COVID-19 und Krebs: Weniger Krankenhausaufnahmen durch Telemedizin?

Werden SARS-CoV-2-positive ambulante Krebspatienten im Rahmen eines e-Health-Programms aus der Ferne betreut, kann das Krankenhauseinweisungen vermeiden. Das legen zumindest die Pandemieerfahrungen der amerikanischen Mayo Clinic nahe. Durch ein sogenanntes RPM(„remote patient monitoring“)-Programm habe man das relative Risiko für Krankenhauseinweisungen bei Krebspatienten, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, signifikant um fast 80% reduzieren können, berichtete Dr. med. Joshua Pritchett, von der Mayo Clinic in Rochester, MN/USA, auf dem virtuellen Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO). Die Befunde wurden zudem zeitgleich vollpubliziert [1]. Zum RPM-Programm gehörte es, Krebspatienten, die SARS-COV-2-positiv waren und mindestens einen weiteren Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf aufwiesen (darunter Alter > 65, aktive Krebstherapie, Immundefizienz u. a.), ein Tablet auszuhändigen, das via Bluetooth mit Diagnostikkomponenten gekoppelt war. Mit diesem Set sollten die Betroffenen zweimal täglich unter anderem Symptome, Blutdruck, Temperatur und Sauerstoffsättigung erfassen (bei immunkompromittierten Patienten sogar viermal täglich). Die Daten wurden kontinuierlich in eine elektronische Patientenakte integriert, auf deren Basis ein automatisiertes System Alarm schlug, wenn präspezifizierte Werte unter- bzw. überschritten wurden. Diese Alarme liefen zentral bei spezialisierten RPM-Pflegekräften auf, die nach Bedarf weitere Maßnahmen anstoßen und den Fall ggf. an lokale Teams zur weiteren Betreuung übergeben konnten. Die unter dem RPM-Programm beobachtete relative Risikoverringerung für eine Hospitalisierung in Höhe von 78% (95%-Konfidenzintervall 54–102%; p = 0,0002) bezog sich auf den Vergleich mit SARS-COV-2-positiven Krebspatienten, die zwar auch an einem von verschiedenen Mayo-Clinic-Standorten in den USA ambulant behandelt wurden, nicht aber am RPM teilgenommen hatten (n = 116; Patienten unter RPM: n = 71). Mussten Patienten, die mittels RPM betreut wurden, schließlich doch noch in ein Krankenhaus aufgenommen werden, hätten sie dort kürzere Zeit verbracht, hätten seltener auf die Intensivstation verlegt werden müssen und wären auch seltener im Krankenhaus verstorben, so Pritchett. Diese Effekte nach der Hospitalisierung hätten aber keine statistische Signifikanz erreicht, gab der Onkologe zu bedenken. Weniger Hospitalisierungen, besserer Umgang mit Erkrankung Weil es sich bei der Studie nicht um eine randomisierte kontrollierte klinische Studie handelte, hatten er und sein Team versucht, für den Vergleich der beiden Kohorten (RPM vs. Nicht-RPM) etwaige Verzerrungen „rechnerisch“ zu kontrollieren. Dafür haben sie eine sogenannte Propensity-Score-Gewichtung vorgenommen, in die 15 Variablen eingingen, die mit einem ungünstigen COVID-19-Verlauf assoziiert sind. Trotzdem bleiben die retrospektive Natur der Studie und die eher kleine Anzahl an Patienten (n = 187), die zudem nur von einer Klinik (Mayo Clinic) stammen, ein gewisser Nachteil, wie auch Pritchett einräumt. Trotzdem geht er davon aus, dass der RPM-Ansatz das Potenzial haben könnte, (auch losgelöst von der SARS-CoV-2-Pandemie) die Versorgung von Krebspatienten zu bereichern. Empfehlung der Redaktion Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology Kongressdossier zum ASCO Highlights und Berichte zum Annual Meeting der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2021 finden Sie in diesem Dossier. Sie lesen unter anderem, warum Sie früh auf BRCA-Mutation bei Mamma-Ca. testen sollten, was CAR-T-Zellen bei multiplem Myelom versprechen und wie die Radioligandentherapie bei Prostatakarzinom aktuell bewertet wird. Zu dieser Einschätzung passen auch die Ergebnisse einer weiteren RPM-Studie, die auf dem diesjährigen ASCO präsentiert wurden [2]. In dieser Untersuchung waren SARS-CoV-2-positive Krebspatienten des Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) in New York, NY/USA, zu ihren Erfahrungen mit dem hauseigenen RPM befragt worden. Bei den meisten Patienten hätte das RPM gemäß subjektiver Einschätzung dazu geführt, dass sie mit COVID-19-Symptomen besser umgehen konnten, mehr mit ihrem Behandlungsteam verbunden waren und Besuche in der Notaufnahme vermeiden konnten, berichtete Dr. Bobby Daly vom MSKCC. Auch er sieht im RPM-Ansatz Potenzial über die Pandemie hinaus. basierend auf: ASCO Annual Meeting 2021, 4.-8.6.2021; Oral Abstract Session: Abstract 1503 und Abstract 1504

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