Die neurootologische Funktionsdiagnostik als Teilaspekt der Schwindelabklärung ist ein komplexes, interdisziplinäres Feld, das insbesondere für Weiterbildungsassistenten/-innen aller Fachgebiete häufig eine Herausforderung darstellt. Dies beginnt bei der Formulierung der Fragestellung in der konsiliarischen Anforderung bezüglich der Mitbeurteilung und Diagnostik, setzt sich in der Umsetzung der spezifisch notwendigen Diagnostik und Ausformulierung der Befundberichte fort und endet bei der führenden Fachdisziplin mit der Würdigung bzw. der Umsetzung des Befundberichts. Dabei wird in der Literatur insbesondere darauf hingewiesen, dass insbesondere die Testökonomie von großer Bedeutung ist [
4]. Dabei kann eine spezifische, an die Beschwerden der Patient/-innen angepassten Auswahl der neurootologischen Tests zur Diagnosefindung beitragen und helfen, die Frustration, sowohl bei Patienten/-innen als auch Untersucher/-innen, zu reduzieren und damit die Compliance zu verbessern. In diesem Szenario könnte die SR eine zentrale Hilfestellung darstellen, in dem spezifische Symptome mit dezidierten Funktionsdiagnostiken assoziiert werden. Dies könnte zu einer gesteigerten Effizienz und zum Einsparen der meist knapp vorhandenen Ressourcen beitragen. Weiterbildungsassistenten/-innen fällt es regelhaft schwer, die Ergebnisse neurootologischer Funktionsdiagnostik adäquat zu interpretieren und zu beschreiben, was zu großer Frustration führen kann. Dies spiegelt sich auch in einem sinkenden Interesse an einer neurootologischen Spezialisierung wider [
13]. Golub et al. konnten in einer Befragung von 1364 Weiterbildungsassistenten/-innen in den USA zeigen, dass etwa 14 % im zweiten Weiterbildungsjahr ein Interesse an einer neurootologischen Spezialisierung angaben, während dies nur bei etwa 7 % im fünften Weiterbildungsjahr der Fall war (−53 %). Als Konsequenz kann es zu einer unzureichenden Qualität der Befundberichte kommen, die möglicherweise wiederum für fachfremde Ärzte/-innen dann unzureichend nachvollziehbar sind. Dies steht in großem Widerspruch zu den Anforderungen, die an die Befundung gestellt werden [
30]. Jedem Bericht über ein medizinisches Diagnoseverfahren kommt große Rolle zu, da der Bericht den Inhalt und die Schlussfolgerungen interpersonell und interdisziplinär transportiert [
6]. Zudem weisen FTR eine deutlich niedrigere Interrater-Reliabilität und somit eine höhere Befundvariabilität auf als SR [
5]. Durch Informationsverluste aufgrund von unvollständigen oder unverständlichen Befundberichten kann es, neben der Frustration der Zuweiser/-innen, potenziell zu redundanten, zeit- und kostenintensiven Folgeuntersuchungen kommen. Zudem besteht die Gefahr verzögerter Diagnosestellungen und Therapieeinleitungen, möglicherweise mit rechtlichen Konsequenzen [
5]. Dies kann durch eine unzureichende Reproduzierbarkeit der Befunddokumentation verstärkt werden. In diesem Szenario kann die Verwendung von SR zur Ausbildung beitragen, indem sie unerfahrene Weiterbildungsassistenten-/innen durch die Diagnostik und deren Befundung führt, zentrale Aspekte aufzeigt und somit die Interrater-Reliabilität nachhaltig verbessert [
5]. Durch vorherige Studien wurde gezeigt, dass die Verwendung von SR mit einer deutlichen Reduktion inadäquat untersuchter pathologischer Veränderungen einhergeht [
28]. Darüber hinaus konnte am Beispiel der Kopf-Hals-Sonographie ein additiver, longitudinaler Lerneffekt durch die konsequente Anwendung von SR in der Facharztweiterbildung nachgewiesen werden [
9]. Folglich ist ein solcher Effekt auch durch die Implementierung der SR im Bereich der Neurootologie anzunehmen. Darüber hinaus unterstützt die Anwendung von SR die behandelnden Ärzte/-innen, indem sie durch die systematische Vorgehensweise hilft, die unterschiedlichen schwindelspezifischen Kausalitäten effektiv zu identifizieren respektive diese auszuschließen. Durch die hinterlegten klinischen Behandlungspfade können entsprechend relevante Differenzialdiagnosen aufgezeigt und adäquat dokumentiert werden. Hierdurch wird eine leitliniengetreue Diagnostik und Therapie und in der Folge die evidenzbasierte Medizin nachhaltig unterstützt. Somit können Schwindelbeschwerden bei Patienten/-innen effektiver abgeklärt und therapiert werden. Neben der Diagnosefindung und Therapieeinleitung ermöglichen SR aber auch ein effizientes Monitoring des Krankheitsverlaufs. Aufgrund der stets einheitlichen Darstellung der Befunde können krankheitsspezifische Veränderungen, insbesondere für beteiligte Berufsgruppen wie beispielswiese Physiotherapeuten, leichter erkannt und somit Therapien besser angepasst werden. Dies führt nicht nur zu einer verbesserten Kommunikation zwischen den verschiedenen ärztlichen Fachgebieten, sondern auch mit den anderen beteiligten Berufsgruppen bzw. Rehabilitationseinrichtungen.
Ob die höhere Befundvollständigkeit und die verbesserte Zuweiserzufriedenheit der SR tatsächlich mit einer effizienteren Diagnosestellung und Therapieeinleitung sowie einer verbesserten interdisziplinären Kommunikation verbunden ist, müssen zukünftige Studien klären.