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22.02.2022 | Allgemeine Gynäkologie | Nachrichten

WHO-Studie

Partnergewalt betrifft in Europa fast jede fünfte Frau

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Jede vierte Frau zwischen 15 und 50 Jahren hat laut einer weltweiten WHO-Studie schon einmal Gewalt vonseiten des (Ex-)Partners erlebt. Mit einer Lebenszeitprävalenz von 16% bzw. 20% liegen die Zahlen auch in Mittel- und Westeuropa inakzeptabel hoch. Erschreckend ist vor allem die hohe Prävalenz in sehr jungen Altersgruppen.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Frauen, die von ihrem Intimpartner geschlagen oder sexuell missbraucht werden, leiden nicht nur unter unmittelbaren körperlichen Verletzungen, sondern haben ein langfristig erhöhtes Risiko für Ängste und Depressionen, ganz zu schweigen von Risiken wie ungewollter Schwangerschaft, sexuell übertragbaren Krankheiten oder gar Tod. Zwischen 38% und 50% der Morde, denen Frauen weltweit zum Opfer fallen, werden nach Schätzungen vom (Ex-)Partner verübt. Ein wichtiges Ziel der Vereinten Nationen, festgehalten in der 2030 UN Agenda for Sustainable Development Goals (SDGs) ist daher die Eliminierung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen bis zum Jahr 2030.

Wie weit man von diesem Ziel noch entfernt ist, zeigen jedoch aktuelle Daten der WHO (Global Database on Prevalence of Violence Against Women). Wie die Studie zeigt, haben weltweit 27% der Mädchen und Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren in ihrem Leben schon körperliche und/oder explizit sexuelle Gewalt von ihrem aktuellen oder einem früheren Intimpartner erfahren. Jede siebte Frau berichtete über solche Gewalterfahrungen im vergangenen Jahr.

Die Zahlen beruhen auf 307 Studien aus 154 Ländern zur Lebenszeitprävalenz und 332 Studien aus 159 Ländern zur jeweils letztjährigen Prävalenz. Die Umfragen wurden zwischen 2000 und 2018 durchgeführt. Daran teilgenommen haben weltweit über 1,7 Millionen Mädchen und Frauen.

Jedes vierte Mädchen unter 20 betroffen

Die Lebenszeitprävalenz lag bei Frauen im Alter von 20 bis 44 Jahren zwischen 26% und 28%, bei den Befragten ab 60 waren es 23%. Die Forscherinnen um Lynnmarie Sardinha von der WHO-Niederlassung in Genf weisen insbesondere auf die hohe Prävalenz auch bei sehr jungen Teilnehmerinnen hin. So habe fast jedes vierte Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren, das zum Zeitpunkt der Befragung schon einen Intimpartner gehabt hatte, Gewalt von diesem erfahren. Eine von sechs Teilnehmerinnen unter 24 Jahren berichtete über Gewalterlebnisse im Jahr vor der Befragung.

Gerade letztere Zahlen sind nach Sardinha und ihren Kolleginnen besorgniserregend, da in der Phase des Heranwachsens eigentlich die Grundlagen für eine gesunde Beziehung zum Partner gelegt werden. Wer in diesem wichtigen Zeitabschnitt Gewalt erfahre, habe ein hohes Risiko für Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden im Erwachsenenalter.

Prävalenz in Mitteleuropa 16%

In Mitteleuropa (hierzu zählt u. a. Deutschland) betrugen die Lebenszeitprävalenzen für Partnergewalt 16%, in Westeuropa 20%. Von den einzelnen Nationen konnten Georgien und Armenien mit der niedrigsten Prävalenz für Gewalt vom Intimpartner aufwarten (jeweils 10%). Am häufigsten betroffen waren Frauen aus pazifischen Inselstaaten wie Kiribati und Fidschi (insgesamt 49%), aus Zentral- und Subsahara-Afrika (44%) sowie aus den Andenstaaten Lateinamerikas (38%).

Die Forscherinnen weisen darauf hin, dass in der Studie ausschließlich körperliche bzw. sexuelle Gewaltformen erfasst wurden. Psychische Gewalt, die ebenfalls ein hohes Maß an Leid hervorrufen kann, habe man aufgrund international stark abweichender Definitionen nicht erheben können.

Corona-Lockdowns sorgten für Rückschläge

Laut Sardinha und ihrem Team laufen weltweit zwar zahlreiche Präventionsprogramme, z. B. im Rahmen des „RESPECT Women“-Projekts von WHO und UN. Das gesteckte SDG-Ziel, Partnergewalt gegen Frauen bis zum Jahr 2030 zu eliminieren, sei jedoch durch die aktuelle COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Lockdown-Maßnahmen in noch weitere Ferne gerückt, kritisieren die Forscherinnen. Sie appellieren daher dringend an „Regierungen, Gesellschaften und Gemeinden“, die durch die Pandemie entstandenen Rückschläge durch verstärktes Engagement gegen Partnergewalt wettzumachen.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie häufig ist Partnergewalt gegen Frauen weltweit?

Antwort: 27% aller Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren haben in ihrem Leben Gewalt durch einen Intimpartner erfahren. In Mitteleuropa liegt die Prävalenz bei 16%. Bereits bei den unter den 15- bis 19-Jährigen war weltweit fast jede Vierte betroffen.

Bedeutung: Besorgniserregend ist vor allem die hohe Prävalenz unter sehr jungen Frauen, da in der Phase des Heranwachsens wichtige Grundlage für spätere partnerschaftliche Beziehungen gelegt werden.

Einschränkung: Daten zur Partnergewalt in den verschiedenen Nationen nur eingeschränkt verfügbar; Datenerhebung vor Beginn der Corona-Pandemie abgeschlossen.

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Literatur

Sardinha L. et al. Global, regional, and national prevalence estimates of physical or sexual, or both, intimate partner violence against women in 2018. Lancet 2022; https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)02664-7

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