Antidiabetikum schützt vor Herzkreislauf-Tod

Seit vielen Jahren haben Diabetologen ohne großen Erfolg versucht, das hohe kardiovaskuläre Sterberisiko von Typ-2-Diabetikern mit Antidiabetika zu senken. Mit dem SGLT2-Hemmer Empagliflozin ist das jetzt gelungen. Die Fachwelt ist tief beeindruckt. Bei den vielen Diabetikern mit Herzkreislauf-Krankheiten lässt sich durch eine Therapie mit dem SGLT2-Hemmer Empagliflozin (Jardiance®) gut einer von drei kardiovaskulär bedingten Todesfällen verhindern. Dieses Ergebnis der placebokontrollieren EMPA-REG OUTCOME-Studie hat nicht nur beim europäischen Diabeteskongress in Stockholm für Furore gesorgt, sondern auch einige Fachgesellschaften bereits binnen weniger Tage zu Stellungnahmen animiert. Von einem Therapiedurchbruch spricht die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). „Empagliflozin ist nach Metformin erst das zweite Diabetesmittel für das eine Überlegenheit bezüglich kardiovaskulärer Endpunkte belegt werden konnte“, betont der Freiburger Endokrinologe Professor Jochen Seufert in einer gemeinsamen Mitteilung von DDG und Hochdruckliga. Und: „Das Ausmaß der Protektion ist vergleichbar zu früheren Studien zur Cholesterinsenkung mit Statinen und zur Blutdrucksenkung mit ACE-Hemmern“, wird Professor Martin Hausberg vom Vorstand der Hochdruckliga in der Mitteilung zitiert. Beide Gesellschaften gehen davon aus, dass die Studienergebnisse auch international die Leitlinien zur Behandlung des Typ-2-Diabetes beeinflussen werden. Studie zur kardiovaskulären Unbedenklichkeit Die Resultate der Studie sind deshalb sensationell, weil Diabetologen seit Jahrzehnten ohne großen Erfolg versucht haben, die hohe kardiovaskuläre Sterberate bei ihren Patienten mit einer blutzuckersenkenden Therapie zu reduzieren. Jedes neue Antidiabetikum braucht deshalb zumindest einen Beleg dafür, dass es das kardiovaskuläre Risiko nicht erhöht, fordert die US-Arzneibehörde FDA. Ein solcher Nachweis sollte mit EMPA-REG OUTCOME für Empagliflozin geschaffen werden. Weil der SGLT2-Hemmer jedoch einige potenziell kardioprotektive Eigenschaften hat, wurde die Studie so dimensioniert, dass sich bei den kardiovaskulären Endpunkten auch eine Überlegenheit gegenüber Placebo und damit eine herzschützende Wirkung zeigen lässt. So verringert Empagliflozin außer dem Blutzucker auch den Blutdruck (-5-7 mmHg systolisch), die Harnsäurespiegel, das Körpergewicht und den Bauchumfang. Eine leichte LDL-erhöhende Wirkung scheint sich nicht negativ auszuwirken und steht einer HDL-Erhöhung sowie eine Senkung der Trigylceride gegenüber, wie bei einer Veranstaltung von Boehringer Ingelheim und Lilly in Frankfurt am Main berichtet worden ist. Experten loben dabei die sorgfältige Methodik der Studie: Die 7020 Teilnehmer waren praktisch alle bereits kardiovaskulär erkrankt, jeder zweite von ihnen hatte einen Herzinfarkt gehabt (wir berichteten). Alle erhielten eine solide kardioprotektive Standardtherapie: 90Prozent mit ASS, 80 Prozent mit Statinen (LDL im Schnitt: 85 mg/dl) und 95 Prozent mit Antihypertensiva (Blutdruck im Mittel: 135/77 mmHg). Je ein Drittel der Patienten wurde dann etwa drei Jahre lang zusätzlich zu anderen Antidiabetika entweder mit einer niedrigen oder einer hohen Dosis von Empagliflozin (10 oder 25 mg/Tag) oder mit Placebo behandelt. Ergebnis: Die Inzidenzrate für die Ereignisse kardiovaskulär bedingter Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall (primärer kombinierter Endpunkt) wurden mit Empagliflozin im Vergleich zu Placebo signifikant um relative 14 Prozent gesenkt (absolute Raten: 10,5 vs 12,1 Prozent), die kardiovaskuläre Mortalität um 38 Prozent (3,7 vs 5,9 Prozent), die Gesamtsterberate um 32 Prozent (5,7 vs 8,3 Prozent) und die Zahl der wegen Herzinsuffizienz veranlassten Klinikeinweisungen um 35 Prozent (2,7 vs 4,1 Prozent). Besonders eindrucksvoll ist die number needed to treat (NNT): Nur 39 Patienten müssen behandelt werden, um einen kardiovaskulären Todesfall zu verhindern. Und bereits nach drei Monaten Therapie gab es einen deutlichen Effekt des Antidiabetikums auf die kardiovaskulären Endpunkte. Effekt ist schwer zu erklären An unerwünschten Wirkungen ergaben sich vor allem Genitalinfektionen, die bei Empagliflozin-Behandlung etwa jede zehnte Frau und jeden zwanzigsten Mann treffen, wie bei der Veranstaltung berichtet worden ist. Das Ketoazidose-Risiko – das wegen einiger Verdachtsfälle bei SGLT2-Hemmern gerade von Behörden abgeklärt wird – war in den Verumgruppen nicht signifikant erhöht (ein Fall in der Placebo-, drei Fälle in den zwei Verumgruppen). Die deutliche Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch Empagliflozin gibt den Experten bisher Rätsel auf. Die Raten für Herzinfarkte und Schlaganfälle wurden durch das Antidiabetikum nämlich nicht signifikant beeinflusst. Was steckt aber dann hinter der Abnahme der Mortalität? Offenbar von allem etwas, denn numerisch waren bei fast allen analysierten Todesursachen inklusive plötzlicher Herztod Rückgänge unter Empagliflozin zu verzeichnen, die sich in der Summe als signifikant erwiesen. Wegen der schnellen Wirksamkeit der Therapie wird zudem „eine zentrale Wirkung vermutet, die wir noch finden müssen“, sagte Professor Christoph Wanner vom Universitätsklinikum Würzburg dazu. Ist der Schutz ein Klasseneffekt der Gliflozine? Das wird untersucht, etwa in der Canvas-Studie mit Canagliflozin, deren Ergebnisse 2017 zu erwarten sind. Entsprechende Studiendaten zu Dapagliflozin sollen 2021 kommen.

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