Erschienen in:
28.11.2018 | Apoplex | Originalien
Hypertrophe Degeneration der Olive
Ursache neuerlicher neurologischer Symptome nach Schlaganfall
verfasst von:
Christian Foerch, Dr. Martin A. Schaller, Sriramya Lapa, Katharina Filipski, Helmuth Steinmetz, Jun-Suk Kang, Johann Philipp Zöllner, Marlies Wagner
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 6/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Die hypertrophe oliväre Degeneration (HOD) tritt in Folge einer Läsion im anatomisch-funktionellen Regelkreis des Guillain-Mollaret-Dreiecks auf. Häufige Ursachen sind intrazerebrale Blutungen und Hirninfarkte. Mit einer Latenz von Wochen bis Monaten nach dem Indexereignis kann in magnetresonanztomographischen T2/FLAIR-Wichtungen zunächst eine Hyperintensität und schließlich eine Vergrößerung der betroffenen Olive beobachtet werden. Leitsymptome einer HOD sind ein rhythmischer palataler Tremor, ein Holmes-Tremor sowie ein primär vertikaler Pendelnystagmus.
Ziel der Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein verbessertes Verständnis für die Pathophysiologie der HOD, den typischen Krankheitsverlauf und die klinische Präsentation zu entwickeln.
Material und Methoden
Die Befunddatenbank des Instituts für Neuroradiologie der Goethe-Universität wurde nach HOD und verwandten Schlagworten durchsucht. Es wurde ein Zeitraum von 2010 bis 2017 erfasst. Insgesamt konnten 27 Fälle identifiziert werden, hiervon fanden sich 12 Patienten mit einem Schlaganfall in der Anamnese.
Ergebnisse
Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 51,4 (±13,6) Jahre, ein Drittel der Patienten waren Frauen. Drei Patienten hatten einen Hirninfarkt, 8 eine intrazerebrale Blutung und 1 Patient eine Subarachnoidalblutung in der Anamnese. Die Lokalisation der primären Schädigung lag bei 7 der 12 Patienten im Pons, in 4 Fällen im Kleinhirn und in einem Fall übergreifend zerebellomesenzephal. Die Latenz vom ursächlichen Indexereignis bis zur radiologischen Diagnosestellung betrug im Median 24 Monate (min. 4; max. 115). Von den Kernsymptomen einer HOD fanden sich ein palataler Tremor in 55 %, ein Holmes-Tremor in 18 % und ein Pendelnystagmus in 18 % der Fälle. Es wiesen 73 % der Patienten eine Dysarthrie auf. Eine logopädische Untersuchung mit flexibler endoskopischer Evaluation des Schluckakts (FEES) konnte in 5 von 9 Fällen einen palatalen Tremor nachweisen. Die HOD wurde nur in der Hälfte der Fälle auch im Arztbrief als Diagnose benannt.
Diskussion
Die Analyse unseres Datensatzes ergab analog zu den Literaturangaben, dass gehäuft Pons- und Kleinhirnblutungen zu einer HOD führen. Patienten mit entsprechenden Läsionen sollten im Verlauf bezüglich des Auftretens entsprechender klinischer und bildgebender Leitsymptome genau beobachtet werden. Obgleich die genannten Symptome charakteristisch für eine HOD sind, wird die Diagnosestellung in vielen Fällen durch eine unpräzise Untersuchung und falsche Deutung der Symptomatik verzögert. Eine logopädische Mitbeurteilung mittels FEES erwies sich in unserem Kollektiv oft als richtungsweisend. Aktuell liegen keine belastbaren Daten zur Inzidenz der HOD nach Hirnstammläsionen sowie zu potenziellen Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten vor, weshalb perspektivisch durch epidemiologische und translationale Studien wichtige Erkenntnisse gewonnen werden könnten.