Die Altersverteilung lag in der zu erwartenden Spannbreite zwischen 22 und 50 Jahren. Es wurden mit 67,7 % deutlich häufiger Männer als Frauen mit dem komplexen Krankheitsbild eines injektionsassoziierten Leistenabszess behandelt. Dies korreliert mit den Angaben der Rauschgiftdatei des Bundeskriminalamts von 2017, indem die registrierten Drogentoten bei einem Durchschnittsalter von 39 Jahren zu 85 % männlich waren [
3]. Ein Patient verstarb während des stationären Aufenthaltes und bei nur einem Patienten musste eine Major-Amputation durchgeführt werden. In unserem Patientenkollektiv konnte in 97,2 % (35/36) ein amputationsfreies Überleben erreicht werden. Insgesamt ergab sich trotz des jungen Patientenalters eine durchschnittliche stationäre Verweildauer von 35,1 ± 21,6 Tagen. Die hohe Gesamtkomplikationsrate von 51,4 % unterstreicht die hohe Morbidität der inguinalen Weichteilinfektionen.
Operative Ergebnisse
Bei der Behandlung komplizierter Inguinalabszesse mit Beteiligung der Femoralgefäße ist in der Literatur kein einheitliches Therapiekonzept beschrieben. Als allgemein gültige Strategie bei der Behandlung von Spritzenabszessen wird die ausgedehnte chirurgische Infektspaltung mit Abszesseröffnung und weitreichendem Weichteildébridement sowie anschließender konsequenter offener Wundbehandlung akzeptiert [
9,
19,
22]. Die relativ kleine Fallzahl von 37 Inguinalabszessen ergibt sich daraus, dass keine oberflächlichen bzw. subkutanen Abszedierungen, sondern nur komplikationsträchtige Infektionen, die bis zu den Femoralgefäßen reichten, untersucht wurden. Verglichen mit anderen Veröffentlichungen [
2,
9,
13,
14] ist das in dieser Arbeit vorgestellte Patientenkollektiv mit insgesamt 37 Fällen eines der größten deutschen untersuchten Kollektive.
Grundsätzlich zeigten sich im untersuchten Kollektiv 4 unterschiedliche Beteiligungsmuster der Femoralgefäße (Tab.
3). Dabei kommen unterschiedliche Behandlungsstrategien zum Tragen. Das therapeutische Vorgehen richtete sich bei Patienten mit rein venöser Beteiligung neben der chirurgische Infektspaltung nach der klinischen Beherrschbarkeit des lokalen Infektes (Tab.
4). Bei unkomplizierten Becken-Bein-Venenthrombose erfolgte die Therapie leitliniengerecht mittels therapeutischer Heparinisierung und Kompressionstherapie [
2]. Die erfolgreiche Therapie der komplizierten/septischen iliakofemoralen Phlebothrombose kann häufig durch alleinige Heparinisierung und testgerechte Antibiotikatherapie erzielt werden [
11]. In unserem untersuchten Kollektiv konnte in 6 Fällen ein konservatives Prozedere bei septischer Phlebothrombose erfolgreich durchgeführt werden. In weiteren 6 Fällen war unter konservativer Therapie keine Beherrschung des Infektgeschehens möglich. Es erfolgte daraufhin die chirurgische Therapie mittels Thrombektomie der V. femoralis communis (VFC, 1/6), Crossektomie der V. saphena magna mit Thrombektomie der VFC (1/6) oder Ligatur der VFC (4/6; Tab.
4). Die Thrombektomie der VFC wurde in der Literatur bei fortschreitender septischer oder zentraler Thrombosierung, multifokaler Abszedierung oder Embolisation bereits beschrieben [
10]. Da die operative Behandlung der septischen Thrombose mittels offener venöser Thrombektomie äußerst komplikationsträchtig ist, sollte sie nur bei nicht beherrschbarer Sepsis erfolgen [
7]. Weiterhin konnte eine hohe Komplikationsrate (90,9 %) in der Gruppe der Leistenabszesse mit arterieller Gefäßbeteiligung erhoben werden. Eine Möglichkeit, welche mit einem geringen Komplikationsrisiko hinsichtlich nachfolgender septischer Arrosionsblutung und postoperativer Letalität behaftet ist, stellt die primäre Ligatur der Leistenarterien dar. Dies gilt vor allem für isolierte Gefäßläsionen unterhalb der Femoralisgabel im Bereich der A. femoralis superficialis und A. profunda femoris, da meist eine ausreichende Kollateralisation über proximale Gefäßabschnitte vorhanden ist. Es gibt verschiedene Arbeiten, in denen die primäre Ligatur der Iliakalgefäße und der A. femoralis communis als erste Therapie der Wahl herangezogen wurde. Dabei wurde das amputationsfreie Überleben mit bis zu 99 % angegeben [
15,
19]. Im untersuchten Patientenkollektiv wurde die primäre Ligatur bei 5 von 13 Patienten mit arterieller Gefäßbeteiligung durchgeführt (Tab.
