Geriatrischen Notfall: Pneumonie-Diagnostik unter erschwerten Bedingungen

Es gibt keinen allgemein anerkannten Goldstandard zur Diagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie. Besonders bei älteren Menschen gestaltet sich die Diagnose schwierig, da sie selten mit den typischen Symptomen in die Notaufnahme kommen und etablierte Diagnosekriterien oft unzureichend sind. Die Mehrheit der Patientinnen und Patienten mit einer ambulant erworbenen Pneumonie wird zunächst in der Notaufnahme behandelt. Doch gerade bei älteren Menschen ist die Diagnosestellung häufig mit Unsicherheiten behaftet. Eine neue prospektive Beobachtungsstudie an zwei US-amerikanischen Notaufnahmen untersuchte Patientinnen und Patienten ab 65 Jahren, um den Nutzen von vier etablierten Diagnosekriterien – Loeb, McGeer, Infectious Disease Society of America/American Thoracic Society (IDSA/ATS) und American College of Emergency Physicians (ACEP) – zu evaluieren. Unterschiedliche Diagnosekriterien Die Minimalkriterien nach Loeb, ursprünglich für Langzeitpflegeeinrichtungen entwickelt, definieren grundlegende Symptome für Atemwegsinfektionen, die eine antibiotische Behandlung erfordern. Hat eine Heimbewohnerin bzw. ein Heimbewohner eine Temperatur von > 38,9 °C, muss mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt sein, um bei Verdacht auf eine Infektion der unteren Atemwege Antibiotika zu verabreichen: Atemfrequenz > 25 Atemzüge pro Minute und/oder produktiver Husten. Liegt die Temperatur zwischen 37,9 °C und 38,9 °C, gehören zu den Mindestkriterien das Vorhandensein von Husten und mindestens eines der folgenden Kriterien: 1. Puls > 100, 2. Delir, 3. Rigor oder 4. Atemfrequenz > 25. Auch ohne Fieber sind Zeichen wie eitriger Husten oder Delir ausschlaggebend. Die McGeer-Kriterien integrieren zusätzlich einen Röntgen-Thoraxbefund, der eine Pneumonie oder einen entsprechenden Verdacht aufzeigen muss. Dazu müssen zwei Symptome wie Husten, erhöhte Sputumproduktion, Fieber (≥ 38 °C), ein veränderter Auskultationsbefund oder eine Verschlechterung des mentalen Status vorliegen. Die klinischen Richtlinien der IDSA/ATS und des ACEP für die Diagnose einer Pneumonie stützen sich auf folgende Minimalkriterien: Atemfrequenz ≥ 30/min, Horovitz-Quotient (paO2/FiO2) ≤ 250, multilobuläre Infiltrate, Verwirrtheit/Orientierungslosigkeit, Urämie (BUN ≥ 20 mg/dl), Leukopenie (< 4.000 Leukozyten/µl), Thrombozytopenie (< 100.000 Thrombozyten/µl), Hypothermie (< 36 °C) sowie Hypotonie, die eine Flüssigkeitstherapie erfordert. Keine typischen Symptome vorhanden In die Studie wurden 135 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 75,7 Jahren aufgenommen. Nur 20% erhielten letztlich die Diagnose einer ambulant erworbenen Pneumonie, während bei 77% der Verdacht nicht bestätigt wurde und bei 3,0% war man sich mit der Diagnose unsicher. Viele Symptome, die von Pneumonie-Patienten angegeben wurden, traten auch bei Patienten ohne Pneumonie auf, wie etwa Kurzatmigkeit (81,5% vs. 67,3%), Unwohlsein (77,8% vs. 67,3%), Dyspnoe bei Anstrengung (66,7% vs. 60,6%) oder Atemnot (63,0% vs. 55,8%). Das Spektrum der gemeldeten Symptome war breit gefächert und umfasste auch einige, die nicht typisch für eine Lungenentzündung sind, wie z. B. Bauchschmerz. Tachypnoe stellte das einzige Vitalzeichen dar, das bei über 50% der Pneumoniepatienten beobachtet wurde. Röntgenaufnahmen, die auf eine Pneumonie hinwiesen, waren bei 74,7% der Pneumoniepatienten, jedoch auch bei 7,7% der Nicht-Pneumoniepatienten und in der Hälfte der unsicheren Fälle vorhanden. Die IDSA/ATS- und ACEP-Kriterien hatten einen positiven Wahrscheinlichkeitsquotient („likelihood ratios“, LR) LR[+] > 10 und einen negativen LR[–] < 0,3, die auf der Grundlage früherer Definitionen als klinisch signifikant angesehen wurden. „Die Anwendung bestehender Definitionen zur Diagnose einer Pneumonie hat eine hohe Spezifität, aber eine problematische Sensitivität“, so das Fazit der Studiengruppe um Katherine M. Hunold vom Department of Emergency Medicine, The Ohio State University, Columbus, Ohio. Sie schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass bei Anwendung strenger Symptomkriterien wie Loeb und McGeer die Diagnose einer Pneumonie in der Notaufnahme möglicherweise übersehen würde. Obwohl diese Kriterien besser abschnitten als erwartet, seien sie vermutlich nicht ausreichend, um sie als Standard in der klinischen Versorgung zu empfehlen. „Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Symptome und Vitalzeichen bei älteren Erwachsenen mit Pneumonie variieren“, so die Studiengruppe. Notärztinnen und -ärzte sollten deshalb auch bei Fehlen oder verzögertem Auftreten typischer Symptome an eine Pneumonie denken.

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