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Erschienen in: Der Pathologe 4/2018

Open Access 24.04.2018 | Schwerpunkt: Pathologie und Forschungsbiobanken

Anforderungen an eine standortübergreifende Biobanken-IT-Infrastruktur

Erhebung des Stakeholderinputs zum Aufbau eines Biobankennetzwerks der German Biobank Alliance (GBA)

verfasst von: C. Schüttler, N. Buschhüter, C. Döllinger, L. Ebert, M. Hummel, J. Linde, H.-U. Prokosch, R. Proynova, M. Lablans

Erschienen in: Die Pathologie | Ausgabe 4/2018

Zusammenfassung

Hintergrund

Die große Zahl an Biobanken innerhalb Deutschlands resultiert in einer hohen Heterogenität hinsichtlich der verwendeten IT-Komponenten an den jeweiligen Standorten. Im Rahmen der German Biobank Alliance (GBA) implementieren 13 Biobanken harmonisierte Prozesse zur Bereitstellung von Biomaterial und zugehörigen Daten.

Zielsetzung

Die Vernetzung der individuellen Biobanken und die damit verbundene Harmonisierung der IT-Infrastruktur soll die Zusammenstellung von Biomaterial und zugehörige klinische Daten für die Forschung über Standorte hinweg erleichtern.

Methode

Hierzu wurden zunächst die relevanten Zielgruppen identifiziert, um deren Anforderungen an zu entwickelnde IT-Lösungen im Rahmen eines Workshops zu erheben.

Ergebnisse

Von 7 identifizierten Interessengruppen wurden zunächst die Biobankleiter und -manager sowie IT-Mitarbeiter der Biobanken zu einer ersten Diskussionsrunde eingeladen. Aus dem dort geäußerten Stakeholderinput ging ein Anforderungskatalog in Hinblick auf die IT-Unterstützung bei (i) einer Proben- und Datenanfrage, (ii) der Handhabung von Patienteneinwilligungen und -einbezug sowie (iii) der nachgelagerten Evaluation der Proben- und Datenanfrage hervor.

Schlussfolgerungen

Die IT-Lösungen werden anhand der genannten Anforderungen im nächsten Schritt als Prototypen konzipiert. Parallel dazu werden weitere Nutzergruppen befragt, um die Vorgaben für die Entwicklung auch von breiteren Nutzergruppen zu berücksichtigen.
Hinweise

Schwerpunktherausgeber

R. Knüchel-Clarke, Aachen
E. Dahl, Aachen
P. Schirmacher, Heidelberg
Zu diesem Beitrag ist ein Erratum online unter https://​doi.​org/​10.​1007/​s00292-018-0479-x verfügbar.
In der medizinischen Forschung nehmen Biobanken heute eine Schlüsselrolle ein. Diese sammeln qualitätsgesichert für die Forschung benötigtes Biomaterial von Patienten bzw. Probanden und verknüpfen es mit assoziierten klinischen Daten. Ausreichend hohe Fallzahlen sind erforderlich, um die Ursachen von Erkrankungen zu erforschen und gezielte therapeutische Verfahren zu entwickeln. Hierfür ist die Kooperation mehrerer Biobanken in standortübergreifenden Verbünden erforderlich.
In Deutschland gibt es mehrere hundert Biobanken, die über viele Standorte in Deutschland verteilt sind und im Hinblick auf ihre IT-Unterstützung eine hohe Heterogenität aufweisen [3]. Im Rahmen der German Biobank Alliance (GBA) werden 13 Biobanken in einer verteilten Forschungsinfrastruktur unter Koordination des German Biobank Node (GBN) miteinander vernetzt, um standortübergreifende Forschungsprojekte zu ermöglichen. Gleichzeitig soll damit auch eine Anbindung an ähnliche Netzwerkstrukturen, die im Rahmen des europäischen Verbundes von BBMRI-ERIC1 entstehen, unterstützt werden [8, 14]. Während zur Verwaltung lokaler Biobanken individuelle Softwaresysteme ausreichen [15], sind für eine datenschutzgerechte und qualitätsgesicherte deutschlandweite bzw. europaweite Vernetzung von Biobanken eine Vielzahl von zentralen und lokalen IT-Komponenten erforderlich. Daher ist es eine der ersten Aufgaben der GBA, die IT-Ausgangssituation der 13 angeschlossenen Biobanken zu analysieren und existierende Lücken an den Standorten zu identifizieren. Basierend auf diesen Anforderungen werden IT-Komponenten konzipiert und entwickelt, die sowohl die lokale Infrastruktur einer Biobank vervollständigen als auch zur standortübergreifenden Biobankenvernetzung benötigt werden.
Als wesentliche zu unterstützende Prozesse wurden die Proben- und Datenanfrage für Biomaterial und assoziierte Daten, die Verwaltung von Patienteneinwilligungen, die Nachverfolgung von Proben‑/Datenanträgen und entstehenden Forschungsprojekten, die Einhaltung der Datenschutzvorgaben, die Kommunikation mit Probenspendern und die Datenharmonisierung und -integration identifiziert. Als Ausgangsbasis für einen nutzerzentrierten Designprozess bei der Auswahl oder Entwicklung der notwendigen IT-Komponenten steht die Erhebung der Stakeholderanforderungen immer an erster Stelle [4]. Die dazu gewählte Vorgehensweise und die ersten damit erzielten Ergebnisse werden im vorliegenden Artikel beschrieben.

