Die Herausforderungen an einen praxisorientierten Unterricht an Universitätskliniken steigen. Ressourcenknappheit steht einer wachsenden Studierendenzahl gegenüber. Digitale Vorlesungen, Seminare und „blended learning“-Konzepte ermöglichen einen ressourcensparenden und effektiven Unterricht in der Augenheilkunde.
Ziel der Arbeit
Die Implementierung und Evaluation eines digitalen Lehrkonzepts aus Vorlesung, Seminar und Unterricht am Krankenbett an der Universitätsklinik für Augenheilkunde der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Material und Methoden
Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) wurden digitale Theorieeinheiten mit digital begleiteten Präsenzformaten kombiniert. Das Konzept umfasst: digitale On-Demand-Vorlesungen, ein 3‑tägiges digital vor- und nachbereitetes Präsenzseminar zu Basisuntersuchungen, einen digital begleiteten Unterricht am Krankenbett („blended learning“-Format). Das Konzept wurde in einer Kohorte getestet. Erfahrungen und Bewertungen der Studierenden wurden über das eLearning-System erfasst und mit denen des Vorjahres verglichen.
Ergebnisse
Das Konzept war gut umsetzbar, kommunizierbar und digital überprüfbar. Lehrende waren mit der Vorbereitung der Studierenden zufrieden. Lernende bewerteten das Konzept positiv, und das Fach Augenheilkunde stieg im Ranking der Medizinfächer an der MHH um 10 Plätze. Die Zufriedenheit mit der digitalen Lehre nahm signifikant zu.
Diskussion
Die Kombination asynchroner digitaler Vor- und Nachbereitung mit synchronem Unterricht am Krankenbett und Präsenzseminaren ermöglicht einen ressourcensparenden und effektiven Unterricht. Das Konzept fand hohe Akzeptanz. Weitere Studien zur flächendeckenden Umsetzung und die Auswirkungen auf die Examensleistung sind erforderlich.
Hinweise
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Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Die universitäre Lehre ist nach massiven pandemiebedingten Einschränkungen schrittweise in den Regelbetrieb zurückgekehrt. Die Herausforderungen für die praxisorientierte Lehre in der Ophthalmologie haben derweil deutlich zugenommen. Begrenzte Personalressourcen, eine wachsende Zahl Medizinstudierender und eine steigende Zahl an zu behandelnden Patienten außerhalb regulärer Sprechstunden erfordern Innovationen im Lehrbetrieb einer Universitätsaugenklinik.
In den Augen vieler Medizinstudierender ist die Ophthalmologie ein Fach mit begrenzter Tragweite, das im Staatsexamen durch eher wenige Multiple-Choice-Fragen abgebildet wird. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich jedoch auch für zukünftige nicht augenärztlich tätige Mediziner Überschneidungen mit zahlreichen Fachgebieten, die Wissen und Fertigkeiten in diesem Fachgebiet verlangen. Hierzu hält insbesondere die Kompetenzorientierung in der Vermittlung von Lerninhalten zunehmend Einzug in das Medizinstudium. Der Masterplan Medizinstudium 2020 [1] und der Nationale Kompetenzorientierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) [2, 3] zeichnen diese zukünftige Ausrichtung der (universitären) Lehre in der Ophthalmologie vor [4]. Nicht zuletzt bei der Entscheidung, ob Beschwerden keiner Behandlung, einer geplanten oder sogar notfallmäßigen Therapie bedürfen (Triagierung), wird deutlich, dass definierte Kompetenzen im Studium von allen Studierenden erworben werden sollten. Schließlich kann die Anwendung dieser Kompetenzen im privaten und beruflichen Alltag fächerübergreifend und unangekündigt erforderlich werden.
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Wie überraschende Änderungen der Rahmenbedingungen zu Vorschub in der Entwicklung universitärer Lehre führen können, war während der Pandemiejahre unter verschärften Hygienebedingungen deutlich erkennbar. Während an einzelnen Fakultäten ein gesamter Jahrgang ausschließlich digital unterrichtet werden musste [5], konnte andernorts auf Kompromisslösungen zurückgegriffen werden. Allen gemeinsam war der hohe Handlungsdruck der Akteure in Universitätsaugenkliniken, die in kurzer Zeit teils massive Anpassungen der curricularen Lehre konzipieren, vornehmen und verstetigen mussten. Kreative, innovative, didaktisch fundierte Lehr-Lern-Konzepte werden jedoch nicht regelhaft eingesetzt [5]. Zukünftig müssen zudem Kompetenzorientierung und ein zunehmender Anteil praxisorientierter Lehre mit stabilen oder abnehmenden Ressourcen adressiert werden [4]. Ein Ansatz dabei ist, bislang ungenutzte Lehr-Lern-Gelegenheiten nutzbar zu machen, um Ressourcen-adaptiert die lernzielorientierte Lehre in Therapie und Praxis sowie am Patienten zu ermöglichen. Einen Steigbügel bietet hier das Konzept des „Blended Learning“, das asynchrone eigenständige Lernaktivitäten der Studierenden vor und nach synchronen Veranstaltungen mit Dozierenden verschränkt (Abb. 1). Das bedeutet, dass das synchrone, meist In-Präsenz-Lernen mit digitalen Inhalten erweitert bzw. vermischt (engl. „to blend“) wird.
