Studentische Lehre durch Ärzt:innen in Weiterbildung (ÄiW), sogenanntes Near-Peer Teaching, bietet Vorteile für Studierende und ÄiW gleichermaßen. Studierende profitieren durch bedürfnisorientierte Lehre und ein hierarchiearmes Lernumfeld, ÄiW durch eigenen Wissenszuwachs und Selbstreflektion. Zum Near-Peer Teaching in der Allgemeinmedizin liegen vor allem aus anglosächsischen Ländern Erkenntnisse vor, die überwiegend die Lehre im Praxissetting betreffen. Im Rahmen eines neu konzipierten Seminarprogramms für das Praktische Jahr (PJ) im Onlineformat wurden ÄiW hauptsächlich aus dem Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Sachsen als Dozierende rekrutiert. Im Berichtszeitraum von März 2022 bis Dezember 2023 wurden insgesamt 22 Seminare zu 4 verschiedenen Praxisfällen ausgearbeitet und durchgeführt. Vorbereitungsaufgaben im Sinne der Flipped-classroom-Methode ergänzten die Termine und ermöglichten eine Verzahnung mit der praktischen Tätigkeit in den Lehrpraxen. Die Konzeption der Seminare erforderte eine kontinuierliche Unterstützung durch Mitarbeiterinnen des Instituts für Allgemeinmedizin mit Erfahrung in der Hochschullehre. Um die Vorteile des Near-Peer Teaching in diesem Format für alle Beteiligten nutzbar zu machen, führten wir ergänzende Seminarformate ein. Strukturierte didaktisch-methodische Schulungen für die Dozierenden sollen in Zukunft ergänzt werden. Eine aussagekräftige Evaluation steht derzeit noch aus.
Antje Rau und Anne-Kathrin Geier teilen sich die Erstautorenschaft.
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Hinweis des Verlags
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Einführung
An der Medizinischen Fakultät Leipzig mit ihren etwa 340 Studierenden pro Studienjahr können diese schon seit 2005 Allgemeinmedizin als Wahltertial im praktischen Jahr (PJ) in Lehrpraxen belegen.
Zu Beginn fand die Lehre im PJ ausschließlich in den PJ-Praxen statt. Ab dem Jahr 2022 wurde ein PJ-begleitendes Seminarprogramm am Institut für Allgemeinmedizin ergänzt, mit dem Ziel:
Studierenden strukturiert theoretische Grundlagen der praktischen Arbeit in den Praxen zu vermitteln, z. B. in Rahmen von Fallbesprechungen und Besprechung von Leitlinien;
praktisch-organisatorische Elemente einzubeziehen, die bisher nicht systematisch vermittelt wurden: Ausfüllen von Formularen, interdisziplinäres Arbeiten auf Hausarztebene, Anlaufstellen und Ansprechpartner bei psychosozialen Fragen etc.;
die Studierenden auf die Prüfung zum mündlichen Staatsexamen (M3) vorzubereiten;
Austausch zu fördern und Vernetzung mit Kommiliton:innen und Ärzt:innen in Weiterbildung zu ermöglichen;
Studierenden einen Einblick in die Arbeit und Aufgaben des Instituts für Allgemeinmedizin zu geben;
Studierende mit Berufsziel Allgemeinmedizin beim Übergang in die Weiterbildung und ggf. in das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Sachsen (KWASa) zu begleiten.
Aus dem Vernetzungsgedanken heraus entstand die Idee, Ärzt:innen in Weiterbildung (ÄiW) als Dozierende in PJ-Seminaren als sog. Near-Peer Teachers einzusetzen. In diesem Beitrag soll dies anhand von PJ-Seminaren im Wahltertial Allgemeinmedizin veranschaulicht werden. Zudem wird beispielhaft der Aufbau einer solchen Veranstaltung im Onlineformat dargestellt.