Methoden

Ein nutzerzentrierter Designprozess zielt darauf ab, ein Produkt zu entwickeln, das eine hohe Gebrauchstauglichkeit aufweist. Hierfür wurde als erster Schritt eine Zielgruppenanalyse durchgeführt. Den Ausgangspunkt bildete die Identifikation der späteren Nutzer der IT-Werkzeuge, die dann durch eine ausführliche Recherche detailliert charakterisiert wurden. Die Ergebnisse flossen in ein Set an Nutzerprofilen, auch Personas genannt, ein. Bei diesen handelt es sich um Steckbriefe von fiktiven Personen, die jeweils einen durchschnittlichen Vertreter ihrer Gruppe darstellen [12].
Ausgehend von den gesammelten Erkenntnissen aus der Zielgruppenanalyse und Erfahrungen aus verwandten Vorprojekten [9, 13, 15] wurde ein Teil der identifizierten Stakeholder zu einem Workshop eingeladen. Dieser diente dazu, relevante Anforderungen zu sammeln und zu spezifizieren. Da die eingeladenen Zielgruppen aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen innerhalb der Biobank stammen, wurden die Prozesse und die Motivation, diese mit IT-Lösungen zu unterstützen, zur Schaffung eines grundlegenden Verständnisses zunächst kurz präsentiert. Anschließend wurden die gewünschten Eigenschaften der jeweiligen Komponente geäußert und in offener Runde diskutiert. Auf diese Weise konnten die essenziellen Anforderungen festgestellt und unmittelbar durch die Workshopteilnehmer konkretisiert werden.

Ergebnisse

Anhand der durchgeführten Zielgruppenanalyse und des darauf aufbauenden Stakeholderworkshops konnten konkrete Anforderungen für die IT-Lösungen abgeleitet werden. Aufgrund der Begrenzung des vorliegenden Artikels können diese nachfolgend nicht vollständig und umfassend dargestellt werden. Die einzelnen Abschnitte illustrieren aber zumindest kursorisch die erarbeiteten Vorgaben.

Identifikation der Zielgruppen

Im Rahmen der Zielgruppenanalyse wurden folgende Interessengruppen identifiziert, die als zukünftige Nutzer der zu entwickelnden IT-Lösungen infrage kommen und deren Einschätzungen und Ansichten bei der Definition der relevanten Prozesse und der anschließenden Implementierung der IT-Lösungen von hoher Relevanz sind:
  • Biobankleiter,
  • Biobankmanager,
  • technischer Biobankmitarbeiter,
  • wissenschaftlicher Biobankmitarbeiter,
  • Forscher/Probenanfragender (einrichtungsintern),
  • Forscher/Probenanfragender (extern),
  • Probenspender.
Für jede dieser Personengruppen wurde eine Persona erstellt, die diese über den gesamten Projektverlauf repräsentiert. Die Profile beinhalten neben dem Namen grundlegende demografische Angaben wie Alter, Familienstand und Beruf. Der berufliche Tätigkeitsbereich wurde zudem in wenigen Stickpunkten umrissen. Anhand einer Skala werden die Berufs- und Computererfahrung, die Technikaffinität und die Nutzungsmotivation für die jeweilige Person visualisiert, um deren Kenntnisse auf einen Blick einschätzen zu können. Der Fokus der Profile liegt jedoch auf der Beschreibung der Ziele, Ängste und Wünsche sowie Erwartungen. Diese sind maßgeblich für die Konkretisierung der Anforderungen und sollten in den Entwicklungsprozess einbezogen werden. Die folgenden Grafiken (Abb. 1 und 2) zeigen zur Veranschaulichung der Analyseergebnisse die Persona eines Biobankleiters und die eines IT-Mitarbeiters, die zur ersten Erhebung des Stakeholderinputs eingeladen wurden.

