Ein Fünftel weniger Apoplexpatienten in erster COVID-Welle

Auch in Deutschland sind während der ersten COVID-19-Welle viele Patienten mit leichten Schlaganfällen zu Hause geblieben. Dafür war die Sterberate der stationären Patienten erhöht. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Während der ersten COVID-19-Welle fürchteten viele Patienten, sie könnten sich beim Arzt oder im Krankenhaus mit dem neuen Coronavirus anstecken. Die Befürchtungen waren zwar nicht unbegründet, mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung zuhause zu bleiben, ist aber auch keine empfehlenswerte Alternative. Dennoch taten viele Patienten genau das, auch solche mit Schlaganfall. Nach einer im Juni publizierte Studie wurden im März 2020 etwa 20% weniger Patienten mit ischämischen Schlaganfällen in US-Kliniken aufgenommen als im Schnitt der beiden Vorjahre, bei den Hirnblutungen waren es 12% weniger. Im Februar 2020 lagen die Zahlen noch über denen der Vorjahre. Nach Daten einer britischen Studie vermieden vor allem Patienten mit leichten Schlaganfällen den Weg in die Klinik – von ihnen kamen bis zu 80% weniger, dagegen ging die Zahl der Patienten mit schweren Insulten nicht zurück. Dies spricht dafür, dass nicht plötzlich weniger Schlaganfälle auftraten, sondern Patienten mit leichteren Insulten schlicht zu Hause blieben. In diese Richtung weist jetzt auch eine aktuelle Auswertung aus 1463 deutschen Kliniken – sie deckt praktisch sämtliche Schlaganfall-Aufnahmen in Deutschland ab. Danach lag die Zahl der Patienten mit Schlaganfall oder TIA in Deutschland zwischen Mitte März und Mitte Mai 2020 um rund 20% niedriger als in den Vormonaten – ein ähnlicher Rückgang wie in der US-Studie. 30% weniger TIA-Patienten in der ersten Aprilhälfte Ärzte um Dr. Daniel Richter vom St.-Josefs-Krankenhaus in Bochum werten ICD-10-Diagnosen des Instituts für das Entgeldsystem im Krankenhaus (InEK) aus und verglichen die Zahl der Diagnosen von Mitte Januar bis Mitte März mit denen zwischen Mitte März und Mitte Mai 2020. Zudem analysierten sie die Zahlen aus dem Vorjahr. Sie fanden von 16. März bis 15. Mai 2020 rund 31.200 Patienten, die mit einem ischämischen Schlaganfall in eine Klinik kamen, in den zwei Monaten zuvor waren es noch 37.700, dies entspricht einem Rückgang von 17,4%. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum kam es sogar zu einem Rückgang von 18,5%. Noch stärker sank die Zahl der TIA-Patienten: Sie ging von Mitte März bis Mitte Mai um 22,9% verglichen mit den Vormonaten und um 26,1% verglichen mit dem Vorjahreszeitraum zurück. Bei den hämorrhagischen Insulten verzeichneten die Ärzte um Richter einen Rückgang von rund 16% im Vergleich zu den Vormonaten. Besonders wenige Patienten kamen in der ersten Aprilhälfte: Hier gab es etwa ein Viertel weniger mit ischämischen Insulten und 30% weniger mit TIA als in den ersten beiden Aprilwochen 2019. Einen signifikanten Anstieg sahen die Ärzte um Richter bei der Kliniksterberate: Diese betrug 8,1% für die Patienten mit ischämischem Insult in der ersten Welle, 7,6% in den beiden Vormonaten und 7,4% im Vorjahreszeitraum. Von den Patienten mit hämorrhagischen Insulten starben rund 35% während der ersten Welle, 30% in den beiden Vormonaten und 29% im Vorjahreszeitraum. Auch dies spricht dafür, dass der Anteil von Patienten mit schweren Infarkten in der ersten Welle höher lag, weil solche mit leichten Schlaganfällen zu Hause blieben. Eine intravenöse Lyse erhielten etwas über 16% der Patienten mit ischämischem Insult – praktisch unabhängig vom Zeitraum. Anders sah es bei den mechanischen Thrombektomien aus: Eine solche bekamen 8,1% während der ersten Welle, 7,7% in den beiden Vormonaten und 6,8% im Vorjahreszeitraum. Der hohe Anteil zu Beginn der Pandemie könnte auch hier auf einen erhöhten Anteil schwerer Schlaganfälle deuten. Für die Experten um Richter ist die hohe Lyse- und Thrombektomierate jedenfalls ein Zeichen, dass die Versorgung der Schlaganfallpatienten in deutschen Kliniken während der ersten Welle nicht gelitten hat. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hat sich COVID-19 auf die Zahl der in Klinken behandelten Schlaganfall- und TIA-Patienten ausgewirkt? Antwort: Zwischen Mitte März und Mitte Mai 2020 kamen rund 17% weniger Patienten mit ischämischem Schlaganfall, 16% weniger mit Hirnblutungen und 23% weniger mit TIA in deutsche Kliniken, gleichzeitig war die Klinikmortalität erhöht. Bedeutung: Offenbar blieben viele Patienten mit leichteren Insulten zu Hause. Einschränkung: Auswertung administrativer Daten, Schwere der Ereignisse ist nicht bekannt

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