Near-Peer Teaching
Near-Peer Teaching, Lehre durch „ähnlichrangige“ Lehrende (im Sinne eines ähnlichen Ausbildungs- und Erfahrungsstandes), bietet Vorteile für Lernende wie Lehrende [1‐4] und ist in der PJ-Ausbildung in der Allgemeinmedizin eine bisher unterschätzte Ressource.
ÄiW als Lehrende („Near-Peers“) profitieren vom Near-Peer Teaching durch eigenen Wissenszuwachs [5]. Das Lehren unterstützt ihre eigenen Reflexionsprozesse in der Behandlung von Patient:innen und stärkt ihre professionelle Identität [6].
In England und Australien beispielsweise lehren, so zeigen es mehrere Befragungen, 60 % und mehr der ÄiW in der Allgemeinmedizin [7‐9]. Eine ältere Untersuchung aus England zeigt jedoch auch, dass ÄiW dem Teaching eine eher untergeordnete Rolle zubilligen und im Alltag viele Hürden demgegenüber identifizieren [10]. Unter anderem wünschen sich ÄiW in mehreren Studien eine bessere Vorbereitung und Ausbildung für ihre Lehraktivitäten [6, 7].
Vorteile für Studierende („Peers“) ergeben sich durch die größere Akzeptanz der Lehrenden als Rollenvorbilder, ein besseres Verständnis für die Lernbedürfnisse der Studierenden und aus den flachen Hierarchien, die zu einer entspannten Lernatmosphäre beitragen [4, 11, 12].
Vorteile ergeben sich auch für die supervidierenden Fachärzt:innen, da lehrende ÄiW durch die Übernahme von Lehraufgaben ihre Vorgesetzten entlasten können [4]. Gleichzeitig stehen Fachärzt:innen dem Near-Peer Teaching in Bezug auf die persönliche und fachliche Eignung der lehrenden ÄiW und ihre zusätzliche Verantwortung als Supervisor:innen auch skeptisch gegenüber [9, 13]. Im Bereich Allgemeinmedizin liegt vor allem aus anglosächsischen Ländern Literatur vor [3, 9‐14], diese bezieht sich hauptsächlich auf Lehre im Praxissetting. Die Rolle der (Haus‑)Ärzt:innen als Lehrende wird in diesen Ländern auch offiziell in die Lernziele angehender Allgemeinmediziner:innen (z. B. in England und Kanada, siehe Infobox 1) einbezogen [15, 16]. In der Deutschen Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer werden didaktische Kompetenzen für ÄiW bisher nicht gefordert [17], obwohl Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) dies explizit als Kompetenz entsprechend der CanMed-Rollen benennen [18].
Infobox 1 Allgemeinmediziner:innen als Lehrende: internationale Stimmen
„As a GP you have a role in sharing knowledge with others. This may include formal or informal teaching, mentoring, supervising colleagues and peers, and education in the wider community.“ (Aus: Allgemeinmedizinisches Curriculum des Royal College of General Practice, Großbritannien [16])
„As Scholars, family physicians demonstrate a lifelong commitment to reflective learning, as well as the creation, dissemination, application and translation of knowledge. (…) Through their scholarly activities, they contribute to the creation, dissemination, application and translation of knowledge. As teachers, they facilitate the education of their students, patients, colleagues, and others.“ (Aus: CanMEDS Familiy Medicine, The College of Family Physicians of Canada [15])
Am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Leipzig steht den Studierenden und Lehrpraxen für die Organisation des PJ derzeit ein Team von 3 Mitarbeiterinnen mit insgesamt 0,5 VK zur Verfügung. Neben der Vermittlung der PJ-Plätze ist es für die Planung und Durchführung der Begleitseminare und die inhaltlich-didaktische Supervision der lehrenden ÄiW zuständig. Im Berichtszeitraum März 2022 bis Dezember 2023 wurden insgesamt 22 Seminare zu 4 verschiedenen Praxisfällen veranstaltet und kontinuierlich weiterentwickelt.