Zweistufige Anfrage nach Biomaterialproben und assoziierten Daten

Eine zentrale Aufgabe der entstehenden Forschungsinfrastruktur ist eine benutzerfreundliche und einheitliche Anfrage von Forschern nach Proben und Daten, um standortübergreifende biomedizinische Forschungsprojekte zu ermöglichen. Die GBA-IT-Infrastruktur soll eine zeitnahe Auskunft der teilnehmenden Biobanken über die potenzielle Verfügbarkeit von entsprechend charakterisierten Proben und Daten ermöglichen. In diesen Prozess sind zwei Akteure involviert: der anfragende Forscher und die antwortende Biobank. Beide sind daran interessiert, auf möglichst effiziente Weise passende Proben für ein vom Forscher geplantes Projekt zu identifizieren. Dafür muss (a) der Forscher der Biobank mitteilen, welches Material und welche Daten er benötigt und (b) die Biobank dem Forscher, welches Material und welche Daten verfügbar sind. Dieser Informationsaustausch erfordert beidseitiges Vertrauen:
a)
Für den Forscher stellen seine Projektidee und seine wissenschaftliche Hypothese schützenswerte Informationen dar. Er ist nur bereit, sie einer Biobank preiszugeben, mit der er einen ersten Kontakt geknüpft und Vertrauen aufgebaut hat, würde sie aber nicht im Rahmen einer ersten breiten Anfrage öffentlich machen. Eine solche Anfrage ist aber notwendig, um Biobanken vorzuselektieren, die die benötigten Proben anbieten könnten.
 
b)
Als Antwort auf seine Anfrage erwartet der Forscher eine möglichst präzise Sofortantwort über verfügbares Material und Daten. Vertreter aus Biobanken geben aber zu bedenken, dass eine automatische Rückmeldung über gefundene Datensätze – selbst wenn es sich nur um unscharfe aggregierte Gesamtzahlen handelt – nicht bereits als das Inaussichtstellen verfügbarer Proben verstanden werden darf. Diese vermeintliche Verfügbarkeit von Material ist nämlich aufgrund der Materialeignung, komplexer Eigentumsverhältnisse am Standort oder rechtlicher Rahmenbedingungen nicht immer gegeben, sondern muss u. U. fallweise entschieden werden [17].
 