2). Zwei der 5 Patienten entwickelten im stationären Verlauf eine Extremitätenischämie und wurden einer Revaskularisation mittels Veneninterponat unterzogen. In der Literatur wurde dieses Vorgehen bei progredienter Ischämiesymptomatik mit amputationsbedrohter Extremität ebenfalls berichtet [
8,
14,
17]. Bei den übrigen primär ligierten Patienten lag der durchschnittliche Ankle-brachial-Index (ABI) bei 0,65 ± 0,24. Trotz klinisch kompensierter Hämodynamik sollte eine Ligatur aus unserer Sicht bei einem durchschnittlichen ABI von 0,65 nicht primär favorisiert werden.
Tab. 4
Zusammenfassung der behandelten inguinalen septischen Thrombosen
Einbezogene Patienten | 12 |
Ligatur der Venea | 4 |
Thrombektomie |
Singulär | 1 |
Zusätzlich Crossektomie | 1 |
Konservativb | 6 |
Um einem ischämischen Verlauf und konsekutiven Extremitätenverlust vorzubeugen, favorisieren wir, wie auch andere Autoren, wenn möglich die primäre Revaskularisation des resezierten septischen Gefäßabschnitts [
5,
6,
9,
22]. In unserem Patientenkollektiv erfolgte in 5 Fällen primär die arterielle Rekonstruktion unter Verwendung der ipsilateralen V. femoralis communis. In 2 Fällen wurde primär eine Patchplastik, einmal autologe Vene und einmal bovines Rinderperikard (XenoSure®, LeMaitre Vascular, Inc., Burlington, USA), auf das arrodierte Arteriensegment angelegt. In beiden Fällen kam es im Verlauf zu einer septischen Arrosionsblutung mit Patchausriss. Bei dem Patient mit Venenpatchplastik erfolgte in einer sekundären Operation die Rekonstruktion mittels V. femoralis communis, im anderen Fall bei fehlender geeigneter autologer Vene die arterielle Rekonstruktion mittels Allograft (MAQUET, INTERGARD SYNERGY, Durchmesser 8 mm). Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die Verwendung eines Patches auf Höhe des geschädigten Gefäßsegmentes in unserer Untersuchung nicht langfristig erfolgreich war (2 Blutungen bei 2 Anlagen) und das Risiko einer weiterführenden septischen Arrosion in dem betroffenen Segment hoch und nicht Erfolg versprechend ist.
Bei einem Patienten trat nach primärer Rekonstruktion durch Veneninterponat bei fortschreitendem Infektgeschehen eine septische Arrosionsblutung des autologen Graftmaterials auf. Hier musste eine sekundäre Ligatur auf Höhe der A. iliaca externa mit Resektion des Bypasses vorgenommen werden. Es zeigte sich hinterher keine kritische Extremitätenischämie.
Als Alternative zum autologen Gefäßersatz können extraanatomisch verlaufende Bypässe (z. B. Obturatorbypass), unter Umgehung des lokalen Infektes, angelegt werden [
12,
20]. In unserem Kollektiv wurde primär bei einem Patienten ein alloplastischer Obturatorbypass angelegt. Dabei konnte ein Verschluss nach 220 Tagen festgestellt werden. Insgesamt konnte von den arteriellen Rekonstruktionen bei 5 von 8 Patienten ein Follow-up bestimmt werden. Die Offenheitsrate der gesamten arteriellen Rekonstruktionen betrug 87,5 % bei einem mittleren Follow-up von 421 Tagen. Dabei waren alle venösen Interponate im untersuchten Zeitraum perfundiert. Lediglich der Obturatorbypass zeigte sich verschlossen. In der Literatur werden Offenheitsraten von Obturatorbypässen mit 65 % bei einem Follow-up von 24 Monaten angegeben [
4]. Grundsätzlich besteht bei nur einem angelegten Obturatorbypass keine suffiziente Aussagekraft, jedoch lässt sich in Zusammenschau der erhobenen Daten eine Tendenz zugunsten der autologen Gefäßrekonstruktion feststellen. Hier sind weitere Untersuchungen notwendig. Weiterhin sind alloplastische Gefäßrekonstruktionen aufgrund der niedrigen Compliance von Drogenpatienten durch erneute Injektionen bei fortgesetztem Drogenkonsum stark infektgefährdet [
23]. Dieses Risiko ist bei den extraanatomischen Rekonstruktionen hoch, da diese bei subkutanen Verläufen leicht für weiterführende Drogeninjektionen missbraucht werden können [
21]. Aus unserer Sicht sollte die Anlage eines alloplastischen extraanatomischen Bypass nur selektiv und übergangsweise zur sekundären Revaskularisation bei kritischer Extremitätenischämie erfolgen. In der Literatur wurde dieses Vorgehen zur Senkung der Amputationsrate bereits beschrieben [
13]. Schlussendlich erscheint bei einer festgestellten Offenheitsrate von 100 % die Korrektur arterieller Blutungen unter Anlage eines autologen Interponats als aussichtsreich.