Zielgruppe
Studierende (Peers)
Es wurden stets alle aktuellen Studierenden im PJ-Wahltertial Allgemeinmedizin per E‑Mail zu den einzelnen Terminen eingeladen. Die Teilnahme an den Seminaren wurde dringend empfohlen, war jedoch formal nicht verpflichtend. Die Gesamtzahl der im Berichtszeitraum am Wahltertial teilnehmenden Studierenden betrug 49. Die Seminarteilnehmenden setzten sich jeweils aus den zum Seminarzeitpunkt im allgemeinmedizinischen PJ befindlichen Studierenden zusammen. Durch die sich überschneidenden PJ-Startzeiten (Mai und November) wechselte jeweils ein Teil der Studierenden nach 2 Monaten. Die Kohorten der einzelnen Seminare betrugen im Berichtszeitraum zwischen min. 3 und max. 15 PJ-Studierende. Tatsächlich teilgenommen haben im Schnitt 6,1 Studierende (min. 2 und max. 14 Studierende). Im Berichtszeitraum haben alle PJ-Studierenden mindestens 1 Seminar besucht.
Dozierende (Near-Peers)
Für die Seminare wurden im Berichtszeitraum 5 Ärztinnen in Weiterbildung aus dem 3. bis 5. Weiterbildungsjahr als Dozierende über die direkte Ansprache im Rahmen der KWASa-Veranstaltungen, über persönliche Kontakte der Institutsmitarbeiter:innen, aber auch über Empfehlungen der ausscheidenden Dozierenden gewonnen. Die aktuelle oder stattgehabte ärztliche Tätigkeit in einer hausärztlichen Praxis im Rahmen der Weiterbildung wurde als Bedingung vorausgesetzt. Jede Dozentin deckte jeweils ein Seminar im Rahmen eines PJ-Turnus (d. h. eine Veranstaltung alle 4 Monate) ab. Das Mitwirken war freiwillig und wurde mit einer Aufwandsentschädigung honoriert.
Schieden ÄiW mit Erreichen der fachärztlichen Anerkennung aus, konnten nachrückende Dozierende die schon fertig geplante und ausgearbeitete Veranstaltung (Themen, Inhalte, Methoden) übernehmen und eigene Patient:innenfälle einbringen.
Timing und Format
Die PJ-Seminare fanden einmal monatlich online an einem Mittwochnachmittag statt und dauerten 90 min (2 UE). Jede:r PJ-Student:in wurde zu 4 Seminaren mit unterschiedlichen Themen (s. unten) eingeladen. Als zusätzliches Angebot erschien dies für die Studierenden gut in den Arbeitsalltag integrierbar und vom Vorbereitungsaufwand für das PJ-Team und die dozierenden ÄiW machbar. Zusätzlich erhielten die Studierenden 2 Wochen vor jedem Seminar vorbereitende Aufgaben (Flipped-classroom-Methode) per E‑Mail. Für die Bearbeitung waren etwa 2 h vorgesehen. Schwerpunkte waren themenbezogene Recherchen und die Anwendung von z. B. Untersuchung- oder Anamnesetechniken an Patient:innen aus der PJ-Praxis. Es wurde darauf Wert gelegt, die Interaktion mit dem Praxisteam zu fördern und Lehrsituationen mit den Lehrärzt:innen zu schaffen. Hierzu wurden Aufgaben formuliert, die explizit gemeinsam mit dem Praxisteam erarbeitet bzw. durchgeführt werden sollten. Angegebene Quellen, wie z. B. Verweise auf die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) oder die entsprechenden Internetseiten der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dienten der Seminarvorbereitung, aber auch als Benefit für den späteren (hausärztlichen) Praxisalltag. Ein Beispiel für eine Flipped-classroom-Aufgabe findet sich im elektronischen Zusatzmaterial.