Um diesen Umständen Rechnung zu tragen, wurde ein Prozess konzipiert, bei dem ein Proben- und Datenanfragemanagement als zentraler Mittler zwischen einem anfragenden Forscher und den Biobanken fungiert. In diesem Prozess läuft jede Anfrage in zwei Schritten ab (vgl. Abb. 3):
Im ersten Schritt sendet der Forscher eine Anfrage über ein zentrales Portal an alle angeschlossenen Biobanken, um die potenziell verfügbare Anzahl der gesuchten Proben bzw. zugehörigen Daten zu erfragen. Für eine solche Machbarkeitsprüfung wurden im Rahmen eines Workshops von Biobankenverantwortlichen Kategorien von Kriterien identifiziert, anhand derer das gewünschte Material ermittelt werden kann: Eigenschaften des gewünschten Biomaterials (z. B. Materialtyp, Konservierungstyp) und klinische/demografische Informationen zum Fall (z. B. Diagnose, Therapie). Anhand dieser Angaben kann die durch GBA bereitgestellte lokale IT-Lösung in jeder beteiligten Biobank eine erste Verfügbarkeitsschätzung vornehmen und über eine zentrale Stelle an den Anfragenden zurückmelden. Der Anfragende erhält maximal die aggregierte Anzahl der Proben, die die Suchkriterien erfüllen. Ob eine Antwort automatisch erfolgt und welche Informationen sie enthält, kann jede Biobank in einem Regelsystem auf Grundlage von Faktoren wie der Anzahl vorliegender Proben und des Einwilligungsstatus des jeweiligen Spenders konfigurieren. Gegebenenfalls kann der Anfragende die Verfügbarkeitsschätzung mit angepassten Kriterien wiederholen.
Nach positiver Machbarkeitsprüfung kann der Anfrager nun zum zweiten Schritt übergehen: einer direkten Kontaktaufnahme mit den infrage kommenden Biobanken. Diese Anfrage enthält nun eine Projektbeschreibung, die neben der genauen Beschreibung der Materialeigenschaften auch die erforderlichen Daten und die geplanten Untersuchungen im Projekt detailliert darstellt. Darüber hinaus können zusätzliche Dienstleistungen (z. B. Immunfärbungen, „tissue microarrays“ [TMA], DNA-/RNA-Extraktion) angefragt werden, die von der Biobank erbracht werden könnten. Auf Basis eines solchen Exposés kann das zuständige Entscheidungsgremium darüber entscheiden, ob das Projekt bedient werden kann. Im Rahmen dieses Kontakts kann die Biobank auch beraten und die ursprünglichen Anforderungen anpassen, bspw. wenn für die vorgesehene Untersuchung auch eine andere Konservierungsart der Probe ausreicht. Die Verhandlung schließt auch die Erbringung von Aufwandsentschädigungen ein. Dieser Prozess soll durch eine elektronische und einheitliche Kommunikationsmöglichkeit, z. B. in Form eines Forums, unterstützt werden, was zurzeit im europäischen Biobankenkonsortium BBMRI-ERIC erprobt wird [16]. Der Status der Verhandlung soll für die Verhandlungspartner verfolgbar und nachvollziehbar sein. Am Ende des Prozesses steht die Übergabe des Biomaterials und assoziierter Daten, die in der Regel durch ein Materialtransferagreement ergänzt wird. Für so entstandene Kooperationen können Biobanken Regeln definieren, die es einem Anfragenden erlauben, den zweiten Schritt zu überspringen.

