Erschienen in:
01.12.2014 | Leitthema
Aniridiesyndrom
Klinische Befunde, problematische Verläufe und Vorschlag zur Betreuungsoptimierung („Aniridielotse“)
verfasst von:
Prof. Dr. B. Käsmann-Kellner, B. Seitz
Erschienen in:
Die Ophthalmologie
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Ausgabe 12/2014
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die kongenitale Aniridie tritt in mehreren Formen auf: dominante Vererbung, sporadisch auftretend, als Teil des WAGR (Wilms-Tumor, Aniridie, genitourethrale Anomalien, Retardierung)- bzw. des WAGRO (WAGR plus „obesity“)-Syndroms sowie assoziiert mit weiteren Syndromen. Außerdem wird zunehmend deutlich, dass bei der PAX6-Gen-assoziierten Aniridie weitere systemische Auffälligkeiten auftreten (hormonell, gastrointestinal, metabol), weswegen zunehmend der Begriff „Aniridiesyndrom“ bzw. „PAX6-Syndrom“ verwendet wird.
Ziel der Arbeit
Wir stellen eine Gruppe von 130 Patienten mit Aniridie vor, um auf die Komplexität des Erkrankungsbildes hinzuweisen. Anders als bei anderen kongenitalen okulären Anomalien ist die Aniridie durch eine Vielzahl im Laufe des Lebens auftretende Komplikationen gekennzeichnet, die bis zur Erblindung führen können (Katarakt, Glaukom, Keratopathie). Des Weiteren besteht bei der Durchführung intraokularer Operationen die Gefahr der Entwicklung eines Aniridie-Fibrose-Syndroms bzw. eines „anterior segment fibrosis syndrome“ (ASFS), welches eine nichtinfektiöse intraokulare fibrotische Narbenbildung darstellt, oft verbunden mit Hypotonie und Phthisis. Gerade das visuslimitierende Aniridieglaukom wird bislang aufgrund der besonderen diagnostischen Probleme zu häufig übersehen und kann zur irreversiblen Optikusatrophien führen.
Diskussion
Folgende Vorgehensweisen können dazu beitragen, die Intensität der Komplikationen zu mindern bzw. ihnen zumindest partiell vorzubeugen: lokale Prophylaxe der Epitheliopathie ab Erstvorstellung; Druckmessungen ab Erstvorstellung; VEP (visuell evozierte Potenziale) jährlich, Gesichtsfeld so früh wie möglich und klinikübergreifende Optimierung der operativen Therapie (nur die besten Operateure ihrer Subspezialität für die unterschiedlichen Komplikationen) bei konstanter und kontinuierlicher Betreuung durch nur einen erfahrenen Kinder- und Low-Vision-Ophthalmologen als „Aniridielotse“ für die Patienten. Dieser kontinuierlich betreuende Augenarzt adaptiert die benötigten Hilfsmittel an das Stadium der Erkrankung und an den oft steigenden Bedarf des Patienten und berät ihn zudem hinsichtlich schulischer und beruflicher Integration sowie sozialrechtlicher Besonderheiten. Zudem sollte der betreuende Augenarzt die Patienten mit kongenitaler Aniridie über die möglichen systemischen Begleiterkrankungen auf metabolem und neurologischem Gebiet informieren und ggf. entsprechende Abklärungen einleiten.