Technische Umsetzung und Logistik
Die Seminare fanden online über das Konferenzsystem „BigBlueButton“ (BigBlueButton Inc.) der Universität Leipzig statt. Basierend auf positiven Erfahrungen mit Onlinelehre während der Pandemie wurde angenommen, dass die flexible Teilnahme von zuhause sowohl für Studierende als auch für Dozierende mit Wohn- oder Praxisort außerhalb der Großstadt und/oder mit familiären Verpflichtungen gut zu realisieren sei.
Aufgrund der Erfahrungen der Mitarbeiterinnen, insbesondere hinsichtlich des Videokonferenztools, der Besonderheiten von Gruppenmoderation im Onlineformat und entsprechend passender Methoden, konnten die Dozierenden didaktisch und technisch beraten und unterstützt werden. Hierzu wurde jedes Seminar zusätzlich von einer Mitarbeiterin des Institutes begleitet. Sie übernahm beispielsweise die einleitende und abschließende Moderation inklusive Warmup und die Vorstellung der Dozierenden, führte Anwesenheitslisten, betreute den Chat und konnte bei Bedarf Breakout-Räume organisieren. Weiterhin unterstütze sie beim Hochladen von Präsentationen und Dokumenten, beim Einrichten von Onlineumfragen (TED) und digitalen Whiteboards. Zudem stand sie bei Bedarf für Fragen zum aktuellen PJ und zum Thema Weiterbildung im Fachgebiet Allgemeinmedizin zur Verfügung. Technische Probleme, z. B. mit Lautsprechern und Mikrofonen der Teilnehmenden, traten selten auf und führten nicht zu relevanten Verzögerungen im Ablauf.
Seminaraufbau und -inhalte
Die 4 Seminare (Rückenschmerzen/Leitlinienarbeit, Gesundheitsuntersuchung/Anämie/TSH-Wert, Hausbesuch/Palliativmedizin, geriatrische Patient:innen/Polypharmazie) wurden gemeinsam mit den Dozierenden erarbeitet. Die Auswahl der Themen richtete sich v. a. nach häufigen allgemeinmedizinischen Beratungsanlässen, den Besonderheiten des hausärztlich-ambulanten Settings, Leitlinienbezug und nicht zuletzt nach der Prüfungsrelevanz. Die gemeinsam festgelegten Inhalte wurden von den ÄiW anhand eigener Fallbeispiele aus ihrer Weiterbildungszeit erarbeitet und dargestellt. Ein Beispiel für einen Ablaufplan ist in Tab. 1 dargestellt.
Tab. 1
Beispiel für einen Seminarablaufplan anhand des Seminars „Unerwartete Wendung“
– Oberthemen: Gesundheitsuntersuchung (Check-up), Vorgehen bei Anämie, erhöhter TSH-Wert
– Format: online (BigBlueButton), 2 UE, Nutzung von PowerPoint-Folien zur Fallpräsentation und – Visualisierung der Ergebnisse/Zusammenfassungen
– Zielgruppe: ca. 2–14 PJ-Studierende im Wahltertial Allgemeinmedizin
– Dozierende: Ärztin in Weiterbildung, Mitarbeiterin des PJ-Teams
Die TN wenden das erlernte Wissen zur Gesundheitsuntersuchung im Rahmen eines Falls aus der hausärztlichen Praxis an
Einführung eines Praxisfalls zum Thema Gesundheitsuntersuchung mit im Rahmen des Falls v.a. klinisch festgestellter Anämie
Plenum
8
Die TN können die Abwendbar gefährlichen Verläufe und Red Flags für das Symptom blasse Haut bzw. neu festgestellte Anämie nennen
Gemeinsame Erarbeitung des Lernziels anhand des Fallbeispiels
Plenum
15
Die TN kennen die Inhalte einer symptomorientierten Anamnese und körperlichen Untersuchung bei Verdacht auf eine akute bzw. chronische Blutung
Erarbeitung des Lernziels in Kleingruppen und Anwendung auf das Fallbeispiel