Abb. 1
Screenshot des Lernbereichs des Moduls Augenheilkunde im Lernmanagementsystem der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Die dargestellten Lernmodule enthalten Lernmaterialien zum virtuellen Untersuchungskurs sowie die Videovorlesung
Bundesweite Initiativen der Fachgesellschaften, hier sei der EyeTeacher der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) hervorzuheben [6], machen Lernzielkatalog-orientierte digitale Inhalte für die Breite der Lehrenden zugänglich. Die Integration der digitalen Inhalte in ein Lehrkonzept bleibt allerdings eine Herausforderung. Dies gilt insbesondere für den lehrintensiven Unterricht am Krankenbett, der aber neben dem Erlernen von Untersuchungsmethoden die Grundlage für eine kompetenzbasierte Lehre darstellt. Große Gruppen sind aufgrund der daraus resultierenden Impraktikabilität eines Hands-on-Unterrichts zu vermeiden. Auch die heutigen Hygienekonzepte erlauben keinen Unterricht am Krankenbett in großen Gruppen. Um den Studierenden gerecht zu werden und ihre große Anzahl mit knappen Ressourcen bewältigen zu können, müssen die Unterrichtseinheiten über einen großen Zeitraum verteilt werden. Die daraus resultierende schlechte Planbarkeit in klassischen Systemen und die Asynchronität der notwendigen Vor- und Nachbereitung eines Jahrgangs sind Herausforderung und Chance gleichermaßen. Digitale Systeme des online-basierten Lernens sowie der Vernetzung der Lehrenden und Lernenden machen den Unterricht am Krankenbett im 1:1-Hands-on erst möglich.
Methodik
Im Rahmen der Digitalisierung der Lehre an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wurde das Lehrkonzept Ophthalmologie vollständig neu gestaltet, wobei durch die Kombination von digitalen Lernangeboten und Lehrveranstaltungen in Präsenz eine Verzahnung von digitaler Theorie mit der Praxis realisiert wurde. Die hochschulinterne Lernplattform auf Basis des Lernmanagementsystem ILIAS (ILIAS open source; eLearning e. V., Köln) diente zur Steuerung der integrierten digitalen Lehre sowie zur Informationsvermittlung. Die ILIAS-Plattform ist eine Server-basierte Lernoberfläche. Die Lehrenden können hier ihr Lehrkonzept schildern, die Lehre strukturieren und Lerninhalte den Studierenden digital zugänglich machen.
Nach internen Umfragen wurde die klassische Präsenzvorlesung als Frontalunterricht abgeschafft und durch eine vollständig digitale On-demand-Vorlesung ersetzt.
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Das Seminar zur praktischen Vermittlung von Untersuchungsmethoden des Auges wurde um eine digitale theoretische Vor- und Nachbereitung mittels Lehrvideos ergänzt.
Im Rahmen des digitalen Lehrinnovationsprojektes DEDICATE (DEveloping DIgital Concepts for individual inclined learning, just in time teaching And TEsting), eine Förderung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre und des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur zur Entwicklung und Förderung der digitalen Lehre, wurde zudem ein digital unterstützter Unterricht am Krankenbett konzipiert und für die Augenheilkunde an der MHH umgesetzt.
Das Lehrkonzept Ophthalmologie der MHH gliedert sich wie folgt:
Ein verpflichtendes 3‑tägiges Seminar von je 2 h täglich in Präsenz zur Vermittlung praktischer Untersuchungsmethoden, dem Lehrvideos zu diesen Fähigkeiten im Selbststudium von je 1 h täglich verpflichtend vorausgehen. Anschließend besteht die Möglichkeit zur praktischen Anwendung in der Klinik sowie zur theoretischen Vertiefung des Erlernten über die ILIAS-Plattform.
3.
Mindestens 2 Pflichttermine Unterricht am Krankenbett mit verpflichtender digitaler Vor- und Nachbereitung, buchbar über die Unterricht am Patienten-Application (UAPP, TeachTek, Paderborn). Sowohl die Anwesenheit als auch der erfolgreiche Abschluss der jeweiligen Einheiten werden hierbei digital über die App und die verknüpfte ILIAS-Plattform erfasst.
4.
Freiwilliges Repetitorium Ophthalmologie, das am Ende des Kurses als digitales Video abgerufen werden kann.
Zur Neugestaltung des Blended-Learning-Lehrkonzepts Ophthalmologie wurden
a.
relevante zentrale Arbeitsbereiche durch Fachexpert*innen identifiziert, mit den Lernzielen des NKLM abgeglichen und als Vortragsaufzeichnung den Studierenden über das Lernmanagementsystem der MHH ILIAS zur Verfügung gestellt,
b.
Kerntätigkeiten, Behandlungsanlässe und Diagnostikmethoden im jeweiligen Arbeitsbereich erfasst und mit den Lernzielen des NKLM abgeglichen,
c.
Lehrvideos zur digitalen Vor- und/oder Nachbereitung der zu vermittelnden praktischen Untersuchungsmethoden realisiert und über das Lernmanagementsystem der MHH ILIAS bereitgestellt.
d.
