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Open Access 08.05.2024 | Akutes Atemnotsyndrom | Handlungsalgorithmen

Handlungsalgorithmus: Bauchpositionierung bei kritisch kranken Patienten

verfasst von: Carsten Hermes, M.Sc., Lars Krüger, Tobias Ochmann, Vanessa Erbes, Detlef Eggers, Anke Kany, Ricardo Klimpel, Victoria König, Marcel Ansorge, Anett Henck, Tobias Wittler, Prof. Dr. med. Thomas Bein, Dr. Stefan J Schaller

Erschienen in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin

Hinweise

Redaktion

M. Buerke, Siegen
S. John, Nürnberg
R. Riessen, Tübingen

Zusatzmaterial online

Die Online-Version dieses Beitrags (https://​doi.​org/​10.​1007/​s00063-024-01146-8) enthält die Checkliste und den Dokumentationsbogen Bauchlage.
Carsten Hermes und Lars Krüger teilen sich die Erstautorenschaft.
Zusatzmaterial online – bitte QR-Code scannen

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Einleitung

Die komplette Bauchposition/Bauchlagerung (180°-Drehung) zeigt nachweislich positive Effekte auf die Oxygenierung, besonders beim akuten Lungenversagen („acute respiratory distress syndrome“, ARDS; [3]). Durch die Reduktion des beatmungsassoziierten Lungenschadens gibt es weitere Vorteile hinsichtlich der Mortalität, die jedoch nicht (ausschließlich) auf die Verbesserung der Oxygenierung zurückgeführt werden können [1].
Dieser Handlungsalgorithmus (Abb. 1) bezieht sich auf die im Jahr 2023 aktualisierte S3-Leitlinie „Lagerungstherapie und Mobilisation von kritisch Erkrankten auf Intensivstationen“ [2] sowie auf die Praxisempfehlung der American Association of Critical-Care Nurses (AACN; [8]).

1Indikation Bauchlagerung bei ARDS [2, 8]

  • paO2/FIO2 < 150 mm Hg bei intubierten Patienten (trotz Optimierung der Beatmung)
  • Akut hypoxisches Lungenversagen bei COVID-19 plus nichtinvasive Beatmung (NIV) → „awake-proning“

2Kontraindikationen [2, 8]

  • Offenes Abdomen
  • Wirbelsäuleninstabilität
  • Erhöhter intrakranieller Druck
  • Hämodynamisch relevante Herzrhythmusstörungen
  • Schock

3Therapeutische Ziele [2, 8]

  • Verbesserung des Ventilations-Perfusions-Verhältnis (V/Q)
  • Reduktion von Atelektasen
  • Verminderung des (beatmungsassoziierten) Lungenschadens
  • Sekretmobilisation
  • Atemarbeit ↓
  • Mortalität ↓
  • Vermeidung von Komplikationen

4Therapieprinzipien [2, 8]

  • Dauer: mind. 12 h, ideal 16 h, unklar, ob noch länger vorteilhaft
  • Auch bei vv-ECMO-Therapie möglich
  • Beenden, wenn mind. 2 Versuche erfolglos oder anhaltende Verbesserung der Oxygenierung in Rückenlage (RL) erreicht ist (4 h in RL: paO2/FIO2 ≥ 150; PEEP ≤ 10 cm H2O; FIO2 ≤ 0,6)
  • Inkomplette Bauchlagerung (≤ 180°) therapeutisch nicht geeignet
  • Lungenprotektive Beatmung

5Komplikationen [2, 8]

  • Druckulzerationen und Haut‑/Schleimhautdefekte
  • Augenschäden und Ödeme
  • Dislokationen von Zu- und Ableitungen
  • Herzrhythmusstörungen
  • Kreislaufinstabilität insbesondere beim Wendemanöver oder nach Rückkehr in Rückenlage
  • Reflux von Mageninhalt
  • Verletzung/Reizung des Plexus brachialis

6Allgemeine Maßnahmen [2, 4, 8, 9]

  • Erforderliche Ressourcen durch Klinikträger bereitstellen
  • Teamleitung hat Erfahrung mit Bauchlage
  • Interprofessionelle Fortbildung mindestens einmal jährlich, idealerweise mit Simulationstrainings
  • Training spezifischer Methoden, z. B. der 2‑Laken-Methode für Drehvorgang
  • Algorithmen und Checklisten verwenden (Beispiel: ESM 1 Hinweise zur korrekten Bauchlage bei ARDS)
  • Erläuterung der Maßnahme für Patienten und Angehörige
  • Druckulzeragefährdete Stellen prüfen und Maßnahmen einleiten (ggf. präventiv mit mehrlagigen Schaumstoffverbänden abpolstern)
  • Spezielle Augen‑, Nasen- und Mundpflege [57]
  • Beachten der Nackenfalte in BL

