Wandel in der rheumatischen Hüftchirurgie
DOI: 10.1007/s00393-018-0529-z
© The Author(s) 2018
Publiziert: 6. September 2018
Zusammenfassung
Der Trend zeigt bei Rheumapatienten tendenziell einen Rückgang an gelenkerhaltenden Operationen wie Synovektomie und Gelenkersatzoperationen mit Hüftprothesen. Dies ist v. a. auf die systemische Therapie mit den bDMARDS („biological disease-modifying antirheumatic drugs“) zurückzuführen. Die Ergebnisse der Operationen bei Rheumapatienten sind bis auf eine erhöhte Infektionsrate bei Prothesen durchaus mit Nicht-Rheumapatienten vergleichbar. Gerade in der Hüftchirurgie hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Von der Hüftarthroskopie und „mini-open“ gelenkerhaltenden Hüftchirurgie bis zur minimalinvasiven Implantation von Hüftprothesen mit knochenerhaltenden oder Kurzschäften entwickelte sich ein neues breites Angebot an Operationsmethoden. Diese Methoden kommen bei entsprechender Pathologie durchaus auch den Rheumapatienten zugute, nicht zuletzt durch die Möglichkeit der schnelleren postoperativen Mobilisierung.
Schlüsselwörter
Hüftarthroskopie Mini-open-Hüftchirurgie Minimalinvasive Hüftendoprothetik Mobilisierung InfektionsrisikoChange in rheumatic hip surgery
Abstract
There is a trend towards a reduction in joint-preserving hip surgery, such as synovectomy and total hip joint replacement in rheumatic patients. This is mostly due to the success of biological disease-modifying antirheumatic drugs (bDMARD) in systemic anti-rheumatic therapy. The results of hip surgery in rheumatic patients are comparable to those in non-rheumatic patients, except for prosthetic joint infections, which are higher in patients with rheumatoid arthritis. Especially in hip surgery there was a big evolution in the last few years including a broad range of minimally invasive surgical methods, such as hip arthroscopy, mini-open hip surgery and minimally invasive hip arthroplasty with bone preservation or short femoral shafts. These surgical methods also have an advantage in the treatment of typical rheumatoid pathologies and have the benefit of a rapid recovery.
Keywords
Hip arthroscopy Mini-open hip surgery Minimally invasive hip arthroplasty Mobilization Infection riskAllgemeine Trends in der Hüftchirurgie
Was sind die allgemeinen Trends in der Hüftchirurgie? Unabhängig von der Diagnose haben sich in den letzten Jahren v. a. die operativen Zugangswege zur Hüfte geändert in erster Linie mit dem Ansporn, minimalinvasiv und möglichst muskel- und gewebeschonend vorzugehen. Einen Vorteil soll hier v. a. die schnellere Mobilisierung der Patienten durch das geringere Operationstrauma darstellen.
Gelenkerhaltende Hüftchirurgie
Als gelenkerhaltenden Operationen sind die Hüftarthroskopie und die Mini-open-Hüftchirurgie anzusehen. In erster Linie werden diese Operationen bei Hüftimpingements, Pinzer- und/oder Cam-Impingement und Labrumläsionen angewendet, aber auch freie Gelenkkörper, Knorpeldefekte, Chondromatosen, Synovitiden und Infektionen können ebenso eine Indikation darstellen [1]. Durch die 70°-Optik bei der Hüftarthroskopie sind Einblicke bis in die dorsalen Gelenkabschnitte möglich, was v. a. bei einer totalen oder subtotalen Synovektomie des Hüftgelenks gegenüber der offenen Methode gewisse Vorteile hat [2]. Durch das geringere Operationstrauma bei der Arthroskopie ist die rasche Mobilisierung der Patienten durchaus begünstigt. Rheumapatienten mit einer floriden Synovitis im Hüftgelenk bei Erstdiagnose bzw. medikamentösem Therapieversagen oder Unverträglichkeit können durch die arthroskopische Synovektomie ebenso durch ein geringeres Operationstrauma profitieren. Auch bei Kindern kann die arthroskopische Synovektomie durch das geringere Operationstrauma erfolgreich angewendet werden [3].
