Vasokonstriktionssyndrom – Schlaganfall durch Kortikoid

Hirninfarkte infolge eines reversiblen Vasokonstriktionssyndroms wurden schon öfter beschrieben – nicht jedoch mit einer Prednisolon-Therapie als Trigger. Ulmer Ärztinnen und Ärzte konnten eine Dosiserhöhung als Ursache multipler Infarkte bei einer 67-jährigen Frau ermitteln. Viermal müssen Ärztinnen und Ärzte um Dr. Deborah Erhart von der Neurologie der Universität in Ulm eine Patientin aufgrund eines ischämischen Schlaganfalls behandeln. Erst das vierte Ereignis führt sie auf die richtige Spur: Offenbar reagiert die Patientin sehr empfindlich auf eine Dosiserhöhung ihrer oralen Glukokortikoidtherapie. Die Steigerung der Prednisolondosis löst bei ihr wiederkehrende Episoden eines reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndroms (RCVS) aus – allerdings ohne den für RCVS typischen Vernichtungskopfschmerz. Zum ersten Mal wird die 67-jährige Frau mit einem ischämischen Infarkt im Oktober 2020 in die Ulmer Klinik aufgenommen, betroffen ist das Versorgungsgebiet der rechten Arteria cerebri anterior, (ACA). Die Ursache bleibt zunächst unklar, die Ärztinnen und Ärzte vermuten aber einen Zusammenhang mit einer Faktor-II-Mutation und einem Rechts-Links-Shunt, aus diesem Grund erhält die Patientin bereits eine Marcumar-Antikoagulation, und das Team um Erhart erwägt eine paradoxe Embolie als Grund für die zerebrale Ischämie. Trotz der Antikoagulation kommt es aber zu weiteren ischämischen Infarkten. Die Neurologinnen und Neurologen veranlassen eine Liquoranalyse, finden aber keine Hinweise auf ein entzündliches Geschehen. Neben der Antikoagulation erhält die Patientin gegen ihre rheumatoide Arthritis den TNF-alpha-Hemmer Adalimumab sowie Prednisolon, zudem ein Statin, NSAR, Pantoprazol und Tilidin/Naloxon. Markante Perfusionsverzögerung Während einer stationären Aufnahme entwickelt die Frau plötzlich eine linksseitige Beinparese und eine Aphasie. In der sofort veranlassten Bildgebung per CT, MRT und TOF-Angiografie zeigt sich eine markante Perfusionsverzögerung im Versorgungsgebiet der rechten ACA mit ACA-Stenosen und -Unterbrechungen. Gefäßverengungen finden sich zudem in den beiden Vertebralarterien. In der folgenden digitalen Subtraktionsangiografie sind die Stenosen jedoch wieder verschwunden. Empfehlung der Redaktion Neurologische Notfälle – Themenseite Status epilepticus, Schlaganfall oder aber auch Migräne zählen zu den neurologischen Notfällen, mit denen Notärzte konfrontiert werden können. Empfehlungen für die Praxis aber auch aktuelle Nachrichten oder CME-Kurse finden Sie auf der Themenseite. Das Team um Erhart vermutet nun ein RCVS und beginnt eine Behandlung mit dem Kalziumantagonisten Nimodipin. Später folgende bildgebende Untersuchungen zeigen keine Hinweise mehr auf Vasokonstriktionen, die Patientin entwickelt zum Glück auch keine bleibenden neurologischen Defizite. Bei der Suche nach den Auslösern fällt den Neurologinnen und Neurologen auf, dass den Schlaganfällen stets eine Erhöhung der Prednisolondosis vorausgeht. Diese ist zunächst sehr niedrig, muss aber aufgrund von rheumatischen Schüben sukzessive gesteigert werden, zuletzt während ihres Klinikaufenthalts, und der nächste Schlaganfall folgt prompt. Zentralnervöse Angiitis als Differenzialdiagnose Prednisolon ist bislang jedoch nicht als RCVS-Auslöser bekannt, vielmehr gelten Antidepressiva, Triptane, Immunsuppressiva wie Tacrolimus und Cyclophosphamid sowie viele illegale Drogen als Trigger. Betroffen sind meist Frauen im mittleren Alter, charakteristisch ist ein plötzlich einsetzender und Stunden bis Tage anhaltender Vernichtungskopfschmerz (bei über 80%), auf den mit einem deutlichen Abstand von rund zwei Wochen ein Schlaganfall folgen kann. Die Verzögerung wird mit einer Wanderung der Vasokonstriktionen von großen zu kleineren Hirngefäßen erklärt, erläutern die Ärztinnen und Ärzte um Erhart. Bei der beschriebenen Patientin fehlte jedoch der Kopfschmerz, was den Fall sehr ungewöhnlich macht, ebenso wie der Zusammenhang mit der Prednisolon-Dosiserhöhung. Bekannt sei, dass Prednisolon ein RCVS verschlimmern könne. Glukokortikoide werden bei RCVS-Verdacht mitunter aus Angst gegeben, eine primäre zentralnervöse Angiitis (PACNS) zu übersehen. Hierbei sei in einigen Fällen eine Verstärkung der Symptomatik beobachtet worden, so die Ulmer Forscherinnen und Forscher. Eine PACNS sei jedoch eine wichtige Differenzialdiagnose. Dabei persistieren die Gefäßveränderungen allerdings – intraarteriell verabreichte Kalziumkanalblocker lassen sich daher auch diagnostisch nutzen. Zudem zeigt der Liquor bei etwa 90% der PACNS-Erkrankten erhöhte Entzündungswerte. Diese fehlen bei der Patientin, auch sind die Vasospasmen reversibel, was dann doch für ein RCVS spricht. Treten Vernichtungskopfschmerzen auf, sind weitere Ursachen abzuklären, etwa eine Subarachnoidalblutung, eine Sinusvenenthrombose, eine Arteriendissektion oder ein Hypophysentumor. Wichtig auch hier: Bei über der Hälfte der RCVS-Patientinnen und -Patienten lassen sich während der kraniellen Bildgebung keine Vasokonstriktionen oder andere Auffälligkeiten mehr feststellen. Den Effekt von Glukokortikoiden als RCVS-Trigger erklärt sich das Team um Erhart mit einer Hochregulation von Alpha1- und AT-II-Rezeptoren. Dadurch würden die vasokonstriktiven Effekte von Angiotensin II, Adrenalin und Endothelin verstärkt.

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