Akute Pankreatitis: „Idiopathisch ist die Ausnahme“

Bei den meisten Patienten mit akuter Pankreatitis lässt sich eine Ursache ausmachen. Wird vorschnell das Etikett „idiopathisch“ vergeben, riskiert man Rezidive und verschleppte Tumordiagnosen. Die Diagnose „idiopathische akute Pankreatitis“ ist für Prof. Peter Layer vom Israeliten-Krankenhaus in Hamburg „nicht zeitgemäß und nicht angemessen“. Eine akute Pankreatitis habe in aller Regel eine Ursache. „Idiopathisch heißt: Man hat die Ursache nicht gefunden.“ Das sollte nach Einschätzung des Gastroenterologen bei „deutlich weniger als 10%“ der Fall sein. Beim Internisten-Update 2016 warnte er vor den Konsequenzen einer unzureichenden Abklärung: „Wenn die Ursache nicht beseitigt wird, drohen Rezidive, und das kann ungemütlich werden.“ Falls eine akute Pankreatitis die Erstmanifestation eines Pankreaskarzinoms ist, vergibt man außerdem die Chance, den Tumor in einem frühen Stadium zu entdecken. Rauchen verdoppelt das Risiko Die Liste der möglichen Auslöser ist lang. Neben Gallensteinen gilt Alkohol als Hauptursache der akuten Pankreatitis. Das Risiko ist offenbar eng mit dem täglichen Alkoholkonsum korreliert. In einer großen Fall-Kontroll-Studie war es bis zu einer Tagesdosis von 20 g nicht erhöht und stieg danach nahezu linear: bei 20–40 g fast um das Doppelte, bei 40–60 g um den Faktor drei, bei 60–80 g um den Faktor vier und bei 80–100 g um den Faktor fünf. Vieltrinker sind natürlich auch gefährdet, eine chronische Pankreatitis zu entwickeln. Im oberen Dosisbereich steigt dieses Risiko sogar noch deutlich steiler an als das der akuten Pankreatitis. Zu dem alkoholbedingten Risiko kommt oft ein weiteres hinzu: das Rauchen. Es ist inzwischen als vom Alkoholkonsum unabhängiger Risikofaktor nicht nur für die chronische, sondern auch die akute Pankreatitis bestätigt. Einer Metaanalyse zufolge haben aktive Raucher ein etwa doppelt so hohes und Ex-Raucher ein um 60% erhöhtes Risiko für eine akute Pankreasentzündung. „Bei jeder Pankreatitis muss daher eine Eruierung und gegebenenfalls eine Beratung zum Alkohol- und Nikotinkonsum stattfinden“, so Layer. Azathioprin häufigster medikamentöser Auslöser Als seltenere Ursachen der akuten Pankreatitis sind z. B. Infektionen, Hyperlipidämien und Tumoren, aber auch Medikamente und eine ERCP in Betracht zu ziehen. Die häufigste medikamentöse Ursache einer akuten Pankreatitis ist Layer zufolge das Immunsuppressivum Azathioprin. In einer deutschen Studie mit 500 Azathioprinpatienten entwickelten 7% eine akute Pankreatitis. „Die gute Nachricht“, so Layer, „ist, dass sie fast immer einen milden Verlauf nimmt und ad integrum abheilt.“ Routinemäßige Bestimmung von Lipase und Amylase unter der Therapie hätten keinen prädiktiven Wert und seien daher entbehrlich. Frühsymptom fast aller Pankreaskarzinome Wichtig ist, bei einer akuten Pankreatitis unklarer Ursache auch nach einem Karzinom zu suchen. „Fast jedes Pankreaskarzinom präsentiert sich initial als akute Pankreatitis“, sagte Layer. Die Methode der Wahl ist die Endosonografie, vor allem deshalb, weil sie die höchste Ausschlusskraft hat; sie kann aber erst nach dem Abklingen der Akutphase eingesetzt werden. Auch intraduktale papilläre muzinöse Neoplasien (IPMN), die sich als Ursache einer akuten Pankreatitis finden, sind laut Layer meistens maligne. Bei Verdacht auf eine biliäre Ursache kommt primär die ERCP zur Anwendung. Pankreaskarzinome waren in einer US-amerikanischen Studie mit einer halben Million Teilnehmern, von denen 5700 eine akute Pankreatitis entwickelten, für 1,5% der Erkrankungen verantwortlich. Damit ist die Karzinominzidenz bei den Patienten rund 70-mal so hoch wie die Spontanrate, wie Layer berichtete. Mehr als 90% der Pankreaskarzinome in der Studie waren innerhalb von zwei Jahren, 45% innerhalb von zwei Monaten nach der Pankreatitisdiagnose entdeckt worden. Dazu Layer: „Die anderen 45% waren wahrscheinlich auch schon vorher da, aber man hat die Ursachensuche verschleppt.“ Basierend auf einem Vortrag von Prof. Peter Layer beim Internisten-Update 2016, München, 18./19. November 2016

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