Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Anamnese
Ein 68-jähriger Patient wurde uns zur weiteren Abklärung bei seit 8 Tagen bestehenden linksseitigen Kopfschmerzen sowie zunehmender Bindehautchemosis und peribulbären, bis in die Stirn und den Oberkiefer ausstrahlenden Schmerzen am linken Auge und dem Verdacht auf eine Orbitaphlegmone überwiesen. Die Körpertemperatur lag anamnestisch stets im Normbereich, ein allgemeines Krankheitsgefühl bestand nicht. Der Schmerz sprach nicht auf die Einnahme von Diclofenac, Metamizol und Paracetamol an. Vier Wochen zuvor war am linken Auge des Patienten eine Netzhautablösung diagnostiziert worden, die mit der Anlage einer äquatorialen Cerclage behandelt wurde. Bis auf eine vorbekannte Myopie und Zustand nach Kataraktoperation beidseits zeigte sich eine unauffällige Augenanamnese. Bei den bekannten Komorbiditäten COPD und Polyneuropathie bestand eine Dauertherapie mit Cromoglicinsäure und Reproterol (Dosieraerosol), Tadalafil, α‑Liponsäure sowie Gabapentin.
Befund
Der bestkorrigierte Visus bei Erstvorstellung am betroffenen linken Auge betrug 0,2, am kontralateralen Auge zeigte sich ein unauffälliger Befund mit vollem Visus. Der Augeninnendruck lag in der Messung nach Goldmann im Normbereich (11 mm Hg). In der klinischen Untersuchung zeigte sich am linken Auge ein deutlich geschwollenes und gerötetes Lid mit temporal betontem, starkem Druckschmerz (bis 9 von 10 nach numerischer Rating-Skala) sowie Epiphora (Abb. 1). Die Motilität der Augen war in der klinischen Untersuchung frei, ein Augenbewegungsschmerz wurde verneint, und es zeigte sich eine unauffällige Pupillomotorik. Intraokular bestand ein geringer Vorderkammerreiz (Zellen 1+) sowie eine milde Vitritis (Zellen 1+). Funduskopisch zeigten sich eine stark ausgeprägte Eindellung nach Cerclage-Operation (Abb. 2) sowie geringgradige Pigmentepithelverschiebungen am hinteren Pol und der Aspekt einer dezenten vertikalen Netzhautfaltenbildung nasal der Fovea. In der optischen Kohärenztomographie (OCT) ließen sich eine dezente Faltenbildung insbesondere im Bereich der retinalen Nervenfaserschicht/Ganglienzellschicht (RNFL/GCL) und des retinalen Pigmentepithels (RPE) sowie eine hyperreflektive Veränderung auf Höhe der Fotorezeptorschicht zwischen Membrana limitans externa und RPE nachweisen (Abb. 3a).
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Diagnose
Aufgrund der Symptome und des klinischen Befundes bestand ein dringender Verdacht auf eine Entzündungsreaktion nach vorangegangener Cerclage-Operation. Die wesentlichen Differenzialdiagnosen in Bezug auf die Symptomatik des Patienten waren andere entzündliche Veränderungen wie z. B. eine Episkleritis oder Phlegmone. Um eine differenzialdiagnostisch mögliche bakterielle Infektion abzudecken, erhielt der Patient a priori als Therapie Cefpodoxim 200 mg per os 2‑mal täglich sowie zur Entzündungskontrolle 80 mg Prednisolon per os täglich. Zusätzlich verordneten wir Protonenpumpenhemmer als Magenschutz und Tramadol zur Schmerzlinderung. Bei weiterhin bestehender Symptomatik, vor allem starker Schmerzen beim Lesen ohne maßgebliche Besserungstendenz (leichte Abnahme des Bindehautreizzustands) trotz entzündungshemmender Therapie bestätigte sich der Verdacht eines String-Syndroms, einer selten beschriebenen Komplikation nach Cerclage-Operation.