4 Blended-Learning-Angebote zum Unterricht am Krankenbett konzipiert, digitale Lernmaterialien zur strukturierten Vor- und Nachbereitung des vor Ort stattfindenden praxisorientierten Unterrichts im Lernmanagementsystem der MHH ILIAS erstellt und in das digitale Buchungstool, die UAPP, integriert.
Die digitalen Lernangebote zum Unterricht am Krankenbett sollten neben didaktischen Aspekten in Bezug auf Lernfortschritt, Lernstandskontrollen und angemessene Reflexion des Gelernten auch Informationen zu praktischen Aspekten der Umsetzung enthalten (Informationen für Studierende zu Treffpunkt, Materialien, Teilnahmeregelungen, Transparenz der Lernziele, Ansprechpartner).
Nach Etablierung des digitalen Lehrkonzepts Ophthalmologie der MHH wurde dieses in einer Kohorte pilotiert. Erfahrungen der Nutzenden wurden nach Teilnahme an der Veranstaltung über das eLearning-System ILIAS per digitaler Evaluation erfasst. Umfragen unter den Lehrenden sowie Erfahrungen in der praktischen Umsetzung wurden evaluiert.
Methodischer Aufbau des neuen digitalen Lehrkonzepts
Der neu gestaltete nationale kompetenzbasierte Lernzielkatalog NKLM 2.0 fordert neben theoretischen Kenntnissen in der Breite zusätzliche Kompetenzen, die ein gezieltes und klares Lehrkonzept aus theoretischen und praktischen Einheiten auf verschiedenen Niveaus voraussetzen [4]. Der NKLM ist in Konsultationsanlässe, Erkrankungen sowie übergeordnete und krankheitsbezogene Lernziele gegliedert. Aus diesen wurden die theoretischen und praktischen Einheiten des Unterrichts abgeleitet.
Wir gliederten die geforderten Lernziele in 3 Bereiche:
1.
theoretisches Wissen,
2.
praktische Fertigkeiten und Untersuchungsmethoden,
3.
patientennahe Lehre am Krankenbett.
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Diese 3 Bereiche fordern unterschiedliche Vermittlungsstrategien. Zur Erlangung theoretischen Wissens gestalteten wir die digitale Vorlesung. Praktische Fähigkeiten wurden im Seminar vermittelt. Die patientennahe Lehre erfolgte im Rahmen des Unterrichts am Krankenbett. Für die Umsetzung jedes Bestandteiles der Lehre wurden digitale Angebote genutzt.
Theoretisches Wissen/Vorlesung
Die theoretischen Kenntnisse, die als Basis der Augenheilkunde sowie für die weitere handlungsorientierte Lehre essenziell sind, wurden im Rahmen der digitalen On-demand-Vorlesung vermittelt. Das bedeutet, dass die Studierenden, wann immer es ihnen in den Tagesablauf passt, die Vorlesung digital aufrufen können. Die Vorlesungen sind über die digitale Lehrplattform ILIAS zu erreichen. ILIAS ist eine weit verbreitete Lehrplattform, auf der digitale Inhalte, aber auch Terminliches und Konzeptstränge hinterlegt werden können. Die Studierenden loggen sich ein und bewegen sich auf die Einheit Augenheilkunde. Dort sind das Lehrkonzept sowie die digitalen Inhalte strukturiert hinterlegt. Die Vorlesungen können vom PC sowie von portablen Endgeräten abgerufen werden und so beispielsweise auch in der Bahn gehört werden.
Die im NKLM geforderten Lernziele wurden in 13 Einheiten gegliedert. Diese waren konkret: Einführung in die Augenheilkunde, Anatomie, Kornea, Katarakt, Neuroophthalmologie, Strabologie und Kinderophthalmologie, okuläre Tumoren, Trauma, Glaukom, Retinologie mit diabetischer Retinopathie, Amotio retinae, altersabhängige Makuladegeneration (AMD) und Makulopathien sowie Gefäßverschlüsse.
Zu jeder Einheit wurden digitale Vorlesungen von jeweils 1 h Dauer erstellt und über das Lernmanagementsystem der MHH für die Studierenden bereitgestellt (s. Abb. 1).
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Eine Umfrage des Dekanats der MHH unter den Studierenden im Frühjahr 2023 brachte eine Zustimmung zur rein digitalen Vorlesung von > 80 %. Die Vorlesung der Universitätsklinik für Augenheilkunde wurde folglich ab dem Sommersemester 2023 – nach einer kurzen Phase der Präsenzvorlesung in der Post-Corona-Phase – wieder ausschließlich digital angeboten.
Praktische Fertigkeiten und Untersuchungsmethoden/Seminar
Die geforderten praktischen Anteile des ophthalmologischen Unterrichts wurden in 2 Kategorien geteilt, in praktische Fertigkeiten und praxisnahen Unterricht. Die praktischen Fertigkeiten sind grundlegende ophthalmologische Untersuchungsmethoden, die auch in außeraugenärztlichen Fächern von Relevanz sind. In einem 3‑tägigen, täglich 2 h dauernden Seminar mit maximal 20 Studierenden wurden praktische Untersuchungsmethoden vermittelt. Die lehrenden, zuvor geschulten Assistenz- und Fachärzt*innen wurden jeweils für die Unterrichtszeit vom klinischen Alltag befreit. In einem Rotationsprinzip wurden sie dem jeweiligen Seminar wochenweise zugewiesen. So wurden die jeweiligen Seminarteilnehmenden immer von denselben Lehrenden unterrichtet.
