Neuer Therapiestandard bei MRD-negativer B-ALL

Erwachsene mit B-Vorläufer akuter lymphatischer Leukämie (B-ALL) ohne messbare minimale Resterkrankung (MRD-negativ) überleben länger, wenn sie zusätzlich zur Standard-Konsolidierungschemotherapie Blinatumomab erhalten. Patientinnen und Patienten mit neu diagnostizierter BCR-ABL1-negativer B-ALL erreichen unter einer konventionellen Chemo-Induktionstherapie in der Regel hohe Raten an Komplettremissionen (CR). Allerdings rezidivieren sie häufig, und zwar selbst dann, wenn ihr MRD-Status nach der Induktionstherapie negativ ist. Blinatumomab ist ein gegen CD19/CD3 gerichteter bispezifischer T-Zell-Engager, für den bereits Zulassungen für die Therapie der rezidivierten oder refraktären B-ALL und die MRD-positive B-ALL bei Erwachsenen und Kindern bestehen. In der Phase-III-Studie E1910 der ECOG-ACRIN Cancer Research Group wurde der Effekt einer Zugabe von Blinatumomab zur bisherigen Standard-Konsolidierungschemotherapie auf die Prognose MRD-negativer Patientinnen und Patienten mit BCR-ABL1-negativer B-ALL untersucht. Deren Ergebnisse stellte Prof. Dr. Mark R. Litzow, Mayo Clinic Comprehensive Cancer Center, Rochester (MA)/USA, im Rahmen der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2022 vor [1]. In die Studie wurden 488 Erkrankte im Alter zwischen 30 und 70 Jahren (Median 51 Jahre) aufgenommen. Betroffene, die nach der Induktionstherapie eine morphologische komplette Remission mit oder ohne komplette hämatologische Regeneration (CR/CRi) erreichten, erhielten zunächst eine auf das Zentralnervensystem gerichtete Intensivierungstherapie mit Methotrexat und Pegaspargase. Sofern MRD-Negativität nachgewiesen werden konnte (Cut-Off-Wert für Positivität: ≥0,01% leukämische Blasten), erhielten die Patientinnen und Patienten randomisiert im Verhältnis 1:1 vier Zyklen Konsolidierungschemotherapie mit oder ohne vier Zyklen Blinatumomab. Darauf folgte in beiden Behandlungsarmen ein weiterer Konsolidierungsschritt mit 6-Mercaptopurin, Vincristin, Methotrexat und Prednison (POMP) über 2,5 Jahre. Nach der Induktionstherapie hatten insgesamt 81% der Behandelten eine CR/CRi erreicht (CR 75%, CRi 6%). 286 Patientinnen und Patienten konnten in einen der beiden Studienarme randomisiert werden, 224 waren MRD-negativ und jeweils 22 pro Therapiearm erhielten eine allogene Stammzelltransplantation. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 43 Monaten (3,6 Jahre) war der Median für den primären Studienendpunkt, das Gesamtüberleben, im Blinatumomab-Arm noch nicht erreicht, im Kontroll-Arm lag er bei 71,4 Monaten (Hazard Ratio [HR] 0,42; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,24–0,75; p=0,003). Die mit Blinatumomab Behandelten wiesen zudem ein signifikant verbessertes rezidivfreies Überleben auf: Auch für diesen Endpunkt war der Median noch nicht erreicht, bzw. betrug im Kontroll-Arm 22,4 Monate (HR 0,46; 95%-KI 0,27–0,78; p=0,004). Ein numerischer, statistisch aufgrund der geringen Zahl an Behandelten jedoch nicht signifikanter, Überlebensvorteil zeigte sich ebenfalls bei den MRD-positiven Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern (n=44; HR 0,39 95%-KI 014–1,10; p=0,066). Auch in dieser Kohorte war der Median im Blinatumomab-Arm noch nicht erreicht, im Kontrollarm betrug er 22,4 Monate. „Die Kombination wurde im Allgemeinen gut vertragen, ohne dass neue Sicherheitssignale berichtet wurden“, ergänzte Litzow. Mit der E1910-Studie sei es erstmals gelungen zu zeigen, dass das Überleben von Patientinnen und Patienten mit B-ALL in Komplettremission noch weiter verbessert werden kann. „Die Zugabe von Blinatumomab zur Konsolidierungstherapie ist damit ein neuer Standard in der Behandlung der neu diagnostizierten, MRD-negativen B-ALL“, stellte der Hämato-Onkologe abschließend fest. Empfehlung der Redaktion Gesammelte Beiträge ASH 2022 – das Kongressdossier Wie entscheidend ist eine minimale Resterkrankung bei Vorstellung für eine alloSCT bei AML? Und wie nehmen CD38-Antikörpern Einfluss auf die Lebensqualität bei Multiplem Myelom? Diese und weitere unserer Highlight-Themen der 64. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) finden Sie im Dossier. basierend auf: 64. ASH Annual Meeting 10. bis 13. Dezember 2022, New Orleans, Louisiana, Session: Late-Breaking Abstract Session 1

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