15 Monate nach erfolgreicher Stammzelltransplantation berichtet ein Leukämiepatient über fortschreitende Dyspnoe und Heiserkeit. Die Laryngoskopie zeigt eine Umfangsvermehrung im Glottisbereich. Der Knochenmarkbefund ist jedoch negativ. Woran sollte man bei dieser Konstellation denken?
Ein 59-jähriger Mann stellt sich mit Heiserkeit und Atemnot beim HNO-Arzt vor. Die Symptome hätten schon vor zwei Monaten begonnen und würden sich seitdem verschlimmern. Das Besondere an diesem Fall: Der Mann ist Krebspatient, bei ihm wurde eine akute myeloische Leukämie (AML) diagnostiziert, die aber seit einer allogenen Stammzelltransplantation vor 15 Monaten in Remission zu sein scheint. Gerade vor zwei Wochen habe eine Knochenmarkbiopsie einen negativen Befund ergeben, berichtet der Mann.
Bei der körperlichen Untersuchung finden sich keine Auffälligkeiten. Aber: Zur Abklärung einer Diarrhö habe man ihn vor Kurzem eingehend untersucht und dabei eine chronische gastrointestinale Graft-versus-Host-Reaktion festgestellt. Konnte das die Ursache für die Stimmstörung sein? Dazu hätte aber die Schleimhaut entzündlich verändert sein müssen, was nicht der Fall war.
Neoplasie am rechten Stimmband
Bei der umgehend durchgeführten Laryngoskopie stieß man auf eine umfangreiche Neoplasie am rechten Stimmband. Diese überspannte die hintere Kommissur, schränkte die Beweglichkeit beider Stimmbänder stark ein und hatte den Atemweg auf Höhe der Glottis deutlich eingeengt.
Um den Atemweg zu sichern, wurde am wachen Patienten ein Tracheostoma angelegt. Die Umfangsvermehrung wurde mikrolaryngoskopisch biopsiert. Bei der histologischen Aufbereitung zeigten sich diffuse Zellinfiltrationen mit unregelmäßigen Kernkonturen und vesikulärem Chromatin sowie prominente Nukleoli.
Isoliertes extramedulläres Myelosarkom
Aufschlussreicher war die immunhistochemische Färbung: Diese war negativ für die Marker CD3, CD20 sowie für Keratin, was einerseits gegen ein T- oder B-Zell-Lymphom, andererseits gegen einen epithelialen Ursprung sprach. Positiv fiel dagegen der Befund für CD43 aus – ein Hinweis auf ein hämatolymphoides Geschehen. Der Nachweis von CD7 schließlich legte ein AML-Rezidiv nahe, welches mithilfe von Next-Generation Sequencing über den Nachweis einer spezifischen Mutation bestätigt werden konnte.
Es handelte sich, so Brennan McMichael von der Universität Michigan in Ann Arbor und sein Team, um ein isoliertes extramedulläres Myelosarkom, welches sich in diesem Fall tatsächlich auf den Kehlkopf beschränkte. An so etwas müsse man denken, wenn bei einem Leukämiepatienten trotz negativer Blut- und Knochenmarkbefunde weitere Neoplasien auftreten. Diese könnten sich als einzelne oder auch multiple Läsionen darstellen und praktisch jedes Organsystem betreffen. Am häufigsten finde man solche Myelosarkome in Weichgeweben, Knochen, Peritoneum, Lymphknoten sowie im Gastrointestinaltrakt. Der HNO-Bereich sei dabei eher die Ausnahme, so McMichael und Kollegen.
Therapie mit Bestrahlung und Tyrosinkinase-Inhibitor
Im vorliegenden Fall war eine chirurgische Exzision nicht möglich. Die Ärzte entschlossen sich daher zu einer lokalen Strahlentherapie, mit der die Funktion des Kehlkopfs erhalten werden konnte. Ergänzt wurde dies durch eine Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor. Auf diese Behandlung sprach der Tumor an, er bildete sich im Folgenden restlos zurück. Das Einzige, was bei einer Nachuntersuchung neun Monate später noch an das Myelosarkom erinnerte, war eine leichte Einschränkung in der Beweglichkeit des rechten Stimmbands.