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29.11.2024 | Online-Artikel

Erschienen im Deutschen Ärzteblatt 24/2024

S3-Leitlinien-Update zu Harnwegsinfektionen: Aufwertung der Phytotherapie in der Primärtherapie

Harnwegsinfektionen (HWIs) gehören weltweit zu den häufigsten bakteriellen Infektionen. Jährlich erkranken etwa 150 Millionen Menschen an einer HWI, wobei Frauen deutlich öfter betroffen sind als Männer [1]. Meist handelt es sich um akute unkomplizierte Zystitiden, bei denen eine Antibiotikagabe häufig nicht erforderlich ist. Hier steht die Linderung der Symptome im Vordergrund. Die unlängst aktualisierte S3-Leitlinie stellt die Phytotherapie auf Augenhöhe zur Antibiotikagabe [2].

Die im Jahr 2017 veröffentlichte S3-Leitlinie zur Therapie von HWIs wurde kürzlich überarbeitet. Ein wesentlicher Aspekt der im April 2024 aktualisierten Version [2] ist die Empfehlung zur kritischen Überprüfung der Indikation für eine Antibiotikatherapie – um unnötige Anwendungen und die damit verbundene Entwicklung multiresistenter Bakterien zu vermeiden.

Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen komplizierten und unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Von einer unkomplizierten HWI spricht man laut Leitlinie, wenn keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine Nierenfunktions-störungen, keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen, Stoffwechselstörungen, Katheter, Nieren-/Blasensteine oder Immunsuppression bestehen.

Diese Infektionen, die oft nur die Harnblase betreffen, sind in der Regel selbstlimitierend: sie heilen ohne schwerwiegende Komplikationen spontan ab. Dies legt den Fokus der Behandlung auf die Linderung und beschleunigte Besserung der oftmals sehr belastenden Symptome.

Was ändert sich mit der aktualisierten Leitlinie?

Das Update der Leitlinie bringt eine entscheidende Neuerung: Die bisherige „kann“-Empfehlung für nicht-antibiotische Therapieoptionen bei akuten unkomplizierten Zystitiden wurde aufgewertet [2]. Der aktuelle Leitlinientext empfiehlt nämlich bei nicht-geriatrischen Patienten explizit eine alleinige nicht-antibiotische Therapie als Alternative zu Antibiotika zu erwägen und partizipativ darüber zu entscheiden. Der als „sollte“-Empfehlung formulierte Eintrag – entsprechend dem zweithöchsten Empfehlungsgrad (B) – stellt die Phytotherapie bei dieser großen Patientengruppe auf Augenhöhe zur Antibiotikagabe. 

Aktualisierte HWI  S3-Leitlinie

Erfahren Sie jetzt mehr über Phytopharmaka in der aktuellen Leitlinie. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Updates ist die Einführung einer Patientenleitlinie. Diese soll die Kommunikation zwischen Arzt und Patient unterstützen und ein besseres Verständnis der angebotenen Therapieoptionen ermöglichen. Sie unterstützt eine partizipative Entscheidungsfindung, bei der Patienten aktiv und informiert in die Wahl ihrer jeweiligen Behandlung eingebunden werden.

Starke Evidenz für nicht-antibiotische Alternativen

Die Erhöhung des Empfehlungsgrades für nicht-antibiotische Therapieoptionen basiert auf einer erweiterten Evidenzgrundlage (1A Evidenzlevel). Eine unabhängige Meta-Analyse aus dem Jahr 2022 verglich verschiedene Strategien zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes bei Frauen mit unkomplizierten HWIs [3]. 

Demnach kann sowohl mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) als auch mit der Gabe einer pflanzlichen Dreierkombination aus Rosmarin, Tausendgüldenkraut und Liebstöckel (BNO 1045; Canephron® Uno) sowie weiteren Optionen eine deutliche Reduktion der Antibiotikaverschreibungen erreicht werden. Unter den in der Leitlinie aufgeführten Therapien erreichte BNO 1045 mit 83,5 % die stärkste Reduktion des Einsatzes von Antibiotika (CanUTI-7-Studie [4]). Für die pflanzliche Dreierkombination wurden in präklinischen Studien zusätzlich antiphlogistische [5], analgetische [6], spasmolytische [7] und antiadhäsive [8] Effekte gezeigt. 

Die klinische, doppel-verblindete Nichtunterlegenheitsstudie der Phase III [4] verglich die pflanzliche Dreierkombination BNO 1045 (3 x 2 Tabletten pro Tag für 7 Tage) randomisiert mit dem Antibiotikum Fosfomycin (3 g als einmalige Einnahme) bei 659 PatientInnen. Der primäre Endpunkt war die Nichtunterlegenheit des Phytotherapeutikums gegenüber Fosfomycin hinsichtlich des Bedarfs einer zusätzlichen Antibiotikatherapie im Zeitraum von Tag 1 bis 38.

Die Ergebnisse unterstreichen die Wirksamkeit der pflanzlichen Dreierkombination: In der BNO 1045-Gruppe war bei 83,5 Prozent der Teilnehmerinnen in der 30-tägigen Nachbeobachtungszeit keine zusätzliche Antibiotikagabe erforderlich, verglichen mit 89,8 Prozent in der Fosfomycin-Gruppe. Entsprechend war das Ergebnis der Nichtunterlegenheit des pflanzlichen Arzneimittels gegenüber dem Antibiotikum signifikant (p = 0,0014) [4].

Auch die Symptomreduktion, gemessen an der Domäne „typische Symptome“ des Acute Cystitis Symptom Score (ACSS), war unter beiden Therapien vergleichbar. Bereits am vierten Tag erzielte die Phytotherapie eine Symptomlinderung von bis zu 50 % (Abb.1).

Fazit: Aufwertung der Phytotherapie bei Harnwegsinfektionen

Die aktualisierte Leitlinie zur Behandlung von HWIs ist ein bedeutender Schritt hin zu einem rationalen und verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika im Rahmen des Antibiotic Stewardship.

Aufgrund der verbesserten Evidenz für nicht-antibiotische Therapien, besonders bei nicht-geriatrischen Patienten, empfiehlt die AWMF-Leitlinie alternative Behandlungsmethoden wie Phytotherapeutika (z.B. BNO 1045) und betont eine kritischere Indikationsstellung für Antibiotikatherapien bei unkomplizierten HWIs [2]. Dies kann dazu beitragen, den routinemäßigen Einsatz von Antibiotika zu überdenken und unnötige Therapien sowie Resistenzentwicklungen zu vermeiden.

Referenzen

  1. Foxman B: Infect Dis Clin North Am 2014; 28:1-13.
  2. Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (Hrsg.), „S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen“, Aktualisierung 2024. AWMF Registernummer: 043/044.
  3. Kaußner Y et al.: Clin Microbiol Infect 2022; 28:1558-66.
  4. Wagenlehner FM et al: Urol Int 2018; 101:327-36. Die Studie wurde mit einer zu Canephron® Uno äquivalenten Wirkstoffmenge durchgeführt.
  5. Butler DSC et al.: Urol Int 2023; 107:778-84.
  6. Nausch B et al.: Phytomedicine 2019; 60:152987.
  7. Brenneis C, Künstle G, Haunschild J: 13th International Congress of the Society for Ethnopharmacology. 2nd to 6th September 2012, Graz, Austria.
  8. Künstle G, Brenneis C, Haunschild J: Eur Urol 2013; 12, Suppl. e671.


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