Angeborener Herzfehler: kein Hemmschuh für ein bewegtes Leben

Menschen mit angeborenen Herzfehlern soll aktuellen Empfehlungen zufolge zu einem Lebensstil mit möglichst viel Bewegung geraten werden. Denn aktive Herzpatienten haben ein geringeres Risiko für die Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität und ihrer Belastbarkeit als inaktive. Ein einfacher Fragebogen kann einen ersten Eindruck über diese Belange vermitteln. Dank früher Diagnostik, operativer Therapien und Nachsorgeprogrammen steigen auch für Menschen mit angeborenen kardialen Anomalien die Chancen auf ein längeres Leben immer weiter. Sind die Patienten asymptomatisch, sollen sie zu körperlicher Aktivität ermutigt werden. Neueren Erhebungen zufolge scheinen immer mehr Menschen mit Herzfehlern diesen Empfehlungen zu folgen. Letztlich ist die körperliche Leistungsfähigkeit Erwachsener ein wichtiger Prognosefaktor im Hinblick auf Morbidität und Mortalität. Wie fit Menschen mit Herzfehlern sind, haben Jan Müller und Kollegen an der Technischen Universität München untersucht. Sie analysierten inwieweit die Angaben von 786 konsekutiven Patienten zu ihrer körperlichen Aktivität mit den objektiv gemessenen Werten zur Belastbarkeit übereinstimmten und suchten nach Zusammenhängen mit der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Aufgrund der Ergebnisse des International Physical Activity Questionnaire (IPAQ) wurden die durchschnittlich 31-jährigen Probanden zunächst entsprechend ihren Angaben zur körperlichen Aktivität in drei Gruppen eingeteilt. Die Lebensqualität dokumentierte der HrQol-Fragebogen anhand von 36 Fragen. Danach mussten alle Patienten auf dem Ergometer ihre Fitness unter Beweis stellen (kardiopulmonaler Belastungstest, CPET). 22,8% der Probanden litten unter Rechtsherzobstruktionen (Fallot-Tetralogie, Pulmonalstenose), 21,2% unter Linksherzobstruktion (Stenose, Koarktation der Aorta), bei 16,3% lag eine Transposition der großen Arterien, bei 10,1% ein atrialer, ventrikulärer, arterieller oder atrioventrikulärer Septumdefekt vor. 8,1% hatten eine Fontan-Op. hinter sich, 6,9% litten unter einer Ebstein-Anomalie und 1,8% waren zyanotisch. 12,8% der Probanden waren mit verschiedenen Defekten zur Welt gekommen. Mehr Bewegung für körperliches und seelisches Wohlbefinden 50% der Studienteilnehmer hatten sich nach eigenen Angaben in den vorausgehenden sieben Tagen in einem gesundheitsförderlichen Ausmaß bewegt (health-enhancing physical activity, HEPA). 30,2% wurden aufgrund ihrer Aussagen in die Gruppe „geringe Aktivität“ eingestuft und 19,8% fielen unter die Rubrik „inaktiv“.* Wie gut sich die Leistungsfähigkeit von Patienten mit angeborenen Herzfehlern mit dem IPAQ einschätzen lässt, sollten die kardiopulmonalen Messwerte zeigen. Die meisten Einschränkungen ergaben sich für diejenigen, die als „inaktiv“ eingestuft waren. Im Vergleich zu den Bewegungsmuffeln hatten die sportlichsten Studienteilnehmer (HEPA) eine signifikant höhere maximale Sauerstoffaufnahmekapazität (86,8% vs. 74,2%). Und auch im Hinblick auf das psychische und körperliche Wohlbefinden profitierten sie von intensiver Bewegung (HrQoL 104,1% vs. 97,1% bzw. 97,4% vs. 91,0%). Nachdem Einflussfaktoren wie der Schweregrad der Herzerkrankung, Operationen, Alter, die Versorgung mit Betablockern und Schrittmacher sowie die Sauerstoffsättigung bei der Analyse berücksichtigt worden waren, waren im Hinblick auf die Lebensqualität und die Belastungsfähigkeit weiterhin deutliche Vorteile für „bewegte“ Teilnehmer erkennbar. Schon wer nur wenig aktiv war, reduzierte sein Risiko für eine eingeschränkte psychische Lebensqualität (SF-36 < 70%) gegenüber den Inaktiven um 56%, wer hochaktiv war, sogar um 79%. Die Wahrscheinlichkeit für körperliche Einschränkungen (SF-36 < 70%) war in der HEPA-Gruppe um 54% geringer. Zudem errechneten die Autoren gegenüber den Inaktiven für die Gruppe der gering Aktiven ein um 51% und für die HEPA-Gruppe ein um 64% niedrigeres Risiko für eine reduzierte Belastbarkeit (maximale Sauerstoffaufnahmekapazität < 70%). Als Einflussfaktor fiel u. a. die Versorgung mit einem Schrittmacher auf. Sie verschlechterte sowohl die psychische und körperliche Lebensqualität um den Faktor 3, außerdem waren diese Patienten körperlich weniger belastbar. Um solche Effekte zu mildern, plädieren Müller und Kollegen für spezielle Bewegungsprogramme und Psychotherapien für diese Patientengruppe. Obwohl sich der IPAQ in der Studie als hilfreiches Instrument für eine erste Einschätzung der körperlichen Fitness von Patienten mit angeborenen Herzfehlern geeignet habe und Hinweise auf Belastungsfähigkeit und Lebensqualität gebe, so die Autoren, könne er aber dennoch nicht die üblichen körperlichen Belastungstests ersetzen. *International Physical Activity Questionnaire(IPAQ)-Score Gesundheitsförderliche Aktivität: entweder an mindestens drei Tagen/Woche intensive körperliche Aktivität (≥ 1500 MET-min/Woche) oder an sieben Tagen eine beliebige Kombination aus Wandern, moderatem und intensivem Training (≥ 3000 MET-min/Woche) Geringfügige Aktivität: mindestens dreimal/Woche jeweils ≥ 20 Minuten intensives Training oder mindestens fünfmal jeweils ≥ 30 Minuten Training mittlerer Intensität, Wandern bzw. Spazierengehen oder an mindestens fünf Tagen/Woche Wandern/Spazierengehen und ein Training mittlerer bzw. hoher Intensität (≥ 600 MET-min/Woche) in beliebiger Kombination Inaktivität: Keine Angaben zu körperlicher Bewegung oder zu wenig Aktivität, um die Kriterien „gesundheitsfördernd“ oder „geringfügig“ zu erfüllen.

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