7Benötigte Materialien [2, 8]

  • Grundausstattung für hygienisches Arbeiten sowie spezielle pflegerische Versorgung
  • Geeignetes und zugelassenes Lagerungsmaterial/Positionierungshilfsmittel
  • Ggf. Weichlagerungssystem
  • Cave: Keine Handtücher als Lagerungshilfsmittel verwenden (Gefahr von Dekubitus)

8Therapieplanung und Dokumentation [2, 8]

  • Zieldefinition
  • Situationsbezogene Besonderheiten beschreiben
  • Blutgasparameter (paO2/FIO2, paCO2) in festgelegten Abständen erheben und dokumentieren
  • Ggf. Konsultation weiterer Fachexpertise (z. B. Pneumologe)
  • Strukturierte Dokumentation des Ist-Zustands vordefinierter Kriterien oder mit einem lokal erstellten Assessmentinstrument (z. B. Prüfung von Fixierungen und ggf. Unterpolsterungen (soweit einsehbar) in der Pflege- und Therapieplanung)

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

L. Krüger: Bezahlung oder Honorare für Bildungsveranstaltungen: Hochschule Osnabrück. Mitglied: DGIIN, DGF, DIVI, DGAI, EbM-Netzwerk, Pflegekammer NRW; C. Hermes: VG Wort Lizenzgebühren; Bezahlung oder Honorare für Vorträge, Präsentationen oder Bildungsveranstaltungen: Atmos, Getinge, TapMed. Reisekostenerstattung für wissenschaftliche Vorträge durch DIVI, DGIIN, DBfK, GFO; Mitglied: DGIIN (Vorstand), DGF, DBfK, DIVI, DGP, Pflegekammer NRW (Vorstand);T. Ochmann: Bezahlung oder Honorare für Vorträge, Präsentationen oder Bildungsveranstaltungen: Arjo, Hill-Rom, TapMed; Reisekostenerstattung für wissenschaftliche Vorträge durch DIVI, DGIIN, DGAI, DGNI; Mitglied: DGIIN, DGF, DIVI, DGP, Netzwerk Erweiterte Pflegepraxis (DBfK), ECMO Netzwerk Nord, Bochumer Bund; R. Klimpel: Honorare für Vorträge oder Bildungsveranstaltungen: Arjo, TapMed, Ligamed, B. Braun, Autorenhonorare von Bibliomed & Springer Verlag; Reisekostenerstattung für wissenschaftliche Vorträge durch DIVI, DGIIN; Mitglied: DGIIN, DIVI, BLGS; V. König: Bezahlung oder Honorare für Vorträge, Präsentationen oder Bildungsveranstaltungen: Arjo, TapMed; Reisekostenerstattung für wissenschaftliche Vorträge durch DIVI, DGIIN; T. Wittler: Bezahlung oder Honorare für Bildungsveranstaltungen: BZH Osnabrück, DGIIN, DIVI, Getinge, Asklepios Kliniken; Mitglied: DGIIN, DGF, DIVI, Bochumer Bund, ELSO, ECMO Netzwerk Nord, Pflegekammer NRW; S.J. Schaller: erhielt Fördermittel und nichtfinanzielle Unterstützung von Reactive Robotics GmbH (München, Deutschland), ASP GmbH (Attendorn, Deutschland), STIMIT AG (Biel, Schweiz), ESICM (Genf, Schweiz), Fördermittel, persönliche Honorare und nichtfinanzielle Unterstützung von Fresenius Kabi Deutschland GmbH (Bad Homburg, Deutschland), Fördermittel aus dem Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), persönliche Honorare der Springer Verlag GmbH (Wien, Österreich) für Fortbildungszwecke und der Advanz Pharma GmbH (Bielefeld, Deutschland), nichtfinanzielle Unterstützung von nationalen und internationalen Gesellschaften (und deren Kongressveranstaltern) auf dem Gebiet der Anästhesiologie und Intensivmedizin außerhalb der eingereichten Arbeit; S.J. Schaller hält in geringem Umfang Aktien von Alphabet Inc., der Bayer AG und der Siemens AG; diese Beteiligungen haben keine Entscheidungen bezüglich seiner Forschung oder dieser Arbeit beeinflusst. V. Erbes, D. Eggers, A. Kany, M. Ansorge, A. Henck und T. Bein geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
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Literatur
1.
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Metadaten
Titel
Handlungsalgorithmus: Bauchpositionierung bei kritisch kranken Patienten
verfasst von
Carsten Hermes, M.Sc.
Lars Krüger
Tobias Ochmann
Vanessa Erbes
Detlef Eggers
Anke Kany
Ricardo Klimpel
Victoria König
Marcel Ansorge
Anett Henck
Tobias Wittler
Prof. Dr. med. Thomas Bein
Dr. Stefan J Schaller
Publikationsdatum
08.05.2024

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