Therapie und Verlauf
Zur kausalen Behandlung wurde die Cerclage nach Diagnosestellung explantiert. Intraoperativ zeigte sich eine deutlich posterior gelegene Cerclage. Diese konnte komplikationslos entfernt werden. In unmittelbarer Folge kam es zu einer starken Bulbushypotonie, welche die intravitreale Eingabe einer Elektrolytlösung erforderlich machte. Im postoperativen Verlauf zeigte sich innerhalb eines Monats eine deutliche Befundbesserung mit Abnahme der Kopfschmerzen, vollständigem Abklingen des Reizzustands und Anstieg des bestkorrigierten Visus am linken Auge auf 1,0 (Abb. 4a). Im Rahmen der nachfolgenden Kontrollen zeigte sich die Netzhaut konstant anliegend (Abb. 4b) sowie der Augeninnendruck stets normwertig. In den im postoperativen Verlauf durchgeführten OCT-Aufnahmen erwiesen sich die Netzhautveränderungen als komplett rückläufig. Nebenbefundlich ließ sich im Verlauf eine auch im Vergleich zum kontralateralen Auge nachweisbare Abnahme der Aderhautdicke erkennen (Abb. 3b), die sich jedoch, soweit beurteilbar, nicht auf das funktionelle Ergebnis auswirkte.
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Diskussion
Eine seit Jahrzehnten etablierte Behandlungsmöglichkeit der Netzhautablösung stellt die Buckelchirurgie dar. Hierbei wird entweder eine Plombe zur Eindellung der Sklera aufgenäht oder ein Silikonband zur zirkulären Umschlingung des Bulbus angelegt. Die letztgenannte Technik wurde maßgeblich von Schepens et al. [7] sowie von Arruga [1] geprägt. Prinzipiell basiert die Technik auf der Eindellung der Sklera und der hierdurch entstehenden Reduktion der Glaskörpertraktion zur verbesserten Wiederanlagerung der Netzhaut.
Vorbeschriebene mögliche Komplikationen des Eingriffs sind eine Myopisierung, Augeninnendruckveränderungen, die von einer Bulbushypotonie bis hin zu deutlich erhöhtem Augeninnendruck reichen können, Erosionsbildung durch die Cerclage, Strabismus, Infektion oder Katarakt [2, 8]. Unter anderem abhängig von der Lage der Cerclage sind Aderhautamotiones oder Nekrosen des vorderen Augenabschnittes möglich [6]. Eine seltene Komplikation ist das erstmals von Manson et al. beschriebene String-Syndrom, charakterisiert durch „Ödem der Lider, echte Proptosis des Bulbus, Chemosis der Konjunktiva, Uveitis und okuläre Hypotension“ (Übersetzung des englischen Originalwortlautes) sowie durch starke Schmerzen. Typischerweise beginnt das String-Syndrom zwischen dem 4. bis 19. postoperativen Tag. Im Verlauf kann es zu persistierenden, sekundären Veränderungen führen, die nach Ende der akuten Symptomatik bestehen bleiben. Es sind sogar Fälle mit vollständiger Ablösung der Netzhaut beschrieben [5].
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Die differenzialdiagnostische Abgrenzung des String-Syndroms zur Orbitaphlegmone oder anderen entzündlichen Veränderungen kann eine Herausforderung darstellen, da sich die Orbitaphlegmone mit ähnlichen Symptomen (Schwellung der Lider, Rötung, Ptosis, Chemosis, Schmerzen [9]) präsentiert.
Als Ursache des String-Syndroms werden in der Arbeit von Manson et al. eine Okklusion der venösen Gefäße sowie eine verminderte arterielle Blutzufuhr diskutiert [5]. Experimentell konnten Diddie et al. im Tierversuch an Albino-Kaninchen zeigen, dass die Anlage einer Cerclage den anterioren wie den posterioren uvealen Blutfluss verringert [3]. Übertragen auf menschliche Augen wiesen Lincoff et al. nach, dass der pulsatile okuläre Blutfluss (POBF) nach Anlage einer Cerclage, verglichen mit dem kontralateralen Auge (kein Zustand nach Cerclage-Operation), im Mittel auf 43 % abnimmt. Nach Entfernung der Cerclage erhöhte sich der POBF nach einem Monat auf 85,6 % ohne weitere Anstiegstendenz. Die Explantation der Cerclage hatte allerdings nur geringen Einfluss auf die Sehkraft des Auges im Beobachtungszeitraum von 26–49 Monaten [4].
Fazit für die Praxis
Das String-Syndrom als seltene Komplikation nach Anlage einer äquatorialen Cerclage äußert sich mit starken Schmerzen, Proptosis, Chemosis, Intraokularreiz und Hypotension.
Differenzialdiagnostisch müssen weitere Ursachen für eine Entzündungsreaktion ausgeschlossen werden.
Bestätigt sich die Verdachtsdiagnose, besteht die kausale Therapie des String-Syndroms in der raschen Entfernung der Cerclage.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
T.M. Stückler, T. Herold, C. Hintschich, J. Rüping, S.G. Priglinger und M.-J. Gerhardt geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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