Wenn die Asthma-Therapie an die Nebenniere geht

Auch unter einer Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden kann es zu einer Nebenniereninsuffizienz kommen, wie eine kanadische Kasuistik veranschaulicht. Inhalative Kortikosteroide (ICS) sind ein wichtiger Baustein in der Behandlung von Atemwegserkrankungen wie Asthma oder auch COPD. Dadurch, dass gerade bei hohen Dosen oder bei Langzeitanwendung eine systemische Wirkstoffexposition möglich ist, können ICS die Funktion der HPA-Achse kompromittieren, was zur Nebenniereninsuffizienz führen kann [1]. Weil es sich bei der Nebenniereninsuffizienz um eine potenziell lebensbedrohliche, aber häufig nicht erkannte Komplikation handelt, haben kanadische Ärztinnen und Ärzte um Rachel Swimzer eine Kasuistik im American Journal of Medicine veröffentlicht, um nochmals auf die Problematik aufmerksam zu machen [2]. Sie schildern den Fall einer 72-jährigen Asthmapatientin, die sich mit Fatigue, orthostatischer Dysregulation und Gewichtsverlust in der endokrinologischen Abteilung des McGill University Health Centres in Montreal, Kanada, vorgestellt hatte. Dort habe man deutlich reduzierte Werte für den Morgen-Kortisolspiegel (26 nmol/L) und für den ACTH-Spiegel (0,8 pmol/L) festgestellt. Eine Hypotonie oder Hyperpigmentierung habe nicht bestanden, auch keine Sehfeldeinschränkungen. Die Elektrolyte seien normwertig gewesen, der Nüchternblutzucker (3,4 mmol/L) erniedrigt. Ein ACTH-Stimulationstest sei unauffällig verlaufen. Vor dem Hintergrund einer ICS-Langzeitbehandlung (16 Monate) mit hochdosiertem Mometason (200 μg je Inhalation als Teil eines Kombinationspräparats mit 5 μg Formoterol; pro Tag zwei Anwendungen mit je zwei Inhalationen) wurde die Diagnose einer sekundären Nebenniereninsuffizienz gestellt. Bevor die Patientin in der Endokrinologie vorstellig geworden war, hatte die pneumologische Betreuung laut Swimzer bereits mit dem Ausschleichen der Hochdosis begonnen. Wiederholte Kortisol- und ACTH-Messungen hätten daher bereits eine Verbesserung gezeigt (Morgen-Kortisol: 116 nmol/L; ACTH: 10,9 pmol/L). Der Patientin sei Hydrokortison in einer Stress-Dosierung für „Fälle von erheblichem Stress oder Krankheit“ verordnet worden. Die Asthmabehandlung habe man auf ein kortisonsparendes Regime mit einem Leukotrienantagonisten und einem ICS mit geringerer systemischer Aufnahme (wie Ciclesonid) umgestellt. Weitere Details oder Informationen zum Verlauf berichten die Ärztinnen und Ärzte um Szwimer nicht. Was sagen die Leitlinien? In der S3-Leitlinie „Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma“ wird das Risiko für eine ICS-induzierte Nebenniereninsuffizienz im Kapitel zur medikamentösen Therapie (Kapitel 4; Unterkapitel „Spezielle Sicherheitsaspekte“ bei ICS) nur indirekt thematisiert (Verweis auf eine Publikation zu pharmakologischer Berechnung von therapeutischen Indices verschiedener ICS) [3??]. Dort heißt es allerdings auch: „Das Risiko systemischer ICS-Nebenwirkungen und deren Konsequenzen bei Erwachsenen ist immer gegen die Risiken einer unzureichenden Kontrolle einer höhergradigen Asthma-Erkrankung und die potenziellen Folgen eines Asthma-Anfalls abzuwägen.“ Die 2024 erstmals publizierte, gemeinsame Leitlinie Diagnosis and therapy of glucocorticoid-induced adrenal insufficiency der European Society of Endocrinology und der Endocrine Society thematisiert das Risiko und den Umgang mit Nebenniereninsuffizienz auch im Kontext von Asthma-Therapien [1]. Mit Blick auf die verschiedenen Applikationsrouten wird der inhalativen Route ein „moderates“ Risiko attestiert (im Vergleich mit dem „hohen“ Risiko unter systemischer Verabreichung und dem „niedrigen“ Risiko bei topischer Anwendung). Die Nebenniereninsuffizienz-Gesamtprävalenz wird in der Leitlinie mit 7,8% beziffert, wobei das Risiko mit Dosis und Behandlungsdauer steigt. So liegt die Prävalenz bei inhalativer Langzeitbehandlung (> 12 Monate) bei 27,4% und bei hohen Dosen bei 21,5%. Die Leitlinie listet auch verschiedene Strategien auf, die helfen können, das Risiko für eine Nebenniereninsuffizienz unter ICS zu reduzieren: Verwenden Sie die niedrigste wirksame Dosis für den kürzesten Zeitraum. Verwenden Sie Spacer und Mundspülungen. Erwägen Sie alternative Glukokortikoide zu Fluticasonpropionat. Vermeiden Sie die gleichzeitige Verabreichung mit starken Cytochrom-P450-3A4-Inhibitoren. Interessanterweise nennt die Leitlinie auch eine hohe Therapieadhärenz als potenziellen Risikofaktor für eine Nebenniereninsuffizienz. Weitere genannte sind etwa ein niedrigerer BMI und die gleichzeitige Anwendung anderer Kortikosteroiddarreichungen.

Springer Medizin

Wenn die Asthma-Therapie an die Nebenniere geht

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

COPD und nicht-invasive Behandlungsmethoden

Geringere Therapieabbruchquoten durch digitale Therapiebegleitung

Auch für ältere Patienten empfiehlt sich nicht-invasive Langzeitbeatmung