Placebo- und Noceboeffekte bei Antidepressiva
Langzeiteinnahme von Antidepressiva
Gesteigerte Einnahmedauer bei fehlender Indikation
Was spricht dafür und was dagegen?
Absetzsymptome
Beschwerdebild und Erwartungseffekte
Anzeichen eines Entzugs?
Erwartungsmanagement im Umgang mit Absetzsymptomen
Informierte Entscheidungsfindung, Verschreibungsphase | Erläuterungen zur Einnahmedauer, verbunden mit Wirkung und Nutzen |
Erläuterungen zum Absetzen: Ein Absetzen sollte nur nach erfolgter Remission und in Absprache mit der verschreibenden ärztlichen Person erfolgen | |
Krückenmetapher: „Antidepressiva helfen effektiv bei der Linderung von Beschwerden und beim Aufbau von Aktivität. Ähnlich wie eine Krücke oder Gehhilfe sind sie für eine Zeit sehr unterstützend und sollten anschließend wieder abgesetzt werden. Dazu gibt es erprobte Strategien wie das langsame Ausschleichen.“ | |
Nennung möglicher Absetzeffekte verbunden mit Anregungen zum Coping „Bei dem Absetzen können Beschwerden auftreten, die sich ähnlich einer Erkältung anfühlen. Diese sind meist mild und klingen innerhalb weniger Tage bis Wochen ab. Wenn Patient:innen darauf vorbereitet sind und mit ärztlicher Begleitung absetzen, können sie in der Regel gut damit umgehen.“ | |
Aufklärung über mögliche längere Belastung durch Absetzeffekte, verbunden mit Coping „Für die seltenen Fälle, in denen Absetzbeschwerden länger dauern oder belastender sind, können zusätzliche Strategien wie ausgedehntes Ausschleichen, Umstellung auf Tropfen oder andere Präparate und begleitende Psychotherapie eingesetzt werden.“ | |
Vermeide: Nennung möglicher Absetzeffekte ohne Anregung zum Umgang damit | |
Betone: Ein Absetzen kann 4 bis 9 bzw. 24 Monate nach der Remission starten. Gesprächstermin dazu direkt vorplanen. Absetzen sollte immer begleitet stattfinden | |
Einnahmephase, Akutbehandlung | Verstärkung positiver Effekte durch Aufmerksamkeitslenkung |
Überwachung möglicher Nebenwirkungen, verbunden mit Anregungen zum Coping (Bsp.: „Regelmäßige Bewegung kann mögliche Nebenwirkungen wie Stimmungsschwankungen abmildern oder diesen vorbeugen.“) | |
Bei Bedarf: aktiv Gespräche über das Absetzen initiieren | |
Erhaltungstherapie (mind. 4 Monate bzw. 24 Monate bei rezidivierender Depression) | Aktiv Gespräche über das Absetzen initiieren |
Nach Vorerfahrung mit dem Absetzen fragen und Angebote an Vorerfahrung anpassen | |
Unterstützungsangebote nennen: ärztliche Begleitung, „tapering“ in individualisierter Länge, Umstellung auf Tropfen bzw. anderes Präparat, begleitende Psychotherapie, Unterstützung durch erfahrene Patient:innen, Selbsthilfegruppen | |
Absetzphase | Absetzen während und nach der Herunterdosierung begleiten |
Framing bei auftretenden Absetzeffekten: „Wenn Sie beim Absetzen Beschwerden bemerken, dann ist das ein gutes Zeichen. Ihr Körper passt sich an die verringerte Verfügbarkeit des Antidepressivums an.“ | |
Ärztliche Begleitung: Tapering in individualisierter Länge, Herunterdosieren in sehr kleinen Schritten (z. B. „tapering strips“), Umstellung auf Tropfen bzw. andere Präparate wie Fluoxetin, diagnostische Begleitung, psychotherapeutische Begleitung | |
Psychotherapeutische Interventionen: präventive kognitive Therapie, achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie, Erwartungsmanagement | |
Unterstützung durch erfahrenen Patient:innen, Selbsthilfegruppen | |
Selbstwirksamkeit stärken, Angst vor Rückfall nehmen „Rückfälle sind möglich. Wir gehen nicht davon aus, dass sie auftreten, es ist aber hilfreich, vorbereitet zu sein. Sie haben gute Erfahrungen mit der Wirksamkeit Ihres Antidepressivums gemacht. Antidepressiva sowie andere bewährte Therapieoptionen stehen Ihnen auch bei etwaigen zukünftigen Episoden als effektive Behandlungsstrategie zur Verfügung.“ |
Fazit für die Praxis
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Erwartungen, die Patient:innen an ihr Antidepressivum haben, beeinflussen die Wirksamkeit, das Nebenwirkungsprofil und auch die Beschwerden, die beim Absetzen auftreten können.
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Bei 30–50 % der Personen, die Antidepressiva länger als 2 Jahre lang einnehmen, besteht keine Indikation zur Einnahme mehr; diese könnten über ein begleitets Absetzen nachdenken.
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Antidepressiva machen nicht abhängig. Gleichwohl können bei jeder zweiten Person, die die Anwendung absetzt, belastende Beschwerden auftreten.
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Die klinische Diagnostik von Absetzeffekten ist konfundiert mit der Erfassung von Rückfällen und Rezidiven.
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Für viele Betroffene gilt es, einen Teufelskreis aus negativen Absetzerwartungen, Absetzbeschwerden, missglückten Absetzversuchen und (Angst vor) langfristigen Nebenwirkungen des Antidepressivums zu durchbrechen.
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Es besteht eine Versorgunglücke in der Betreuung von Personen mit Absetzwunsch.
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Psychotherapeutische Elemente wie präventive kognitive Therapie, achtsamkeitsbasierte Interventionen und Erwartungsmanagement können den Absetzprozess optimieren und Rückfällen vorbeugen.