Auswertung im Plenum
Breakout-Räume (pro Raum mind. 3 PJ-Studierende, ohne Dozierende)
10
Die TN kennen die Indikationen für eine stationäre Einweisung und das entsprechende Vorgehen aus dem hausärztlichen Setting heraus
Gemeinsame Erarbeitung der Indikationen, Transportmöglichkeiten und hausärztlichen Aufgaben und Anwendung auf das Fallbeispiel
Plenum
2
Abschluss des Fallbeispiels Gesundheitsuntersuchung/Anämie
Überleitung zum nächsten Thema „TSH-Wert“
Offene Fragen klären
Plenum
20
Die TN haben das allgemeine Prozedere zum Vorgehen bei auffälligen TSH-Werten, im Besonderen bei älteren Patient:innen und bei Schwangeren, anhand der aktuellen DEGAM-Leitlinie besprochen
Gemeinsame Erarbeitung der Indikationen zur Bestimmung des TSH-Werts
Anwendung der DEGAM-Leitlinie hinsichtlich der Therapie auffälliger TSH-Werte anhand von Fallbeispielen (Laborbefunden) aus der Praxis
Erläuterung der Besonderheiten bei geriatrischen und schwangeren Patient:innen
Plenum
Flipped-classroom-Aufgaben
2–3 Laborbefunde mit „auffälligen“ TSH-Werten
Aktuelle DEGAM-Leitlinie „Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis“
3
Die Themen werden zusammengefasst
Take Home Messages mit Bezugnahme auf Lernziele
Offene Fragen klären
Plenum
5
Die Veranstaltung wird abgerundet und abgeschlossen
Veranstaltungstipps für PJ-Studierende
Zeit für Fragen zur Weiterbildung an ÄiW
Verabschiedung
Plenum
UE Unterrichtseinheiten, TSH Thyreoidea‐stimulierendes Hormon, PJ Praktisches Jahr, ÄiW Ärzte in Weiterbildung, TN Teilnehmenden, PPF PowerPoint-Folie, DEGAM Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Evaluation und Ergebnisse
Mündliches Feedback und kleine TED-Umfragen am Ende der Seminare sowie die regelmäßige Teilnahme zeigten, dass die Begleitseminare von den Studierenden gut angenommen wurden, den Studierenden Spaß machten, als interaktiv wahrgenommen wurden und anwendbare Inhalte anboten. Die Flipped-classroom-Aufgaben wurden größtenteils, aber nicht in allen Fällen, bearbeitet und auch das Praxisteam wie geplant mit einbezogen.
Zur systematischen Evaluation wurden Fragen zum neuen Seminarformat in die Tertialevaluation des Studiendekanats der medizinischen Fakultät integriert. Vorläufige Ergebnisse dieser Befragung finden sich in Abb. 1.
Abb. 1
Erste Evaluationsergebnisse im Rahmen der PJ-Evaluation der medizinischen Fakultät
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In Bezug auf die dozierenden ÄiW sind aktuell noch folgende Fragen zu beantworten:
Inwieweit profitieren ÄiW von ihrer Tätigkeit als Dozierende in Seminaren für Studierende an der Universität?
Gibt es Benefits in Bezug auf ihre Tätigkeit als ÄiW in Praxen und ggf. für das dortige Teaching von Studierenden (z. B. im Rahmen eines Blockpraktikums)?
Welche Hürden und Schwierigkeiten erleben ÄiW beim Erstellen und Durchführen der Seminare?
Welche Rolle spielt das Onlineformat hinsichtlich Benefits und Hürden?
Welche Unterstützungsbedarfe haben ÄiW, damit mögliche Hürden in Schulungen systematisch abgebaut werden können?
Geplant ist, die ÄiW zwecks qualitativer Auswertung in Form von Fokusgruppen oder Einzelinterviews zu befragen, sobald eine ausreichende Anzahl an ÄiW Erfahrungen als Dozierende sammeln konnte.