Handhabung des Probandeneinbezugs

Um die oben beschriebenen verteilten Anfragen in einem Biobankennetzwerk durchführen zu können, muss jede eingebundene Biobank pseudonymisierte klinische und probenbeschreibende Daten in einem Data-Warehouse (DWH) lokal bereitstellen. Hierfür und auch im Kontext einer Abfrage der Verfügbarkeit von Proben und Daten muss sichergestellt werden, dass ein Probenspender überhaupt für die entsprechende Nutzung seine Einwilligung gegeben hat. Dazu ist neben der bisher gängigen Ablage der vom Patienten unterschriebenen Einwilligung an jedem Standort auch ein strukturiertes elektronisches Einwilligungsmanagement zu etablieren, um dies per automatisierter DWH-Abfrage prüfen zu können. Um hierfür möglichst einheitliche Überprüfungen durchführen zu können, sollten Biobanken ihre Einwilligungsformulierungen eng an den empfohlenen Mustertext des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen [1] anlehnen. Dieser ermöglicht sowohl eine relativ breit gefasste Einwilligung zur Verwendung von Biomaterialien und Daten für die medizinische Forschung als auch zeitliche Befristungen, Einschränkungen auf einzelne Krankheiten oder individuelle Optionen zu Ausschlüssen (z. B. bestimmter Forschung oder der Weitergabe an Dritte). Auch kann eine solche Patienteneinwilligung eine Aussage dazu erhalten, ob der Probenspender mit einer Rekontaktierung einverstanden ist. Meist kann aber nur die grundsätzliche Erlaubnis zur Biomaterial‑/Datenverwendung automatisiert abgefragt werden. Für weitergehende Prüfungen der vorliegenden Einwilligungen nach einer ersten Probenvorselektion müssen die vollständigen digitalen Einwilligungsdokumente einem Biobankmanager vor Anbahnung von Projektverhandlungen möglichst auf Knopfdruck angezeigt werden können.
Für die Etablierung eines digitalen Einwilligungsmanagements muss aber beachtet werden, dass eine Biobank immer zu einer übergeordneten Institution (z. B. einem Krankenhaus) gehört, in der Einwilligungen nicht nur im Biobanken- bzw. darüber hinausgehenden Forschungskontext [2], sondern bereits im Rahmen der Patientenaufnahme (u. a. für die generelle Datenverwendung oder -weitergabe an andere Versorgungseinrichtungen [7]) sowie auch für die Zustimmung zu bestimmten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen eingeholt werden und zu verwalten sind. Somit sollte eine Biobankeinwilligung immer als Komponente eines einrichtungsübergreifenden Einwilligungsmanagements betrachtet werden, welches zum einen in der Lage ist, über eine eigene Anwendungsoberfläche Einwilligungen zu erfassen, zum anderen aber auch über Programmschnittstellen strukturierte Informationen zu in anderen Abteilungssystemen erhobenen Einwilligungen aufzunehmen. Diese IT-Lösung sollte in der Lage sein, alle an einer Einrichtung möglichen Einwilligungen zu speichern und diese Informationen für eine Vielzahl von Verwendungszwecken in strukturierter Form abfragbar zu machen.
Des Weiteren wurde die Option diskutiert, dass Patienten Zugriff auf ihre gegebenen Einwilligungen haben, um diese ohne großen Aufwand über ein Onlineportal zurückziehen zu können. Grundsätzlich wurde diese Möglichkeit positiv aufgenommen, jedoch muss zunächst der Ablauf bei einem solchen Widerruf genau definiert werden. Diesbezüglich ist auch eine Verzahnung mit den weiteren Bemühungen in Hinblick auf den Einbezug der Probenspender erstrebenswert. Bei einer Umfrage unter Biomaterialspendern an vier deutschen Universitätskliniken gaben 73 % der Teilnehmer an, über die weitere Verwendung ihres gespendeten Materials informiert werden zu wollen [11]. Die Kommunikation mit Probanden soll das Vertrauen eines Probanden in die Biobank stärken und ihm das Gefühl vermitteln, einen sichtbaren Beitrag zur klinischen Forschung geleistet zu haben. So wird er zur Teilnahme an weiteren Studien und zur positiven Darstellung des Biobankings in seinem Umfeld motiviert. Der Proband sollte über ein Onlineportal Informationen über die Verwendung seiner Proben in Forschungsprojekten einholen können. Für das Etablieren eines solchen Onlineportals muss wiederum bedacht werden, dass ein Patient in der Regel keine „Beziehung“ zu einer Biobank oder gar einem Biobankennetzwerk aufbaut, sondern diese Beziehung eher zu dem Krankenhaus hat, in dem ihm das Biomaterial entnommen wurde. Da Krankenhäuser aktuell vielerorts ebenfalls darüber nachdenken, ihr Krankenhausinformationssystem um ein digitales Patientenportal zu ergänzen, sollte ein digitaler Informationsaustausch zwischen Biobank und Biomaterialspender in ein Krankenhaus-Patientenportal eingebettet sein. Damit wird auch das Problem umgangen, dass eine Biobank selbst ihre Spender gar nicht kontaktieren kann, da in ihrem unmittelbaren Umfeld nur mit pseudonymisierten Daten gearbeitet werden darf. Zum anderen werden Biobanken in ihrer nur vermittelnden Rolle über Forschungsergebnisse derzeit nicht immer informiert. Auch hier kann es helfen, ein Onlineportal für Probanden nicht innerhalb der Biobank, sondern ähnlich wie die Schnittstelle zur Probandeneinwilligung im Kontext der gesamten Einrichtung zu implementieren.

Evaluation der Dienstleistungen einer Biobank

Zur Evaluation der GBA als Netzwerk einerseits und jeder angeschlossenen Biobank andererseits diskutierten die Workshopteilnehmer eine Nachverfolgung der aus Anfragen entstandenen Kooperationsprojekte, mit der die Verwertung des herausgegebenen Biomaterials oder deren Daten an die Biobank zurückgespielt werden kann. Hierbei handelt es sich nicht um die Rückmeldung expliziter individueller Analyseergebnisse, sondern beispielsweise um Informationen, welche Untersuchungen im Rahmen des durch die GBA vermittelten Forschungsprojekts durchgeführt und in welcher Form Forschungsergebnisse publiziert wurden. Darüber hinaus kann diese Projektnachverfolgung zur Evaluation genutzt werden, um Verbesserungspotenzial bei der Kontaktaufnahme, der Suchanfrage und den Serviceangeboten der Biobank zu identifizieren.
Das inhaltliche Konzept für eine solche Evaluation wurde bereits in Form eines Fragebogens erstellt und nach einer Pilotierung an zwei Biobankstandorten finalisiert [5]. Bislang wurde dieser Prozess aber manuell über eine gebräuchliche Plattform für Onlineumfragen abgewickelt. Um den Prozess auf alle 13 Biobanken harmonisiert auszurollen, soll dieser Ablauf zukünftig in Abhängigkeit von Statuseinträgen in einem Projektverwaltungssystem (z. B. zu einem vordefinierten Zeitpunkt nach Herausgabe des Biobankenmaterials) weitestgehend automatisiert werden. Zusätzlich wurde die Integration einer automatisierten PubMed-Suche gewünscht, mit der beispielsweise über den Projektnamen die Verwendung des Biomaterials im Rahmen von Publikationen nachverfolgt werden kann, selbst wenn diese vom Projekt nicht direkt an die kooperierende Biobank gemeldet wurden.

