In unserer Ambulanz stellte sich eine 32-jährige Patientin vor, die berichtete, seit 1 Woche am rechten Auge eine Visusminderung bemerkt zu haben. Zusätzlich seien am rechten Auge ein Schleier, Flimmern und schwarze Punkte zu sehen. Vorerkrankungen waren keine bekannt, auch wurde von der Patientin keine Dauermedikation eingenommen. Ein vorangegangener Infekt wurde ebenfalls verneint. In der Familie der Patientin waren keine Augenerkrankungen außer dem grauen Star bekannt. Bisherige Untersuchungen beim niedergelassenen Augenarzt waren immer regelrecht.
Klinische Untersuchung
Der bestkorrigierte Visus der myopen Patientin betrug rechts 0,7 (−5,00), links 1,0 (−5,00/−0,50/26°). Der Augeninnendruck war normoton. In der klinischen Untersuchung zeigte sich beidseits eine reizfreie Phakie mit klarer Linse. Im Glaskörper zeigten sich vereinzelte Zellen im Sinne einer milden Vitritis. Bei Betrachtung des Fundus fielen beidseits disseminierte gelbweißliche Herde vom hinteren Pol bis in die Peripherie auf (Abb. 1). Die Papille präsentierte sich randscharf und vital, die Gefäße altersentsprechend und die Netzhaut allseits anliegend.
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Apparative Diagnostik
Zur Diagnosefindung führten wir initial Fundusautofluoreszenz- und SD-OCT-Aufnahmen (Spectral-Domain-optische Kohärenztomographie) (Spectralis, Heidelberg Engineering), eine OCT-Angiographie und eine Fluoreszenzangiographie (FLA) durch.
Im SD-OCT fanden sich umschriebene Defekte der äußeren Netzhautschichten mit Destruktionen der inneren (IS) und äußeren (OS) Segmente der Fotorezeptorschicht im Bereich der fundoskopisch auffälligen Herde, v. a. rechts foveal sowie linksseitig parafoveal (Abb. 2a und e). In der Fundusautofluoreszenz zeigten sich hypoautofluoreszente Läsionen, teilweise mit hyperautofluoreszenten Ringen (Abb. 1). In der OCT-Angiographie fanden sich Blockaden des Blutflusssignals in der Choriokapillaris, ebenfalls im Bereich der bereits beschriebenen auffälligen Herde. Die retinalen Schichten stellten sich regelrecht dar (Abb. 3 und 4). In der FLA präsentierten sich die chorioretinalen Herde hypofluoreszent durch die Blockade des Fluoreszeins mit anschließendem Staining (Abb. 4).
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Zusätzlich erfolgten Blutuntersuchungen auf verschiedenste bakterielle, virale und parasitische Krankheitserreger, die alle unauffällig waren. Darüber hinaus erfolgte die Bestimmung des HLA-A29-Status der Patientin, welcher ebenfalls ein negatives Ergebnis erbrachte.
Wie lautet Ihre Diagnose?
Diagnose
In Zusammenschau der Ergebnisse der vielfältigen Untersuchungen ergab sich der Verdacht auf eine Erkrankung aus dem Formenkreis der White-Dot-Syndrome.
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Zur weiteren Differenzierung führten wir eine Indocyaningrünangiographie (ICGA) durch. Bei dieser imponierten die beschriebenen chorioretinalen Herde hypofluoreszent (Abb. 4). Leider musste die Untersuchung vorzeitig aufgrund von starkem Unwohlsein der Patientin abgebrochen werden, sodass die Spätphase nicht abschließend beurteilbar war.
Der Begriff „White-Dot-Syndrom“, erstmals geprägt von Jampol et al. im Jahr 1984, beschreibt eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die sich durch die namengebenden weißen Flecken in der Fundoskopie auszeichnen. Die Ätiologie der Erkrankungen ist nicht endgültig geklärt, diskutiert werden sowohl autoimmune als auch infektiöse Auslöser. Eine Differenzierung der verschiedenen Krankheitsentitäten ist nicht immer komplett möglich, so können sich z. B. punktförmige innere Choroidopathie (PIC) und multifokale Chorioiditis (MFC) ähnlich präsentieren [4].
