten in der neurokognitiven Entwicklung assoziiert. Über die Jahre konnten verschiedene biologisch-klinische, immunologische, zytogenetische und molekulargenetische Charakteristika der ALL mit unterschiedlichen Krankheitsverläufen assoziiert werden und ermöglichten so eine Risikostratifizierung. In der Folge fokussierten die Therapieansätze auf eine Intensivierung der Therapie in den Hochrisikogruppen, während eine Therapiedeeskalation bei Standardrisiko eine Reduktion der Spätfolgen bei anhaltend gutem rezidivfreiem Überleben sichern sollte. Dabei konnten beispielsweise die Schädelbestrahlung weitgehend durch CNS-gerichtete Chemotherapeutika ersetzt (intensivierte intrathekale Chemotherapie, Dexamethason, Hochdosis-MTX) und die kumulativen Anthrazyklindosen reduziert werden. Während diese Anstrengungen die gute Leukämiekontrolle in den Standardrisikogruppen verschiedener nationaler Studiengruppen bewahrten [
3,
4], waren die erhofften Auswirkungen auf die Spätnebenwirkungen statistisch weniger leicht zu fassen. Nach unserem Kenntnisstand ist die vorliegende Arbeit die erste, die statistisch signifikant zeigen konnte, dass moderne Standardrisikotherapien der pädiatrischen ALL kein erhöhtes Letalitätsrisiko oder Zweitmalignomrisiko im Vergleich zur Normalpopulation mehr haben. Des Weiteren wurde das Risiko schwerer chronischer Folgeerkrankungen, wie der Entwicklung von Kardiomyopathien, Schlaganfällen und neurokognitiven Defiziten, signifikant gesenkt. Nichtsdestotrotz macht uns diese Arbeit deutlich, dass auch heute noch Kinder, die mit modernen Behandlungsschemata (90s) in Hochrisikogruppen behandelt wurden, zwar eine gesenkte Spätletalität, aber weiterhin statistisch ein signifikant erhöhtes Risiko für Zweitmalignome und chronische Folgeschäden haben. Interessanterweise scheint sich hier das Spektrum weg von Kardiomyopathien und neurokognitiven Defiziten hin zu Osteonekrosen und Diabetes mellitus mit entsprechenden Konsequenzen zu verschieben.
Martin Sauer, Hannover
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.