Diskussion

Zur praktischen Umsetzung der beschriebenen Prozesse zur Vermittlung von Biomaterial wurden zwei unmittelbare Herausforderungen identifiziert. Zum einen wurden die rechtlichen Voraussetzungen durch alle teilnehmenden Biobanken in einem verbundweiten Datenschutzkonzept gemeinsam erarbeitet und konsentiert. Das Konzept ergänzt dabei für jeden Partner die bereits vorhandenen lokalen Regularien um Beschreibung der standortübergreifenden Prozesse. Die noch anstehende Abstimmung mit den lokalen Datenschutzbeauftragten wird durch ein positives Votum der Arbeitsgruppe Datenschutz des TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. erleichtert. Zum anderen wird zur Adressierung der aufgrund der Diversität der teilnehmenden Biobanken unvermeidlichen heterogenen Datenlandschaft ein gemeinsamer Datensatz erarbeitet. Dieser besteht wiederum aus Teildatensätzen: Ein schmaler Basisdatensatz beschreibt Sachverhalte, die krankheitsunabhängig erfasst werden (bspw. ein Materialtyp oder eine ICD-Diagnose) und ist in jeder GBA-Biobank verfügbar. Krankheitsspezifische Sachverhalte (bspw. ein TNM-Code) werden in Erweiterungsdatensätzen beschrieben und sind in den GBA-Biobanken verfügbar, die Proben zur entsprechenden Erkrankung vorhalten. Dabei wird auf bestehende Datensätze zurückgegriffen wie etwa auf den einheitlichen onkologischen Basisdatensatz der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e. V. (ADT) und der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V. (GEKID; [6]).
Die tatsächliche Verfügbarkeit von Material wird aufgrund unzureichender Materialeignung, einer fehlenden ausreichend breiten Patienteneinwilligung oder anderer Hürden nicht immer durch IT-Unterstützung automatisch zu ermitteln sein. Um eine falsche Erwartungshaltung beim Anfragenden zu vermeiden, wurden mehrere Ansätze diskutiert: Zum einen sollen verständliche und gut in den Prozess integrierte Bildschirmtexte den Forscher schon bei seiner ersten Anfrage über diese Einschränkungen aufklären. Zum anderen können mithilfe des beschriebenen Regelsystems automatische Antworten für bestimmte Sammlungen unterbunden werden. Auf die dann erfolgende manuelle Antwort wartet der Anfragende zwar länger, erhält jedoch eine verlässlichere Auskunft. Zuletzt ist es eine zentrale Aufgabe der GBA, durch nachweisbare Vorteile gegenüber herkömmlichen Prozessen – wie etwa eine hohe Zahl erfolgreicher Projektvermittlungen – die Bereitschaft aller Beteiligten zu IT-gestützten und harmonisierten Proben- und Datenanfragen zu stärken.
Vergleichbare Prozesse konnten durch sog. Brückenköpfe im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) bereits umgesetzt werden [10]. Der dort entwickelte Programmcode, welcher durch seine Autoren unter einer Open-Source-Lizenz veröffentlicht wurde, wird in der GBA weitergenutzt und fortentwickelt. Funktionserweiterungen wie etwa das im DKTK nicht vorgesehene Regelsystem zur automatischen Beantwortung bestimmter Suchanfragen werden im Rahmen einer projektübergreifenden Open-Source-Kooperation zurückgegeben.
Die Durchführung einer Zielgruppenanalyse im Rahmen des nutzerzentrierten Designprozesses diente zunächst der Vorbereitung des Workshops. Auf Grundlage der erstellten Personas konnten die Teilnehmer des Workshops identifiziert und anhand der Profile erste Diskussionspunkte für die konkrete Erhebung des Stakeholderinputs abgeleitet werden. Die Fokussierung auf die Zielgruppen „Biobankleiter“, „Biobankmanager“ und „IT-Mitarbeiter“ liegt darin begründet, dass zu Beginn die Realisierbarkeit der IT-Lösungen an den Standorten abgeklärt werden muss. In Hinblick auf die grundsätzliche Machbarkeit, die Prozesse und deren Anforderung an den Standorten zu implementieren, ist die Zustimmung der Biobankleiter oder -manager erforderlich. Zur Klärung, ob sich die im Workshop geäußerten Anforderungen technisch umsetzen lassen, wurden die IT-Mitarbeiter der Biobanken eingeladen. Mit der ersten Erhebung des Stakeholderinputs wurden somit die grundlegenden Voraussetzungen geschaffen, um die nächsten Projektschritte voranzutreiben. Diese sehen auch die Einbeziehung weiterer Zielgruppen (z. B. Biomaterial nutzende Forscher und Probenspender) vor, sobald die ersten Ergebnisse als Prototypen umgesetzt sind und als Ausgangspunkt für weitere Diskussionsrunden dienen können. In der Entwicklungsphase werden die Erkenntnisse aus der Zielgruppenanalyse erneut aufgegriffen, da die Personas über den gesamten Prozess als Orientierung dienen, um sich der künftigen Anwender und deren Erwartungen an das Produkt stets zu vergegenwärtigen.

