Bei V.a. Lungenembolie nicht reflexhaft zum CT!

Patienten mit Verdacht auf eine Lungenembolie benötigen nicht zwanghaft eine CT-Angiografie der Lunge. Wie US-Autoren belegen, werden dadurch zwar mehr Gerinnsel entdeckt, darunter sind aber oft Zufallsbefunde, die nicht unbedingt einer Antikoagulation bedürfen. Selbst winzige Emboli in der Lunge von nur zwei oder drei Millimeter Durchmesser lassen sich mit der CT-Angiografie aufspüren. Das schafft bei einem Krankheitsbild, das im internationalen Sprachgebrauch gerne auch als „Silent Killer“ bezeichnet wird, enormes Vertrauen. Wie US-Experten im Fachblatt British Medical Journal (BMJ) schreiben, wollen zumindest in den USA immer mehr Ärzte beim Verdacht auf eine Lungenembolie nicht auf dieses hohe Maß an Sicherheit verzichten: Der Einsatz der CT-Angiografie der Lunge ist dort zwischen 2001 und 2008 um das 14-Fache gestiegen. Dabei gibt es durchaus eine Kehrseite der Medaille: So wurden US-weit in den ersten acht Jahren nach Einführung des Verfahrens zwar fast doppelt so viele Lungenembolien diagnostiziert wie zuvor (die Zahl der Diagnosen stieg von 62,1 auf 112,3 pro 100.000 erwachsene US-Bürger). Dies führte jedoch zu keiner nennenswerten Reduktion der Zahl der tödlichen Lungenembolien. Die altersadjustierte Mortalität sank nur marginal von 12,3 auf 11,9 Fälle pro 100.000 Einwohner. Die Hinweise mehren sich, dass nicht jedes kleine Gerinnsel einer Therapie bedarf, betonen Prof. Renda Soylemez Wiener von der Boston University School of Medicine und Kollegen. Ihr Artikel im BMJ ist der erste einer Serie, die dem Thema „Überdiagnostik“ gewidmet ist. Häufig Zufallsbefunde Emboli in der Lunge finden sich überraschend häufig per Zufall: Wiener et al. führen eine Studie an, in der Klinikpatienten aus anderen Gründen CT-Scans der Lunge erhalten hatten. Emboli wurden bei 16 Prozent der künstlich beatmeten Patienten, bei 17 Prozent der Patienten über 80 und bei immerhin 20 Prozent der Traumapatienten entdeckt. Die beste Evidenz aber, so Wiener und ihr Team, kommt von einer Studie mit 1417 Patienten mit mittlerem oder hohem Lungenembolierisiko. Diese wurden entweder mittels CT-Angiografie oder Ventilationsperfusionsszintigrafie (VQ-Scan) untersucht. Das CT deckte zwar mehr Emboli auf (19,2 Prozent gegenüber 14,2 Prozent), aber der Anteil der Patienten, die an einer Lungenembolie verstarben, blieb gleich (in beiden Fällen 0,3 Prozent). Man müsse sich bewusst sein, so die Autoren, dass eine Überdiagnostik unnötige Therapien nach sich zieht, die selbst nicht ohne Gefahren sind. In der bislang größten Fallserie zum Thema mit 93 Patienten mit subsegmentalen Lungenemboli lag das Risiko einer schweren Blutung unter Antikoagulanzien bei 5,3 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Thromboembolie hatte aber nur 0,7 Prozent betragen. Der Preis der Überdiagnostik ist außerdem eine Vielzahl notwendiger Bluttests und auf Patientenseite vor allem die ständige Angst, dass sich wieder ein Gerinnsel bilden könnte. Patienten besser selektieren! Wie geht man nun mit diesem Dilemma um? Wiener und Kollegen empfehlen, sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie selektiver vorzugehen. Zunächst sollte man die grundlegenden Parameter testen: Bei einem Wells-Score < 4 und einem D-Dimer-Antigen-Spiegel im (testspezifischen) Normbereich ist keine Bildgebung erforderlich. Vor allem bei jüngeren Patienten, Patienten mit normaler Lunge und Patienten mit einer Nierenfunktionsstörung, so die Autoren, sei allein schon wegen der Strahlenbelastung durch das CT und der Nephrotoxizität des Kontrastmittels ein VQ-Scan oft die bessere Alternative. Wird bei der Kompressionssonografie eine tiefe Beinvenenthrombose diagnostiziert, benötigt der Patient ebenfalls keine CT-Angiografie der Lunge, weil er ohnehin antikoaguliert werden muss. Die europäischen Leitlinien empfehlen zwar auch bei der Nicht-Hochrisiko-Lungenembolie eine routinemäßige Antikoagulation. Dies sehen jedoch mehrere Autoren skeptisch. Nach Wiener und Kollegen ist man bei einem stabilen Patienten mit ausreichender pulmonaler Reserve auch ohne Antikoagulation auf der sicheren Seite, wenn man ihn über drei bis sechs Monate auf neu aufgetretene Atemwegssymptome und tiefe Beinvenenthrombosen überwacht.

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