Zu den hier vermittelten praktischen Fertigkeiten gehörten sämtliche augenärztliche Untersuchungen, die ohne apparative Diagnostik durchgeführt werden können, beispielsweise Cover-Test, Swinging-Flashlight-Test, Augeninnendruckpalpation, Ektropionieren. Darüber hinaus wurden Untersuchungen an der Spaltlampe am Peer-Probanden, also an Mitstudierenden, vermittelt sowie die Fundoskopie am Dummy, einer Untersuchungspuppe, und am Peer-Probanden geschult. Das Seminar findet immer dienstags bis donnerstags von 8:00 bis 10:00 Uhr statt. Im Anschluss an das Seminar stand es den Studierenden frei, die erlernten Fähigkeiten in der Klinik am Patienten zu vertiefen.
Vor dem Seminar sowie seminarbegleitend stand der digitale Untersuchungskurs zur verpflichtenden Vorbereitung des Seminars sowie zur Wiederholung und Vertiefung des Erlernten den Studierenden über das Lernmanagementsystem der MHH, ILIAS, jederzeit zur Verfügung (s. Abb. 1). Hier waren folgende Themen hinterlegt: Amblyopie, Bagolini-Test, Covertest, direkte Fundoskopie, Bindehautfremdkörperentfernung mit Ektropionieren, Motilitätsprüfung, Augennotfälle, Was macht eine/ein Orthoptistin/Orthoptist?, Pupille, Pupillenfunktion, Lichtreaktion, Spaltlampenuntersuchung und Visusprüfung.
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Ganz konkret wurden folgende Inhalte im Seminar vermittelt:
Tag 1: Okulomotorik, Motilität, Visus, Gesichtsfeld, Pupillomotorik
Strabismus, Plegie, Visusminderung;
Tag 2: Augeninnendruck, vorderer Augenabschnitt, Spaltlampe, Ektropionieren
Erkrankungen der Lider, der Hornhaut, der Iris und der Linse;
Tag 3: Fundus und Augenhintergrund
Gefäßverschlüsse, Diabetes, Glaukom, Amotio, Infektionen des hinteren Augenabschnitts und AMD.
Die Untersuchungsmethoden wurden „peer to peer“, also an den jeweiligen Mitstudierenden, unter Anleitung erfahrener Assistenzärzt*innen erprobt und geschult. Die Pathologie wurde dann mittels Bildern und Videos mit konkretem Bezug zu den Untersuchungsmethoden verdeutlicht.
Patientennahe Lehre/Unterricht am Krankenbett
Der praxisnahe Unterricht, also der Unterricht am Krankenbett, stellte eine besondere Herausforderung dar. Hier wurden in einer interprofessionellen Arbeitsgruppe (Didaktik, eLearning, Fachärzte/Fachärztinnen) 4 Arbeitsbereiche der Universitätsaugenklinik identifiziert, die anhand von Blended-Learning-Angeboten, also einer Verbindung digitaler Lernmethoden mit der praktischen Anwendung, intensiviert in die Lehre eingebunden werden konnten (Tab. 1).
Tab. 1
Arbeitsbereiche der Universitätsaugenklinik mit Bezug zu Lehr-Lern-Gelegenheiten entsprechend dem Nationalen Kompetenzorientierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM)
Arbeitsbereich
Konsultationsanlässe/Leitsymptomea
Lernziele (Auszug)a
Ophthalmologische Ambulanz
Notfälle in der Augenheilkunde: Entzündung, Trauma, Neuroophthalmologie
Häufigste Erkrankungen:
AMD, Diabetes, Glaukom
VI.09-01.1.9
Bindehauterkrankungen
VI.09-01.1.7
Hordeolum, Chalazion
VI.09-01.1.11
Hornhautfremdkörper
VI.09-01.1.12
Glaukom
VI.09-01.1.18
Makulaerkrankungen
VI.09-01.1.21
Diabetes
VI.09-01.1.17
Gefäßerkrankungen
VI.09-01.1.26
Augenbewegungsstörungen
Ophthalmologischer Operationsbereich
Standardoperationen der Augenheilkunde:
Kataraktoperation, Vitrektomie
VI.09-01.1.13
Katarakt
VI.09-01.1.16
Ablatio retinae
VI.09-01.1.8 Bulbusverletzungen
Ophthalmologische Station/postoperative Visite
Stationäre Augenheilkunde:
Entzündung, Tumor, postoperative Versorgung
VI.09-01.1.15
Endophthalmitis
VI.09-01.1.14
Uveitis
VI.09-01.1.24
Tumoren
VI.09-01.1.10
Hornhauterkrankungen
Ambulantes Operieren in der Ophthalmologie
Ambulante Operationen wie Operationen der Augenlider, intravitreale operative Medikamenteneingabe (IVOM)
Das angewandte Blended-Learning-Konzept aus asynchroner Vorbereitung durch die Studierenden, synchroner praxisorientierter Unterrichtsveranstaltung vor Ort und asynchroner Nachbereitung durch die Studierenden ist in Abb. 2 illustriert.