Das geringere Operationstrauma bei der Arthroskopie begünstigt eine rasche Mobilisierung
Liegen umschriebene Knorpeldefekte oder Arrosionen vor, können diese ebenso im Rahmen der Arthroskopie durch Mikrofrakturierung und weitere knorpelchirurgische Maßnahmen adressiert werden. Durch Subluxation des Hüftgelenks am Extensionstisch kann ein guter Einblick in den Gelenkspalt erlangt werden. Bei noch unklarer Diagnose kann durch die Arthroskopie der Einblick in und um das Gelenk als diagnostische Maßnahme genutzt werden und gleichzeitig Gewebe für die histologische und bakteriologische Aufarbeitung gewonnen werden. Da das Handling mit der 70°-Optik, die arthroskopischen Zugänge zum Hüftgelenk sowie die Lagerung des Patienten durchaus eine gewisse Erfahrung des Operateurs voraussetzen, kann alternativ zur Arthroskopie auch eine Mini-open-Operation an der Hüfte über einen anterioren oder anterolateralen Zugang gewählt werden. Liegt neben einer Synovitis auch eine andere Pathologie wie ein Labrumdefekt oder Impingement vor, kann auch die Kombination von Arthroskopie und Mini-open-Operation indiziert sein [4].
Minimalinvasive Hüftendoprothetik
Ist bei fortgeschrittener Koxarthrose eine Hüftprothese indiziert, hat sich hier ebenso einiges in Richtung muskel- und gewebeschonendes Operieren getan. In den letzten Jahren haben sich der anteriore, auch genannt AMIS(„anterior minimal invasiv surgery“)-Zugang, und der anterolaterale Zugangsweg als die minimalinvasiven Operationsmethoden in der Hüftendoprothetik durchgesetzt. Beide Zugänge zur Hüfte zeichnen sich dadurch aus, dass die Muskulatur bei der Präparation nicht durchtrennt werden muss. Bei dem anterolateralen Zugang wird lediglich der Tractus iliotibialis gespalten und dann stumpf zwischen dem M. gluteus medius und M. vastus lateralis zum Gelenk zugegangen. Der rein anteriore Zugang (AMIS) gilt als noch etwas weniger invasiv, da hier nicht der Tractus des M. iliotibialis durchtrennt werden muss, denn auch dieser spielt eine wichtige Rolle in der postoperativen Mobilisierung. Bei dem AMIS-Zugang wird der Weg zum Hüftgelenk weiter medial zwischen dem M. tensor fasciae latae und dem M. sartorius gewählt, dabei muss lediglich die dünne Muskelfaszie des M. tensor fasciae latae durchtrennt werden, ohne dabei den Muskelbauch zu verletzen. Zum Gelenk wird dann wiederum stumpf zwischen den Muskeln zugegangen. Je nach Vorlieben des Operateurs kann ein Extensionstisch verwendet werden.
Um bei diesen Zugängen auch muskelschonend bleiben zu können, empfiehlt es sich, knochenerhaltende Schäfte oder Kurzschäfte zu verwenden, Geradschäfte sind für diese Zugänge eher ungeeignet. Die Schäfte können zementfrei oder zementiert implantiert werden. Bei Patienten über dem 75. Lebensjahr und schlechter Knochenqualität oder bei Patienten mit bekannter höhergradiger Osteoporose empfiehlt es sich meist, den Schaft zu zementieren. Sonst entspricht die zementfreie Implantationstechnik der Methode der Wahl.
