Erschienen in:
12.11.2019 | Motilitätsstörungen | Übersichten
Atavistischer Obliquus-superior-Brown-Syndrom: Ätiologie der verschiedenen Arten von Motilitätsstörungen beim kongenitalen Brown-Syndrom
verfasst von:
Hermann Mühlendyck, Oliver Ehrt
Erschienen in:
Die Ophthalmologie
|
Ausgabe 1/2020
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Zusammenfassung
Krankheitsbild
Beim kongenitalen Brown-Syndrom handelt es sich um eine mechanisch bedingte Einschränkung der Hebung in Adduktion mit Parallelstand im Abblick. Nachdem als Ursache 1975 von Parks et al. eine von Brown angenommene Verkürzung der Obliquus-superior-Sehnenscheide ausgeschlossen wurde, wird über diese spekuliert. Es wird dabei hauptsächlich eine Fehlinnervation diskutiert. Doch widerspricht v. a. die vollkommen normale Senkung in Adduktion dieser Annahme.
Genese
Eine belegbare Ursache ist dagegen beim typischen Brown-Syndrom ein fibrotischer Strang. Hierbei handelt es sich – aufgrund der von Fink beschriebenen entwicklungsgeschichtlichen Befunde – mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen atavistischen Obliquus superior. Der Strang hat – wie auch noch bei vielen Tieren der M. obliquus superior – seinen Ursprung in Trochleanähe an der Orbitawand. Er verläuft von dort am Hinterrand der Obliquus-superior-Sehne in diese integriert zum gemeinsamen Ansatz am Bulbus, wo er etwas hinter dem Äquator inseriert.
Atypisches Brown-Syndrom
Bei 2 Fällen mit atypischem Brown-Syndrom konnte ebenfalls als Ursache ein fibrotischer Strang gefunden werden. Die intraoperativ vorgefundene Lage der Insertion des Strangs befand sich jedoch bei dem ersten Fall vor dem Äquator, was dort die – den True-atypical-Fällen von Brown entsprechende Hebungseinschränkung auch in Abduktion erklärte. Beim zweiten Fall mit einer bisher noch nicht beschriebenen Variante, bei der der Strang von der Obliquus-superior-Sehne separiert verlief, inserierte der Strang weit hinter dem Äquator nasal des M. rectus superior, was bei diesem eine sprungartig bei über 30° Adduktion aufgetretene vollständige Hebungseinschränkung und das Y‑Phänomen im Aufblick mit einer bei Adduktion zunehmenden und bei Abduktion abnehmenden Exotropie erklärte.
Therapie und Verlauf
Als Therapie hat sich am besten die Teilexzision des fibrotischen Strangs von ca. 10 mm vom Ansatz aus am besten bewährt. Die danach noch vorhandene Einschränkung der aktiven Hebung in Adduktion bildet sich bei postoperativ praktizierten Blickbewegungen nach Adduktion und oben meistens nach über 1 Jahr zurück.
Schlussfolgerung
Ein fibrotischer Strang (atavistischer Obliquus superior) kann als Ursache für das kongenitale Brown-Syndrom angesehen werden. Die unterschiedlichen Arten der Hebungseinschränkung lassen sich über die Variabilität der Insertion des Strangs erklären. Die dabei im Einzelfall vorliegende Motilitätsstörung kann über eine Teilexzision des Strangs vom Ansatz aus behoben werden – wenn auch die Normalisierung der aktiven Hebung meist über 1 Jahr dauert.