Abb. 2
Blended-Learning-Konzept zur Verknüpfung digitaler Vor- und Nachbereitung mit der Präsenzveranstaltung des Unterrichts am Krankenbett vor Ort
Ganz konkret müssen die Studierenden – idealerweise während des im Stundenplan vorgesehenen Zeitrahmens für das Fach Augenheilkunde – die digitale Vorbereitung absolvieren, um dann am Unterricht am Krankenbett teilnehmen zu dürfen. Dies wird anhand von digitalen Klick-Zertifikaten überprüft. Anschließend erfolgt eine Lernerfolgskontrolle, wieder digital binnen Frist von 14 Tagen, die an das ILIAS-Portal gesendet und digital ausgewertet wird. Das Blended-Learning-Konzept für den Unterricht am Krankenbett wurde im Rahmen des Projektes DEDICATE entwickelt und eingeführt. Das DEDICATE-Projekt war ein öffentlich gefördertes Projekt der MHH zur Entwicklung und Implementierung digitaler Lernformate. Hierbei wurden konzeptionell folgende Schwerpunkte festgelegt:
1.
Erarbeitung der Inhalte durch Fachexpert*innen,
2.
einheitliches Layout zur Erleichterung der Orientierung,
3.
Einbindung organisatorischer Informationen an einheitlicher Stelle,
4.
transparente Angabe der Lernziele,
5.
Einbindung von Lernstandskontrollen zum Abschluss der Vorbereitung und einer Reflexionsaufgabe zum Abschluss der asynchronen Nachbereitung.
Die Bereitstellung von Vor- und Nachbereitungsmaterialien erfolgte über das Lernmanagementsystem der MHH im ILIAS (Abb. 3). Im Rahmen der individuellen und asynchronen Vorbereitung des Unterrichts am Krankenbett mussten die Studierenden video- und textbasierte theoretische Vorbereitungen absolvieren. Erst nach erfolgreichem Abschluss war die Buchung eines Zeitslots Unterricht am Krankenbett möglich. Diese Zeitslots waren personengebunden über ein Buchungstool, die UAPP (Unterricht am Krankenbett-App, TeachTek, Paderborn), buchbar (Abb. 4). Die Anwesenheit der Studierenden wurde über einen zur individuellen Buchung automatisch erstellten QR-Code gescannt und bestätigt. Die 4 unterschiedlichen UAPP-Kurse wurden während des Semesters digital angeboten. Bei 4 Bereichen à bis zu 4 Studierenden in jeweils 2 Gruppen pro Bereich waren dies 16 Lernmöglichkeiten pro Tag, die nicht alle täglich wahrgenommen worden sind und somit ausreichend waren. Im Anschluss erfolgten eine verpflichtende Lernstandskontrolle (Multiple-Choice-Fragen) sowie digitale Reflexionsaufgaben, die Bezug auf die Lehr-Lern-Situationen im jeweiligen Arbeitsbereich nahmen. Ohne die 2 verpflichtenden UAPP-Termine gab es keine Zulassung zur Hauptklausur.
Abb. 3
Strukturierte Aufbereitung von Materialien zur Vor- und Nachbereitung sowie Integration organisatorischer Informationen zur Erleichterung der Durchführung
Abb. 4
App-basiertes Planungstool (UAPP [Unterricht am Patienten-Application]). Die gewünschten Einheiten des Unterrichts am Krankenbett sind hierüber und nur nach Abschluss der verpflichtenden Vorbereitung buchbar. Das Angebot ist über das gesamte Semester täglich verfügbar, „first come, first serve“
Nach erfolgreichem Abschluss und Abgabe der Reflexion erzeugte das System ein digitales Zertifikat, das als Nachweis der erfolgreichen Teilnahme diente, wodurch papiergeführte Listen entfielen. Zwei von 4 Einheiten waren verpflichtend.
Ergebnisse
Evaluation, Vergleich zum alten Lehrkonzept
Im Wintersemester 2023/2024 wurde das neue Blended-Learning-Lehrkonzept der Universitätsklinik für Augenheilkunde mit Studierenden des 4. Studienjahres pilotiert. Insgesamt nahmen 63 Studierende (27 ohne und 36 mit dem neuen Lehrkonzept) an einer Umfrage zur Unterrichtsveranstaltung teil. Hierbei wurden Umsetzung, Lernerfolg und Digitalisierung abgefragt. Die Anzahl der an der Umfrage teilnehmenden Studierenden war hierbei gering, da wir an der MHH in Quintilen ausbilden und somit die Studienjahre auf 5 Kohorten verteilen.
Die Fragen zum Feedback wurden in 5 Bereiche gegliedert:
1.
eine Kurzbewertung ermöglichte eine globale kurz gehaltene Evaluation des Moduls Augenheilkunde,
2.
eine Evaluation zur Interaktion von Lehrenden und Studierenden,
3.
Fragen zur konkreten Patienteneinbindung,
4.
eine Evaluation zu den Arbeitsmaterialien, des Lehrformats und der Prüfung,
5.
eine Evaluation zu den Modulanforderungen an die Studierenden.
Die Kurzevaluation wurde von der überwiegenden Mehrheit der Studierenden absolviert. Die folgenden Fragen waren hier konkret zu beantworten.
Wie beurteilen Sie das Modul insgesamt (es gilt das Punktesystem der gymnasialen Oberstufe)?
