Neuer Twist im alten Streit um Bypasschirurgie versus perkutane Intervention: Auch beim Spezialfall akutes Koronarsyndrom findet eine Metaanalyse keinen großen Unterschied zwischen den Ergebnissen beider Verfahren. Was bedeutet das jetzt?
Es war Ende 2019 ein großer Aufreger, bevor dann die Pandemie hereinbrach und alle anderen Aufreger überlagerte. Die randomisierte EXCEL-Studie hatte bei Patienten mit nicht-komplexer Hauptstammstenose die Bypasschirurgie (CABG) und die perkutane Intervention (PCI) verglichen und im Primärergebnis nach drei Jahren keinen Unterschied zwischen den Verfahren gefunden. Nach fünf Jahren gab es dann im kombinierten Endpunkt nicht-signifikante Vorteile für CABG, getrieben durch die Gesamtsterblichkeit. Das führte zu einem Streit zwischen European Society of Cardiology (ESC) und European Association for Cardiothoracic Surgery (EACTS) um die Frage, inwiefern die europäische Revaskularisations-Leitlinie zugunsten der Chirurgie geändert werden muss.
Nur kleine Unterschiede in insgesamt vier Studien
In dieser Leitlinie gibt es bei niedrigem SYNTAX-Score (0 bis 22) eine Klasse IA-Empfehlung für die PCI, die damit der Bypassoperation gleichgestellt ist. Bei mittlerem SYNTAX-Score (23 bis 32) erhält die PCI eine Klasse IIaA-Empfehlung, die Bypass-Operation eine IA-Empfehlung. Bei einem SYNTAX-Score ab 33 ist die PCI mit einer Klasse III-Empfehlung kontraindiziert, sofern nicht zwingende Gründe gegen eine Bypassoperation sprechen. Die Herzchirurgen stellten auf Basis von EXCEL die Gleichstellung bei niedrigem SYNTAX-Score infrage, die Kardiologen wandten sich mit Verweis auf die Gesamtevidenz aus bisher vier randomisierten Studien dagegen.
Es wurde eine erneute gemeinsame Metaanalyse auf Basis der individuellen Patientendaten der vier randomisierten Studien SYNTAX, PRECOMBAT, NOBLE und eben EXCEL angekündigt. Die wurde im November 2021 vorgelegt und entschärfte den Streit zugunsten der Kardiologen: Kein Unterschied in der 5-Jahres-Sterblichkeit, heißt es seither, auf eine Änderung der Leitlinie in diesem Punkt wurde verzichtet. Genauer gesagt gab es in der Metaanalyse Hinweise auf einen aber nur sehr dezenten Vorteil der Operation in Sachen Gesamtmortalität. Unstrittig ist, dass operierte Patienten über den 5-Jahres-Zeitraum etwas weniger Myokardinfarkte und Revaskularisationen haben.
Alles in Butter also? Zumindest gibt es immer noch ein paar interessante Fragen zu klären. Einer davon geht jetzt eine in JAMA Cardiology publizierte Metaanalyse nach: Macht es hinsichtlich PCI oder CABG einen Unterschied, ob ein Patient mit Hauptstammstenose ein akutes Koronarsyndrom (ACS) hat oder nicht?
Bleibt friedlich im Herz-Team: ACS oder nicht macht keinen Unterschied
Die kurze Antwort lautet: Eher nein. „Eher“ deswegen, weil es randomisierte Studie, die sich explizit mit dieser Frage beschäftigt haben, bisher nicht gab. Die Metaanalysen-Autoren um den Kardiologen Prof. Prakriti Gaba vom Brigham and Women’s Hospital in Boston haben sich deswegen einmal mehr die vier Studien SYNTAX, PRECOMBAT, NOBLE und EXCEL angesehen und dort jene Patientinnen und Patienten herausdestilliert, die ein ACS hatten. Das waren 1.466 von insgesamt 4394, also ziemlich glatt jeder Dritte. Diese Patienten waren im Mittel 65 Jahre alt, zu drei Vierteln männlich und hatten einen mittleren SYNTAX-Score von 26,4 Punkten. Fast alle nahmen ASS, neun von zehn nahmen Statine und sieben von zehn einen P2Y12-Inhibitor.
Dass die ACS-Patienten insgesamt etwas komplikationsreichere Verläufe hatten als die Patienten ohne ACS verwundert nicht, es war aber nur ein Nebenbefund. Entscheidend war, dass über einen 5-Jahres-Zeitraum 10,9% der Patienten in der PCI-Gruppe und 11,5% in der CABG-Gruppe verstorben waren. Dieser numerische Vorteil für die PCI war nicht signifikant (HR: 0,93; 95%-KI: 0,68–1,27). Bei Patienten ohne ACS waren es 11,3% in der PCI-Gruppe und 9,6% in der CABG-Gruppe. Auch dieser numerische Vorteil zugunsten des Bypasses war nicht signifikant. Frühe Schlaganfälle waren bei Bypassoperation häufiger, dafür waren Revaskularisationen und Myokardinfarkte im Verlauf auch im ACS-Kollektiv nach PCI häufiger als nach CABG. Im Endeffekt, so die Autoren, spreche bei einer Hauptstammstenose ein zusätzlich vorliegendes ACS weder für noch gegen das eine oder andere therapeutische Vorgehen.