Im Falle der hier vorgestellten Patientin ist die wahrscheinlichste Diagnose eine MFC aufgrund der milden Vitritis, des beidseitigen Auftretens und der typischen Verteilung der chorioretinalen Herde am gesamten Fundus. Vor allem die Verteilung der chorioretinalen Herde vom hinteren Pol bis in die Peripherie ermöglicht eine Differenzierung zur PIC. Im Gegensatz zur Birdshot-Retinochoroidopathie (BSRC) zeigten sich die beschriebenen eher kleinen 50–350 μm durchmessenden Läsionen (bei BSCR typischerweise 500–1500 μm) und in der FLA keine retinalen Gefäßleckagen im Sinne einer retinalen Vaskulitis. Auch war der HLA-A29-Status, der in über 95 % der Fälle einer BSCR positiv ist, negativ.
Zusätzlich passen die typischen Befunde in FLA (Herde in Frühphase hypofluoreszent mit zunehmendem Staining bis in die Spätphase) und ICGA (hypofluoreszente Herde) zur Verdachtsdiagnose MFC [3, 4].
Diagnose: Multifokale Chorioiditis
Die MFC betrifft überwiegend myope Frauen mittleren Alters, der Altersgipfel liegt bei ca. 40 bis 50 Jahren. Sie verläuft meist bilateral, häufig aber asymmetrisch und schubweise, sodass initial der Eindruck entstehen kann, dass nur 1 Auge betroffen ist [2, 4]. Zu den Differenzialdiagnosen gehören einerseits andere White-Dot-Syndrome, allen voran die PIC und die BSRC. Andererseits können auch infektiöse Ursachen eine ähnliche Symptomatik hervorrufen, z. B. die okuläre Histoplasmose [1].
Die MFC ist charakterisiert durch eine milde Vitritis, die oben schon beschriebenen gelbweißen Läsionen im RPE-Niveau und drusenartiges Material zwischen RPE und Bruch-Membran mit IS-/OS-Destruktionen [5].
Nach Abheilung eines akuten Schubes können sich ausgeprägte atrophische Narben bilden. Als Spätkomplikation kann es in 32–46 % der Erkrankungen zur Bildung von sekundären inflammatorischen choroidalen Neovaskularisationen (CNVs) kommen, infolge derer sich subretinale Fibrosen bilden können [4].
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Therapie
Zur Therapie begannen wir mit einer körpergewichtsadaptierten Kortisontherapie (1 mg/kgKG), welche über einen Zeitraum von 4 Wochen von 60 mg auf eine Erhaltungsdosis von 5 mg reduziert wurde. Unter der Kortisontherapie zeigte sich nach 4 Wochen eine deutliche Befundbesserung mit Steigerung des bestkorrigierten Visus am rechten Auge auf 0,9. Die äußeren Netzhautschichten am rechten Auge waren wieder regelrecht konfiguriert (Abb. 2).
Im weiteren Verlauf zeigte sich der Visus am rechten Auge stabil bei 0,9–1,0 ohne zusätzliche Symptome. Drei Monate nach Erstvorstellung und unter der Kortisonerhaltungsdosis von 5 mg bemerkte die Patientin die Symptome, wegen derer sie sich initial vorgestellt hatte, auch am linken Auge. Daraufhin erfolgte die erneute Erhöhung der Kortisontherapie. Bei schlechter Verträglichkeit der Kortisondauertherapie wurde die Therapie in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Rheumatologie auf Mycophenolat-Mofetil 500 mg 2‑mal täglich umgestellt.
Im weiteren Verlauf entwickelte sich am linken Auge eine zentrale choroidale Neovaskularisation mit Visusabfall auf 0,4, die mittels mehrfacher VEGF-Injektion behandelt wurde. Nach 3‑maliger intravitrealer Injektion zeigte sich eine Verbesserung des Visus auf zuletzt 0,8 mit Rückgang der intraretinalen Flüssigkeit (Abb. 2h). Es erfolgen weiterhin regelmäßige Kontrollen inklusive SD-OCT-Aufnahmen, um erneute Krankheitsschübe frühzeitig zu erkennen und zu therapieren.
Fazit für die Praxis
Seltene White-Dot-Syndrome wie die multifokale Chorioiditis benötigen eine differenzierte multimodale Diagnostik sowie engmaschige Kontrollen. Eine Therapie mit Kortison und anderen immunmodulatorischen Substanzen ist das Mittel der Wahl, um eine Remission zu erzielen. Eine gefürchtete Komplikation ist die Entwicklung von sekundären inflammatorischen choroidalen Neovaskularisationen, die jedoch gut auf VEGF-Inhibitoren ansprechen.
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Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
M. Maier: Vergütung auf Honorarbasis bei Allergan, Bayer, Novartis, Heidelberg Engineering. M. Grünewald gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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