Für die Institutsmitarbeiterinnen ergab sich erstmals die Möglichkeit, regelmäßig individuelles mündliches Feedback zum PJ bei den Studierenden einzuholen, was Einblicke in die PJ-Durchführung in den Praxen ermöglichte. Zudem konnten die Studierenden niederschwellig Fragen zum PJ-Ablauf und ggf. Probleme ansprechen.
Diskussion
Mit dem neuen Seminarformat ist es gelungen, Studierenden im PJ-Wahltertial Allgemeinmedizin strukturiert theoretische Inhalte als Ergänzung zum praktischen Arbeiten in den PJ-Praxen anzubieten.
Es entstand der Eindruck, dass die Seminare von der Darstellung eigener Praxisfälle mit realen Befunden und Verläufen durch ÄiW profitierten. Sie gewannen an Authentizität und Nachvollziehbarkeit. Das personenspezifische Vorgehen, die Darstellung von Herausforderungen für Ärzt:innen am Anfang der beruflichen Karriere, aber auch die Betonung positiver Patientenkontakte und Verläufe schienen die Vorteile des Near-Peer Teaching zu unterstützen und die Studierenden zusätzlich für das hausärztliche Arbeiten zu motivieren.
Als vorteilhaft stellte sich ein regionaler Bezug der Dozierenden heraus. Den Studierenden konnten die lokalen Gegebenheiten anhand der konkreten Patientenfälle besser vermittelt werden.
Es liegen bisher noch keine Rückmeldungen vor, ob und inwieweit die Vorbereitung der Studierenden auf die M3-Prüfung verbessert werden konnte. Ein Austausch mit Prüfenden ist geplant, um Inhalte der Seminare noch besser abzustimmen und Rückmeldungen zu den Kenntnissen der Studierenden zu erhalten.
In Bezug auf das Ziel der Vernetzung von Studierenden untereinander sowie mit ÄiW und Mitarbeiterinnen des Instituts fiel auf, dass Angebote zu individuellen Fragen zum PJ und hinsichtlich des Einstiegs in die Weiterbildung eher zögerlich angenommen wurden. Zukünftig ist deshalb ein zusätzliches Präsenzseminar zu Beginn eines Wahltertials geplant. Hierdurch soll insbesondere das Kennenlernen der PJ-Studierenden untereinander, der Dozierenden und des PJ-Teams gefördert werden. Gleichzeitig können Inhalte aufgegriffen werden, die online nur schwierig umsetzbar sind, wie das Erlernen und Festigen praktischer Fertigkeiten. Eine seminargruppenübergreifende Veranstaltung mit Schwerpunkt „Einstieg in die Weiterbildung“ mit ÄiW als Dozierenden dient zusätzlich dazu, die Vorteile des Near-Peer Teaching im Sinne von niedrigschwelliger Vernetzung für die Studierenden gezielt nutzbar zu machen; hier wurden durch die Erweiterung der Zielgruppe auf Studierende ohne Wahltertial Allgemeinmedizin auch Synergieeffekte genutzt.
Im Vergleich zu Institutsmitarbeiterinnen wiesen die ÄiW häufig weniger Lehrerfahrung und Methodenkompetenz auf. Dies zeigte sich auch in den bisherigen Evaluationen der Studierenden (siehe Abb. 1). Hierdurch entstand der Mehraufwand, die Dozierenden in der Vor- und Nachbereitung der Seminare zeitlich und inhaltlich individuell v. a. didaktisch zu unterstützen und gleichzeitig zur Veranstaltung selbst präsent zu sein. Um diesen Mehraufwand zu minimieren und didaktische Kompetenzen weiter zu verbessern, sollen ÄiW zukünftig auch systematisch geschult werden. Hierzu könnten Synergieeffekte mit den medizindidaktischen Fortbildungen für Lehrpraxen des Instituts für Allgemeinmedizin und den Train-the-Trainer-Fortbildungen und Dozierendenschulung des KWASa genutzt werden. Grundsätzlich könnte das Seminar dann auch mit geschulten Dozierenden und einer studentischen Hilfskraft durchgeführt werden. Eine engmaschige Supervision zur Qualitätssicherung durch Mitarbeitende des Instituts bleibt jedoch unerlässlich. Ihre Anwesenheit dient außerdem dem Ziel, die Anbindung an das Institut für Allgemeinmedizin und ggf. das KWASa zu fördern.