Im Durchschnitt würde ich die am Modul beteiligten Lehrenden mit … Punkten bewerten (es gilt das Punktesystem der gymnasialen Oberstufe)
Die Lehrenden förderten die Mitarbeit/Nachfragen der Studierenden
Das Modul hatte einen strukturierten Aufbau
Das Modul hat mir geholfen, die Grundlagen des Faches zu verstehen
Das fachliche Niveau des Moduls war für mich
Die bereitgestellten Arbeitsmaterialien haben es mir erleichtert, die Lernziele des Moduls zu erreichen
Die durchweg positiven Beurteilungen des neuen Unterrichtkonzepts in der Kursevaluation führten zu einer Bewertung der Augenheilkunde als „Rising-Star“ im Vergleich zu allen Fächern des Medizinstudiums an der MHH. Dieser Titel eines aufstrebenden Fachbereiches spiegelt sich in der gestiegenen Bewertung um 10 Ränge nach oben wider (von Rang 36/46 auf Rang 26/46). Die Zufriedenheit der Lernenden bezüglich der digitalen Lehre stieg signifikant (p = 0,006) von einer Schulnote 2 im Median (2. Quintil = 2, 3. Quintil = 3; n = 27) bei den Studierenden ohne das neue Lehrkonzept auf eine 1 im Median (2. Quintil = 1, 3. Quintil = 2; n = 36) nach Einführung des neuen Lehrkonzepts.
Die Lehrenden evaluierten das neue Konzept als verständlich, effizient und sehr ressourcensparend. Die jetzt deutlich reduzierte Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden durch den Wegfall der Präsenzvorlesung wurde lediglich in einem einzigen Einzelkommentar als Kritikpunkt geäußert.
Im Anschluss an die Kurzevaluation gab es die Möglichkeit, differenziert zu evaluieren, diese Möglichkeit nutzte ca. ein Drittel der Studierenden. Die Vorlesung erfolgte ausschließlich digital. Diese Digitalisierung wurde von den Studierenden als positiv aufgenommen. Die Möglichkeit, die asynchronen On-demand-Vorlesungen in den persönlichen Tagesablauf einzuplanen, wurden in der Evaluation besonders hervorgehoben. Ein Kritikpunkt war die teilweise schlechte Tonqualität der digitalen Vorlesungen. Dies wurde im Nachgang aufgenommen. Die Vorlesungen konnten neu eingesprochen werden. Hier zeigte sich das Feedback über die digitale Funktion der Rückmeldung als sehr hilfreich.
Das Seminar zum Erlernen der Untersuchungsmethoden, verbunden mit der digitalen Vorbereitung, wurde mit der medianen Schulnote 1 (min. 3, max. 1) bewertet. In der studentischen Evaluation wurde der persönliche Einsatz der dozierenden Assistenzärzt*innen besonders gelobt.
Die Evaluation des Blended-Learning-basierten Unterrichts am Krankenbett wurde ebenfalls mit einer 1 benotet und als besonders wertvoll bewertet. Hierbei wurde die digitale Vorbereitung mit einem anschließenden Unterricht am Krankenbett, maximal in 1:2-Betreuung, der individuell terminiert werden kann, als besonders innovativ und nutzbringend beurteilt.
Die Pilotierung erwies sich als verständlich und gut durchführbar. Nach einer initialen Informationsmail an die Studierenden kam es lediglich zu 4 Verständnisfragen bezüglich des Ablaufs.
Kritisch bewertet wurde ein Mangel an individualisiertem Feedback der Lehrenden direkt an die Studierenden.
Im Vergleich zur neuen Lehre hatte das alte Lehrkonzept einen analogen Schwerpunkt. Die Vorlesung erfolgte in Präsenz. Hierzu wurden die lehrenden Oberärzt*innen vom klinischen Alltag für die Zeit der Vorlesung befreit. Das Seminar erfolgte in ähnlicher Form, wie oben geschildert, allerdings gab es keine digitale Vor- und Nachbereitung der praktischen Einheiten. Der Unterricht am Krankenbett wurde stets im Anschluss an das praktische Seminar durchgeführt. Es gab hierzu keine Vor- oder Nachbereitung für die praktischen Inhalte. Die Studierenden wurden im Anschluss an das Seminar Assistenzärzt*innen der einzelnen Bereiche zugewiesen und dort patientennah unterrichtet. Dieses durchaus übliche analoge Lehrkonzept war insbesondere im Hinblick auf die praktischen Fertigkeiten wenig strukturiert und weniger klar nachvollziehbar. Die Anforderungen des NKLM an die praxisnahe Lehre wurden hierin nicht explizit berücksichtigt.
Das neue Lehrkonzept macht sich im klinischen Alltag für die Mitarbeitenden der Augenklinik insofern bemerkbar, dass es zu mehr Besuchen Studierender in den Bereichen des direkten Unterrichts am Patienten, also in der Poliklinik, auf der Station und im Operationssaal kommt, aber jeweils weniger Teilnehmende pro Einheit anwesend sind. Die Abwesenheit von Oberärzt*innen im Rahmen der Vorlesung entfällt. Die Lehre kann so in den klinischen Alltag viel breitflächiger sowohl räumlich als auch zeitlich bei einem idealen Betreuungsverhältnis von 1:1 oder 1:2 gut strukturiert implementiert werden.
