Jede fünfte Appendizitis zuerst fehldiagnostiziert

Bei vielen Kindern und Jugendlichen, die mit V. a. Appendizitis eingewiesen werden, handelt es sich um falschen Alarm. Umgekehrt wird eine Appendizitis nicht selten übersehen. Eine Studie aus den Niederlanden verdeutlicht, worauf Kinder- und Hausärzte besonders achten sollten. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Zu unterscheiden, ob ein junger Patient mit akutem Bauchschmerz eine häufige Erkrankung wie einen Magen-Darm-Infekt oder eine seltene Diagnose wie eine Appendizitis hat, ist wegen der überlappenden Symptome und der Konsequenzen einer verspäteten Appendizitisdiagnose für Kinder- und Hausärzte oft keine leichte Aufgabe. Diese Schwierigkeit zeigt sich auch in einer Studie aus den Niederlanden: Einerseits wurde bei gut zwei Drittel derer, die zur Abklärung in ein Krankenhaus eingewiesen wurden, der Appendizitisverdacht nicht bestätigt. Andererseits hatte von den Patienten, bei denen letztlich eine Appendizitis festgestellt wurde, jeder fünfte bei der Erstuntersuchung eine Fehldiagnose erhalten. Als diagnoseweisend erwiesen sich weniger von den Patienten berichtete Symptome als vom Arzt festgestellte Zeichen. Jeder sechste Patient zur Abklärung überwiesen Die retrospektive Studie beruht auf Daten von 5691 Patienten im Alter zwischen 4 und 18 Jahren, die wegen akuter Bauchschmerzen vom Kinder- bzw. Hausarzt untersucht worden waren. 16,6% der Patienten waren zur Abklärung weiterüberwiesen worden. Bei 5,1% stellte sich letztlich eine Appendizitis als Ursache der Beschwerden heraus. 18,9% der Appendizitispatienten hatten beim Erstkontakt keine entsprechende Verdachtsdiagnose erhalten. Die Nachtestwahrscheinlichkeit einer Appendizitis war besonders hoch (35,8% bzw. 32,1%), wenn Abwehrspannung bzw. Loslassschmerz bestanden. Diese beiden Zeichen wiesen sogar noch stärker auf eine Appendizitis hin als eine entsprechende Verdachtsdiagnose des Arztes (29,6%). Umgekehrt war bei Abwesenheit von Druckschmerz im rechten Unterbauch die Wahrscheinlichkeit einer Entzündung der Appendix äußerst gering (0,6%), auch dieser Befund deutete noch stärker auf eine andere Ursache der Beschwerden als eine entsprechende ärztliche Einschätzung (1,1%). Die klinischen Zeichen mit der größten Aussagekraft Mögliche Symptome einer Appendizitis, die von den Patienten oder den Eltern berichtet wurden, hatten einen geringen Vorhersagewert: Die positive Likelihood-Ratio (LR+) lag bei maximal 1,6 – als akzeptabel gilt eine LR+ über 3, als gut eine LR+ über 10. Wesentlich aussagkräftiger waren die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung, vor allem Abwehrspannung (LR+ 13,1) und ein harter Bauch (LR+10,4). Zum Ausschluss einer Appendizitis eignete sich vor allem das Fehlen von Druckschmerz im rechten Unterbauch, die negative Likelihood-Ratio (LR–) lag unter 0,1, ein ebenfalls als gut geltender Wert. Die Studie unterstreiche die Bedeutung, die die gezielte körperliche Untersuchung in einem Setting mit niedriger Appendizitisprävalenz wie der Primärversorgung habe, schreiben die Forscher um Guus Blok von der Universität Groningen. Dabei sollten sich die Ärzte auf die Zeichen mit dem stärksten Vorhersagewert fokussieren: Abwehrspannung, Loslassschmerz und Druckschmerz im rechten Unterbauch. Zusätzlich empfehlen Blok et al., für ein Sicherheitsnetz zu sorgen, da immerhin 1,1% der Kinder, bei denen nach dem ersten Arztkontakt keine weitere Abklärung veranlasst wurde, doch eine Appendizitis hatten. Sie raten, die Patienten zu instruieren, im Zweifel oder bei Verschlechterung einen Arzt aufzusuchen, oder gleich einen Kontrolltermin zu vereinbaren. Eine deutsche S2k-Leitlinie zur akuten Appendizitis bei Kindern und Jugendlichen ist für Ende 2022 angekündigt. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut ist die Appendizitisdiagnostik bei Kindern und Jugendlichen in der Primärversorgung? Antwort: Etwa 30% der Kinder, die zur Abklärung weiterüberwiesen werden, haben tatsächlich eine Appendizitis. Fast 20% der Appendizitispatienten werden bei der ersten Untersuchung nicht erkannt. Die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung sind aussagekräftiger als die von Patienten/Eltern berichteten Symptome. Bedeutung: Zur Appendizitisabklärung in der Primärversorgung ist die körperliche Untersuchung auf Abwehrspannung, Loslassschmerz und Druckschmerz im rechten Unterbauch besonders wichtig. Ärzte sollten außerdem ein Sicherheitsnetz für übersehene Diagnosen schaffen. Einschränkung: Auswertung von Patientenakten, in vielen Fällen fehlten Angaben zu Symptomen und klinischen Zeichen.

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