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11.05.2022 | Arzneimitteltherapie bei Älteren | Nachrichten

Gefahr für Senioren

Bei Schilddrüsenhormonen auf Interaktionen achten!

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Schilddrüsenhormone werden gerade im Alter oft zusammen mit potenziell interagierenden Medikamenten eingenommen. In einer Kohortenstudie mit US-Veteranen über 65 Jahren war das bei jedem Dritten der Fall. Die möglichen Gesundheitsrisiken schätzen die Autoren als erheblich ein.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Wie verbreitet die Einnahme von Schilddrüsenpräparaten gerade unter Senioren ist, zeigen Bevölkerungsstudien. Wer einmal damit angefangen hat, setzt die Therapie meist jahrelang fort, ungeachtet, ob diese überhaupt noch indiziert ist, schreiben Dr. Rachel Livecchi von der University of Michigan in Ann Arbor und ihr Team.

In ihrer aktuellen Studie konnten die Forscher nachweisen, dass Schilddrüsenhormone bei älteren Patienten sehr oft zusammen mit anderen medikamentösen Therapien mit hohem Interaktionspotenzial verordnet wurden. Die dadurch entstehenden Gesundheitsrisiken sind nach Livecchi und Kollegen erheblich. Das Team rät, vor dem Verschreiben neuer Substanzen die Medikamentenlisten sorgfältig zu prüfen und mit dem Patienten zu besprechen, ob die Schilddrüsentherapie wirklich angemessen ist.

Hohes Interaktionspotenzial in jedem dritten Fall

In ihrer Studie mit 538.137 US-Veteranen hatte fast ein Drittel der Patienten zusätzlich zu den T4- oder T3/T4-haltigen Präparaten potenziell interagierende Medikamente eingenommen. Livecchi und ihr Team hatten speziell nach den folgenden Begleitmedikamenten geschaut:

  • Antiepileptika wie Phenobarbital oder Carbamazepin; diese können die Konzentration bestimmter Leberenzyme erhöhen, wodurch sich die Halbwertszeit von T4 und T3 verringert;
  • Amiodaron; dieses kann die periphere Deiodierung von T4 und damit dessen Konversion zu T3 verhindern; 
  • ähnliches gilt für die kurzfristige Einnahme von Glukokortikoiden wie Prednison oder Prednisolon in höherer Dosierung;
  • Tamoxifen; dieses lässt das Thyroxin-bindende Globulin (TBG) ansteigen, wodurch die Verfügbarkeit von freiem T4 abnimmt.

Mindestens eines dieser Medikamente war bei 31% der Teilnehmer zeitgleich mit den Schilddrüsenhormonen im Einsatz. Am häufigsten handelte es sich dabei um Glukokortikoide (Prednison 15%, Prednisolon 13%). Die Veteranen waren zum Studienbeginn im Schnitt 77 Jahre alt, rund 63% hatten Begleiterkrankungen. Die Nachbeobachtungszeit betrug knapp 60 Monate.

Begleiterkrankungen erhöhen das Risiko

Wenig überraschend: Je stärker die Patienten von Komorbiditäten belastet waren (gemessen am Charlson/Deyo Comorbidity Score), desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass Medikamente eingenommen wurden, die mit der Schilddrüsentherapie möglicherweise kollidieren. Ein Komorbiditäts-Score von 2 (diesen erreicht man z. B. bei Diabetes mit chronischen Folgen) oder höher war mit einem zweieinhalbmal höheren Risiko für diesen Endpunkt assoziiert. Allerdings: Ab einem Alter von 85 Jahren sank die Wahrscheinlichkeit einer potenziell kritischen Komedikation deutlich.

Ein Manko der Studie bestand darin, dass der Großteil der Veteranen (96%) männlich war. Immerhin, rund 18.000 Frauen waren beteiligt, und tatsächlich nahmen diese signifikant häufiger mit der Schilddrüsentherapie kollidierende Substanzen ein als ihre männlichen Kollegen. 

Wahres Ausmaß unterschätzt

Für Livecchi und ihr Team sind die Daten durchaus besorgniserregend: Damit erhöhe sich das Risiko für Arzneimittelwechselwirkungen und potenziellen Nebenwirkungen bei einer „ohnehin vulnerablen Gruppe von Patienten“. Rezeptfrei verfügbare Arzneien wie Eisenpräparate oder Antazida, für die ebenfalls Interaktionen bekannt sind, hatten die Forscher noch gar nicht berücksichtigt; sie vermuten daher, dass das eigentliche Ausmaß des Problems viel größer sein könnte.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Häufigkeit der überlappenden Einnahme von Schilddrüsenhormonen und Medikamenten, die damit potenziell interagieren, bei Patienten über 65 Jahren.

Antwort: 31% der Studienteilnehmer hatten parallel Medikamente mit hohem Interaktionspotenzial eingenommen. Betroffen waren vor allem Patienten mit Komorbiditäten und speziell Frauen. Erst ab 85 Jahren nahm das Risiko ab.

Bedeutung: Vor Wechselwirkungen mit den Schilddrüsenhormonen wird gewarnt. Vor einer Neuverschreibung sollten die Medikamentenlisten sorgfältig auf Präparate mit Interaktionspotenzial durchgegangen werden.

Einschränkung: Retrospektive Kohortenstudie; US-Veteranen, überwiegend männlich; OTC-Präparate nicht berücksichtigt, ebenso Dosierungen und Einnahmedauer. Tatsächlich aufgetretene Nebenwirkungen nicht erfasst.

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Literatur

Livecchi R et al. Concurrent use of thyroid hormone therapy and interfering medications in older U.S. veterans. J Clin Endocrin Metabol 2022; https://doi.org/10.1210/clinem/dgac216

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