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03.11.2021 | AV-Block | Nachrichten

Dreimal kollabiert

Vom Hoden zum Herzen – ungewöhnliche Ursache eines AV-Blocks

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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An eine sehr ungewöhnliche Ursache für einen AV-Block dritten Grades hatte ein kardiologisches Team aus Basel nach Ausschluss der üblichen Diagnosen gedacht. Die Ärzte hatten erfahren, dass der Patient in einem Risikogebiet für Borreliose lebte und sein Hoden offenbar Bekanntschaft mit einer Zecke gemacht hatten.

Warum er innerhalb kurzer Zeit gleich dreimal kollabiert war, konnte sich ein 54-jähriger Patient aus dem Raum Basel nicht erklären. Eigentlich war er vollkommen gesund, nahm keine Medikamente ein und ging regelmäßig joggen. In der Notaufnahme der Universitätsklinik Basel waren die Ärzte denn auch erstaunt, eine so gravierende Ursache für die Blackouts zu finden: Der Mann hatte einen AV-Block dritten Grades, mit einem regelmäßigen Kammerersatzrhythmus von 33 Schlägen pro Minute. Der Blutdruck war allerdings mit 114/71 mmHg normal, Fieber hatte er keines und in Ruhe auch keine nennenswerte Bradykardie. Im Herzecho konnte eine strukturelle Herzerkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, außerdem deutete nichts auf eine Ischämie hin. Das Kardio-MRT schließlich zeigte keine Hinweise auf entzündliche Prozesse.

Da der Patient hämodynamisch stabil war, entschieden sich die Kardiologen, erst einmal keinen Schrittmacher zu implantieren und lieber einer anderen potenziellen Genese für den AV-Block auf die Spur zu gehen: Da man sich in einem Gebiet mit hoher Borrelioseinzidenz befand und der Patient gern im Wald joggte, tippten sie auf eine Lyme-Karditis. Und tatsächlich, im Immunassay waren die Titer für Borrelien-IgG und -IgM massiv erhöht (64 AU/ml bzw. > 180 AU/ml); dies konnte im Western-Blot bestätigt werden.

Wanderröte an delikater Stelle

Auf Nachfrage kam dann auch heraus, wie der Mann sich die Borrelieninfektion wohl eingefangen hatte: Vor einigen Wochen habe er nach dem Joggen lange im Auto gesessen, danach habe er einen Ausschlag mit Rötung am Hoden bemerkt. Dass es sich um eine für das Borreliose-Frühstadium charakteristische Wanderröte handeln könnte, war ihm nicht in den Sinn gekommen.

Auf die Verdachtsdiagnose hin wurde in der Klinik eine intravenöse Therapie mit Ceftriaxon begonnen. Um sicherzugehen, falls der Patient doch plötzlich instabil werden sollte, verlegte man ihn zur Überwachung auf die Intensivstation.

Lyme-Karditis löste Synkopen aus

Mit der Lyme-Karditis als Ursache für die Reizleitungsstörung hatten die Ärzte anscheinend richtiggelegen: Schon am nächsten Tag war aus dem drittgradigen ein intermittierend zweit- bzw. erstgradiger AV-Block geworden. Da es immer noch vereinzelt zu Episoden mit einer Frequenz von unter 30 Schlägen pro Minute kam, wurde dem Mann im Folgenden eine kontinuierliche Isoprenalin-Therapie verabreicht. Diese konnte an Tag 5 gestoppt werden. An Tag 6 gab es schon keine PQ-Intervalle über 300 ms mehr. Daher stellte man die antibiotische Therapie jetzt auf orales Doxycyclin um. 

Nach insgesamt zwölf Tagen in der Klinik konnte der Mann mit stabilem erstgradigem AV-Block und einem PQ-Intervall von 244 ms entlassen werden. Das Antibiotikum nahm er danach noch neun Tage weiter.

Zur Wiedervorstellung nach drei Monaten erschien der Patient ohne kardiale Symptome. Auch im EKG deutete nichts mehr auf die überstandene Lyme-Karditis hin.

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Literatur

Lee G et al. A rare and reversible cause of third-degree atrioventricular block: a case report. European Heart Journal – Case Reports 2021; https://doi.org/10.1093/ehjcr/ytab372

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