Anteriorer und anterolateraler Zugangsweg haben sich als minimalinvasive Operationsmethoden durchgesetzt
Als Pfannen werden in erster Linie Pressfit-Pfannen verwendet, die in den jeweiligen Größen vorzufräsen sind und dann zementfrei eingebracht werden. In seltenen Fällen kann aber auch hier das Zementieren der Pfanne notwendig werden. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis können im Prinzip beide Implantationstechniken angewendet werden – auch in Abhängigkeit der Implantatwahl. Bei sehr osteoporotischem Knochen empfiehlt sich im Zweifelsfall die zementierte Anwendung. Neben dem minimalinvasiven Zugang ist natürlich auch die Primärstabilität des Implantates Voraussetzung, um eine möglichst rasche Mobilisierung nach Möglichkeit auch ohne unterstützenden Gehbehelf zu gewährleisten. Gerade für Rheumapatienten mit eingeschränkter Funktion in Schulter, Ellbogen und/oder Hand ist die ent- oder teilbelastende Mobilisierung oft nur schwer mit Unterarmstützkrücken möglich, und die sofortige Vollbelastung auch ohne Krücken würde eine Erleichterung in der postoperativen Mobilisierung bedeuten.
Der Trend aus internationalen Registerstudien zeigte in der letzten Dekade einen deutlichen Anstieg an Primärimplantationen von Hüftprothesen bei Osteoarthrosepatienten, bei Rheumapatienten eine konstante Anzahl über diese Jahre [5–8]. Hochgerechnet auf pro 1000 Rheumapatienten ist die Anzahl der Primärimplantation von Hüftprothesen jedoch über die Jahre signifikant fallend [8]. Dies ist vice versa auf die steigende Anwendung von Methotrexat und Biologika sowie deren Erfolg bei der Behandlung von entzündlichen Gelenken in dem gleichen Zeitraum zurückzuführen.
Die Downregulation des Immunsystems birgt jedoch wiederum eine höhere Gefahr für Komplikationen bei Operationen mit Implantaten. Nach einer dänischen Registerstudie mit einem Beobachtungszeitraum von 14 Jahren ergab sich keine höhere Revisionsrate von Hüfttotalendoprothesen bei Rheumapatienten im Vergleich zu Osteoarthrosepatienten, die Rate der aseptischen Femurschaftlockerungen war in der Gruppe der Rheumapatienten sogar geringer [9]. Ebenso zeigte eine Analyse aus dem dänischen Hüft- und Knieprothesenregister, dass Rheumapatienten ein geringeres Risiko für eine Revision innerhalb von 10 Jahren nach der Implantation im Vergleich zu Osteoarthrosepatienten haben, jedoch ein höheres Risiko für eine Protheseninfektion und Mortalität [10].
Fazit für die Praxis
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Der allgemeine Trend in der Hüftchirurgie gelenkerhaltend oder mit endoprothetischer Versorgung geht zu minimalinvasiveren und muskelschonenden Zugängen und hat auch in der Rheuma-Hüftchirurgie Einzug gefunden.
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Von der Hüftarthroskopie über Mini-open-Hüftchirurgie und minimalinvasive Zugangswege bei der Hüftendoprothetik profitieren die Rheumapatienten nicht nur durch das geringere Operationstrauma, sondern auch durch die Möglichkeit der schnelleren Mobilisierung.
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Durch den Erfolg der DMARDs („disease-modifying antirheumatic drugs“) der letzten Jahre konnte die Anzahl an Hüftendoprothesen pro Rheumapatienten konstant gehalten werden, wohingegen bei Osteoarthrosepatienten ein deutlicher Anstieg an Primärimplantationen zu verzeichnen war.
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Nach den Daten aus Registerstudien zeigte sich zwar eine erhöhte Rate an Protheseninfektionen und Mortalität bei Rheumapatienten nach Hüftprothesen, jedoch eine niedrigere Rate an aseptischen Schaftlockerungen im Vergleich zu Osteoarthrosepatienten.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Holinka gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine vom Autor durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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