Fazit für die Praxis

Basierend auf der durchgeführten Zielgruppenanalyse konnte eine Vielzahl relevanter Anforderungen ermittelt werden. Daraus lassen sich nun die nächsten Entwicklungsschritte ableiten. Zunächst werden weitere Nutzergruppen befragt und mit den ermittelten Anforderungen und diskutierten Lösungen abgeglichen. Parallel werden Prototypen ausgearbeitet, um die diskutierten Prozesse in einem praxisnahen Umfeld zu evaluieren. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen findet eine erneute Anpassung der Anforderungen statt. So entstehen über mehrere Iterationen nicht nur zunehmend konkretere Vorgaben für die zu entwickelnde IT-Plattform, sondern auch frühzeitig nutzbare Werkzeuge. Die Bestrebungen auf nationaler Ebene werden zudem in enger Kooperation mit der Initiative BBMRI-ERIC verfolgt, da sich die geäußerten Anforderungen und folglich die entstehende Plattform in weiten Teilen den Zielsetzungen des europäischen Netzwerks entsprechen. So erhalten Forscher sowohl national als auch international einen neuen, einheitlichen Zugang zu gut charakterisiertem Biomaterial und assoziierten klinischen Daten.

Danksagung

Dieses Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter den Förderkennzeichen 01EY1701, 01EY1702, 01EY1704, 01EY1707, 01EY1713, 01EY1714.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Schüttler, N. Buschhüter, C. Döllinger, L. Ebert, M. Hummel, J. Linde, H.-U. Prokosch, R. Proynova und M. Lablans geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

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Fußnoten
1
Biobanking and BioMolecular resources Research Infrastructure – European Research Infrastructure Consortium
 
Literatur
4.
Zurück zum Zitat Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme (ISO 9241-210:2010); Deutsche Fassung EN ISO 9241-210:2010 Ergonomie der Mensch-System-Interaktion – Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme (ISO 9241-210:2010); Deutsche Fassung EN ISO 9241-210:2010
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Metadaten
Titel
Anforderungen an eine standortübergreifende Biobanken-IT-Infrastruktur
Erhebung des Stakeholderinputs zum Aufbau eines Biobankennetzwerks der German Biobank Alliance (GBA)
verfasst von
C. Schüttler
N. Buschhüter
C. Döllinger
L. Ebert
M. Hummel
J. Linde
H.-U. Prokosch
R. Proynova
M. Lablans
Publikationsdatum
24.04.2018
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Pathologie / Ausgabe 4/2018
Print ISSN: 2731-7188
Elektronische ISSN: 2731-7196
DOI
https://doi.org/10.1007/s00292-018-0435-9

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