Das Interesse der ÄiW, sich als Dozierende zu beteiligen, zeigte sich trotz regelmäßiger Vorstellung in KWASa-Seminaren und einer Vergütung eher gering. Dozierende konnten v. a. durch direkte Ansprache gewonnen werden. Rückmeldungen unterschiedlicher ÄiW lassen vermuten, dass sie vor allem Zweifel an ihrer fachlichen und didaktischen Qualifikation als Lehrende haben könnten. Zudem legen Erkenntnisse aus dem anglosächsischen Raum nahe, dass ÄiW dem Lehren keinen prioritären Stellenwert zubilligen [10].
Daher wäre es wünschenswert, die Gründe für die Zurückhaltung gezielt für den deutschen Kontext zu evaluieren, um mögliche Hürden zu detektieren und abzubauen. Zudem könnte es hilfreich sein, die eigenen Vorteile in Bezug auf Lernerfolg und persönliche Entwicklung mehr zu betonen. Bei der Beobachtung unserer Dozentinnen im Verlauf der PJ-Seminare fiel auf, dass sie mit zunehmender Erfahrung deutlich selbstbewusster wirkten und mit mehr Selbstverständnis als Lehrende auftraten.
Es liegt nahe, dass die erlernten Kompetenzen auch eine positive Auswirkung auf die ärztliche Tätigkeit und Lehrsituationen in der hausärztlichen Praxis haben könnten. Neben einer guten Versorgung der Patient:innen könnten hierdurch auch die weiterbildenden Fachärzt:innen durch Entlastung in Lehrsituationen (z. B. Blockpraktikum) profitieren.
Fazit und Ausblick
Die Seminare im Near-Peer-Teaching-Format wurden von den Studierenden gut angenommen und ermöglichten eine nahbare und praxisnahe Lehre. Sie verbesserten die Vernetzung zwischen den Institutsmitarbeiterinnen und den Teilnehmenden, auch im Hinblick auf den Übergang in die Weiterbildung und das KWASa. Informationen, in wieweit die Studierenden besser auf die M3-Prüfung vorbereitet waren, liegen bisher nicht vor. Insgesamt ist eine Fortführung der Evaluation durch die PJ-Studierenden dringend notwendig, um aussagekräftige Daten zu erhalten.
Das Onlineformat erwies sich als gut umsetzbar, auch für Studierende in peripheren PJ-Praxen und die dozierenden ÄiW. Vernetzung und Anbindung können durch Präsenztermine noch ausgebaut werden.
Für die Zukunft sind strukturierte Schulungen der ÄiW vorgesehen. Eine umfassende Erfassung der Vorteile und Hürden des Near-Peer Teaching für Studierende und ÄiW ist geplant, um den erhöhten Aufwand zu rechtfertigen und die Vorteile des Near-Peer Teaching in unserem Lehrkontext noch besser nutzbar zu machen.
Danksagung
Wir danken Herrn Henze vom Referat Lehre für die Bereitstellung der Daten der PJ-Evaluation, Dr. rer. med. habil. Tobias Deutsch für seine Ideen zu deren Darstellung und Frau Jenny Messall vom Service Satz und Grafik der UB Leipzig für die Umsetzung der Grafiken.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
A. Rau ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Sachsen. A.-K. Geier, S. Hochsieder und M. Bleckwenn geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Ärzt:innen in Weiterbildung als Near-Peer Teachers: Umsetzung, Hürden und Erfolge Erste Erfahrungen im Rahmen eines Seminarprogramms für das Praktische Jahr am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Leipzig
verfasst von
Antje Rau Anne-Kathrin Geier Steffi Hochsieder Markus Bleckwenn
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