Die lehrenden Assistenzärzt*innen und Fachärzt*innen sind weiterhin im Seminar gebunden. Der Unterricht am Krankenbett hingegen findet parallel zur eigentlichen Patientenversorgung statt. Diese wird hierdurch während der Seminardoppelstunde geplant etwas verlangsamt. Die dadurch bessere und eindeutigere Strukturierung der Lehre und die Reduktion des selektiv für die Lehre gebundenen ärztlichen Personals finden in der Lehre eine hohe Akzeptanz.
Die Erarbeitung und Umsetzung des Konzepts in unserer Augenklinik hat in etwa 2 Jahre an der Augenklinik in Anspruch genommen. Die grundlegende Erschaffung des Online-Planungstools, der UAPP, hatte schon wenige Jahre zuvor im Rahmen des DEDICATE-Projekts begonnen. Die Kosten zur Erstellung des neuen Konzepts mit der digitalen Umsetzung wurden teilweise vom Projekt getragen. Die Erstellung der Videos, Vorlesungen und digitalen Einheiten war im Wesentlichen eine Leistung der Lehrenden der Abteilung. Dieses war aufwendig, führt aktuell aber zu der oben genannten Einsparung an Personal und Ressourcen – bei trotzdem gesteigerten Inhalten. Die daraus erhofften verbesserten Leistungen der Studierenden in zukünftigen Examina bleiben abzuwarten.
Diskussion
Ziel der Arbeit war es, ein pilotiertes digital integriertes Lehrkonzept bestehend aus Vorlesung, Seminar und Unterricht am Krankenbett an der Universitätsklinik für Augenheilkunde der Medizinischen Hochschule Hannover zu etablieren und zu evaluieren. Dies scheint auf Basis der Rückmeldung unserer Studierenden gelungen zu sein.
Diese Arbeit veranschaulicht die Vorteile der Verknüpfung von digitaler mit analoger Lehre im Sinne des Blended Learning. Eine konsequente Umsetzung der Digitalisierung ermöglicht eine intensivere, umfangreichere und dennoch sehr direkte Lehre der Augenheilkunde. In Zeiten des Personalmangels und der zunehmenden Belastung der universitären Augenheilkunde [7] erscheint die Integration digitaler Inhalte in eine universitäre Lehre zielführend und unerlässlich [4].
Im Rahmen des Lehrkonzepts Augenheilkunde der MHH haben die Studierenden konkret eine digitale On-demand-Vorlesung aus 13 Einheiten, ein digital vor- und nachbereitetes 3‑tägiges Seminar zur Erlangung von ophthalmologischen Fertigkeiten bzw. Untersuchungstechniken und digital vor- und nachbereiteten Unterricht am Krankenbett zu absolvieren.
Die Umsetzung der digitalen Lehre in der Universitätsaugenklinik basiert auf einer Kompetenz- und Lernziel-orientierten Didaktik [2, 3]. Hierbei werden bereits heute Lehrende für diesen Schwerpunkt in der Didaktik sensibilisiert. Günstig erscheint die Anwendung dieses Konzeptes auch, da die ressourcenintensive Vermittlung von theoretischen Grundlagen als Voraussetzung für einen effektiven praxisorientierten Unterricht nun digital im Selbststudium, Lernenden-orientiert orts- und zeitunabhängig erfolgen kann. Die ungebundenen Ressourcen können so vermehrt für den praxisorientierten Unterricht am Patienten eingesetzt werden. Trotz des Mangels an Kapazitäten in der Klinik scheint sogar ein 1:1- oder 1:2-Hands-on-Unterricht am Krankenbett möglich. Die im NKLM geforderte praktische Lehre in Kleingruppen ist somit im Besonderen adressiert. Die verpflichtende Vorbereitung des Unterrichts am Krankenbett macht eine gezieltere praktische Lehre möglich. Transparente Lernziele stellen die didaktische Verknüpfung her.
Vorteilhaft erscheint es, den praxisorientierten Unterricht in definierten Bereichen in den Regelbetrieb zu integrieren, um bislang ungenutzte Lehr-Lern-Gelegenheiten verfügbar zu machen. So lässt sich der über die UAPP buchbare Unterricht am Krankenbett auch ganzjährig anbieten. Die Studierenden können sowohl ihren Pflichtteil als auch zusätzlichen praktischen Unterricht außerhalb des planmäßigen Moduls Augenheilkunde wahrnehmen. Die praxisnahe Augenheilkunde im Unterricht am Krankenbett lässt sich hier in 4 Hauptbereiche – die Ambulanz, die Station, den Operationssaal sowie das ambulante Operieren – teilen. Zukünftig soll auch der Bereich der Funktionsdiagnostik zusätzlich abgebildet werden.
Darüber hinaus können über das digitale Buchungstool (Ärzte stellen Angebote ein, Studierende buchen diese) jederzeit zusätzliche Begegnungen von Ärzten und Patienten für die Lehre verfügbar gemacht und von den Studierenden nach entsprechender Vorbereitung zum Kompetenzerwerb wie z. B. in der Notfallsprechstunde genutzt werden.
Die abschließende digitale Reflexion im Sinne der Repetition soll nachhaltiges Lernen fördern [8] und fokussiert die Auseinandersetzung mit dem Erlebten. Abschlussaufgaben mit Schwerpunkt auf die laienverständliche Erklärung von ophthalmologischen Notfällen oder häufigen Krankheitsbildern sensibilisieren zudem für wichtige Aspekte der Kommunikation mit Patienten v. a. im schriftlichen Bereich [9].
Die Evaluation des Lehrkonzepts der Universitätsklinik für Augenheilkunde der MHH bestätigt uns in der Entwicklung und Weiterentwicklung der digitalen Lehre.
Die Integration des neuen digitalen Lehrkonzepts Augenheilkunde der MHH schafft ein Plus an Lerninhalten und spart dennoch Ressourcen im Bereich der Lehrenden. So können die früher in der Vorlesung gebundenen Oberärzt*innen im klinischen Alltag bleiben und ihren zahlreichen weiteren Tätigkeiten nachgehen. Dieses ist insbesondere an der MHH wichtig, da aktuell im Rahmen des Reformstudienganges das Lehrjahr in Quintile aufgebaut ist, um eben die Lehre in kleineren Gruppen anbieten zu können. Das bedeutet allerdings auf der anderen Seite, dass das gesamte Curriculum mehrfach im Jahr seitens der Lehrenden zu durchlaufen ist und im alten Lehrkonzept erheblich Personal gebunden hat, was nicht für die Krankenversorgung zur Verfügung stand. Im neuen Konzept kann dieses Problem zum Vorteil aller Beteiligten ideal überwunden werden. Während des digital erweiterten Unterrichts am Krankenbett können die Lehrenden nun gezielt auf die einzelnen Studierenden eingehen und teilweise im 1:1-Unterricht beispielsweise einen weiterreichenden Einblick bei ophthalmologischen Operationen gewähren, die planmäßig durchgeführt werden. So werden der klinische Alltag und die studentische Lehre effizient und zielführend verknüpft. Es ist hierbei allerdings notwendig, die Studierenden und die Lehrenden zu sensibilisieren, die Möglichkeiten der digital erweiterten Lehre insbesondere im Praxisbereich auch zu nutzen.
Einschränkend ist anzuführen, dass die Auswertung des neuen Blended-Learning-Lehrkonzepts der Universitätsaugenklinik aufgrund der Neuheit des Konzepts aktuell noch klein und begrenzt ist. Eine zukünftige größere Auswertung, auch zur Machbarkeit der flächendeckenden verpflichtenden Umsetzung des Angebots, ist notwendig. Diese Auswertung lässt sich allerdings gut und einfach mit dem Tool des Blended Learning individuell im Rahmen der digitalen Nachbereitung ohne zusätzlichen Aufwand umsetzen. Sie ist notwendig, um Schwächen zu erkennen und zukünftig besser zu adressieren.
Ausblick
Das Blended-Learning-Konzept zur Verbesserung der studentischen Lehre in der Ophthalmologie hat sich in wesentlichen Anteilen in der Pilotphase bewährt. Zukünftig sind neben der Erweiterung der Kursmaterialien die Integration weiterer Lehrvideos (z. B. auch als Open Educational Resources, Eye Teacher der DOG [6]) und die genauere Beforschung der Kompetenzentwicklung vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, ob das neue Konzept auch in besseren Ergebnissen im Staatsexamen mündet. Zukünftig sollen zudem interdisziplinäre Lehrangebote (z. B. Pädiatrie + Ophthalmologie) etabliert werden, um den interdisziplinären Zusammenhang anhand von Leitsymptomen bzw. Vorstellungsgründen in der praxisorientierten Lehre abzubilden. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um langfristige Vorteile dieses Lehr-Lern-Konzeptes zu belegen.
Fazit für die Praxis
Neben der theoretischen Kenntnis des Fachs wird eine kompetenz- und praxisorientierte Lehre im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) abgebildet. Bei der Umsetzung sind zukünftig Universitätsaugenkliniken gefordert.
Als Antwort auf Ressourcen-bedingte Herausforderungen erscheinen Vorzüge digitaler und analoger Lehr-Lern-Formate sinnvoll kombinierbar.
Blended-Learning-Formate bieten die Möglichkeit, Theoriekenntnisse asynchron und „on-demand“ und praktische Fertigkeiten synchron zu vermitteln.
(Digitale) Lehrinnovationen und ein Austausch über diese sind zwingend erforderlich, um den Bedürfnissen steigender Studierendenzahlen und begrenzter Ressourcen gerecht zu werden.
Danksagung
Die Autoren danken Prof. Sandra Steffens und Dr. Marianne Behrends für die Unterstützung mit der UAPP sowie die ausführliche Korrektur des Manuskripts.
Förderung
Teile des vorgestellten Konzepts sind im Rahmen des Projektes DEDICATE (DEveloping DIgital Concepts for individual inclined learning, just in time teaching And TEsting) entstanden, das durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert wurde.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Tode, M. Haar, T. Rauscher, K. Hufendiek, K. Hufendiek, A.-L. Becker, C. Framme und U. Mücke geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Lehrkonzept Hannover Digital integrierte, Lernzielkatalog-orientierte Lehre an der Universitätsklinik für Augenheilkunde der Medizinischen Hochschule Hannover
verfasst von
PD Dr. med. J. Tode M. Haar T. Rauscher K. Hufendiek K. Hufendiek A.-L. Becker C. Framme U. Mücke
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