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Erschienen in: Die Gynäkologie 2/2022

Open Access 08.11.2021 | Mangelernährung | Leitthema

Bariatrische Operationen und Schwangerschaft

verfasst von: Laura Flükiger, Andreas Thalheimer, Diana Vetter, Jeannette Widmer, Ralf Joukhadar, Prof. Dr. Marco Bueter

Erschienen in: Die Gynäkologie | Ausgabe 2/2022

Zusammenfassung

Hintergrund

Bariatrische Operationen werden weltweit immer häufiger und somit zunehmend an Frauen in reproduktionsfähigem Alter durchgeführt. Das rückt postbariatrische Schwangerschaften mitsamt den damit verbundenen therapeutischen und diagnostischen Besonderheiten automatisch in den Fokus der Gynäkologie.

Fragestellung

Es soll der aktuelle Wissensstand zum Thema bariatrische Chirurgie und Schwangerschaft mit entsprechenden Handlungsempfehlungen gegeben werden.

Material und Methode

Vor dem Hintergrund der verfügbaren Literatur und der klinischen Erfahrung der beteiligten Autoren wurden die wichtigsten Aspekte zusammengefasst.

Resultate

Schwangerschaften nach bariatrischen Operationen kommen immer häufiger vor und erfordern im Falle einer Schwangerschaft gute Kenntnisse der unterschiedlichen Operationstechniken und der sich daraus ergebenden therapeutischen und diagnostischen Konsequenzen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf das engmaschige Monitoring verschiedener Mikronährstoffe gelegt werden, wobei der Zeitpunkt der Schwangerschaft nach bariatrischer Operation eine wichtige Rolle spielt. Die Diagnose einer inneren Hernie nach Magenbypass ist anspruchsvoll und in Verdachtsfällen sollte frühzeitig mit einem erfahrenen adipositaschirurgischen Zentrum Kontakt aufgenommen werden.

Schlussfolgerung

Grundsätzlich ist eine postbariatrische Schwangerschaft für Mutter und Kind unbedenklich, solange eine professionelle und fachgerechte Betreuung der Mütter gewährleistet werden kann.
Hinweise

Redaktion

Klaus Vetter, Berlin
Nicole Ochsenbein-Kölble, Zürich
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Die bariatrische Chirurgie ist aktuell die Therapie der morbiden Adipositas, die nicht nur den größten, sondern auch den langfristigsten Gewichtsverlust induziert und deshalb mittlerweile einen festen Platz in den Therapiealgorithmen einnimmt. Über die Hälfte der Patienten, bei denen ein bariatrischer Eingriff durchgeführt wird, sind Frauen in reproduktionsfähigem Alter [39]. Deshalb kommt es in vielen Fällen zu postbariatrischen Schwangerschaften. Für einen guten Verlauf ist es dabei wichtig, dass diese Patientinnen individuell von einem spezialisierten und interdisziplinären Team mit besonderer Aufmerksamkeit betreut und unterstützt werden. Im folgenden Text werden die dafür wichtigen Aspekte vorgestellt und erläutert.

Hintergrund

Adipositas ist weltweit ein zunehmendes gesundheitliches Problem. Seit 1975 hat sich der Anteil der adipösen Bevölkerung global verdreifacht. Laut WHO (World Health Organization) werden Übergewicht und Adipositas als ein Überschuss an Fetteinlagerung durch Ungleichgewicht zwischen Kalorienkonsum und -verbrauch definiert. Gemessen und quantifiziert wird der Schweregrad der Adipositas durch den Body-Mass-Index (BMI = kg/m2). Dieser wird ab 25 als Übergewicht und ab 30 als Adipositas eingestuft [41]. Die zurzeit effizienteste Therapie des schweren Übergewichtes ist die bariatrische Chirurgie. Diese erzielt einen größeren und länger anhaltenden Gewichtsverlust als konservative Methoden. wie z. B. Sport und Diät, welche lediglich eine Erfolgsrate von 4 % aufweisen [21]. Die Lebenserwartung steigt nach chirurgischen Eingriffen [5], und die Lebensqualität der Patienten wird signifikant verbessert [6].
Bariatrische Eingriffe erhöhen Lebenserwartung und Lebensqualität
Entsprechend interessieren sich immer mehr adipöse Patienten für einen bariatrischen Eingriff. Dies spiegelt sich in der Entwicklung der Operationszahlen entsprechend wider: Zwischen 2008 und 2018 hat sich die Anzahl der weltweit durchgeführten bariatrischen Eingriffe mehr als verdoppelt und erreichte insgesamt 696.191 Operationen. Damit zählen bariatrische Operationen zu den am häufigsten durchgeführten Eingriffen der Viszeralchirurgie [3].
In Schweden sind 75 % der Patienten, die sich einem bariatrischen Eingriff unterziehen, weiblich, die Hälfte der Patientinnen befindet sich zum Zeitpunkt der Operation im reproduktionsfähigen Alter [22]. Ähnliche Zahlen werden aus Großbritannien berichtet: Auch dort sind 50 % der bariatrischen Patientinnen zwischen 18 und 45 Jahren alt [11].

Etablierte operative Verfahren

Roux-en-Y-Magenbypass

Der Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) ist die in Westeuropa am häufigsten durchgeführte bariatrische Operation [39]. Das Prinzip des RYGB ist die Trennung von Speisebrei und Verdauungssäften im oberen Gastrointestinaltrakt (Abb. 1). Dazu wird eine kleine Magentasche direkt unterhalb des ösophagogastralen Übergangs vom restlichen Magen abgetrennt. Der Restmagen, der somit nicht mehr in der Nahrungspassage liegt, verbleibt in situ. Das Jejunum wird anschließend ca. 70 cm aboral der Flexura duodenojejunalis (Treitz-Flexur) durchtrennt und als sog. alimentärer Schenkel mit der Magentasche anastomosiert (sog. Gastrojejunostomie). Anschließend wird der proximale Abschnitt des Jejunums, in welchem die Verdauungssäfte ohne Kontakt zum Nahrungsbrei transportiert werden (sog. biliopankreatischer Schenkel) ca. 150 cm aboral der Gastrojejunostomie seit-zu-seit mit dem alimentären Schenkel des Jejunums verbunden. Damit resultiert eine klassische Roux-Y-Rekonstruktion, wie sie auch in der onkologischen Magenchirurgie genutzt wird.

Sleeve-Gastrektomie

Weltweit betrachtet ist die Sleeve-Gastrektomie (SG, Schlauchmagen) die am häufigsten durchgeführte bariatrische Operation (weltweit 46 % SG, 39 % RYGB; [39]). Hierbei werden ca. 90 % des Magenvolumens großkurvaturseitig reseziert, sodass nur noch ein schlauchförmiger Restmagen von ca. 80–100 ml Fassungsvolumen verbleibt (Abb. 2). Die anatomische Nahrungspassage und auch die Durchmischung mit den Verdauungssekreten werden durch diese Operation nicht verändert. Dieser Eingriff ist im Vergleich zur laparoskopischen RYGB technisch sicherlich einfacher, was zweifelsohne auch zu seiner umfänglichen Verbreitung weltweit beigetragen hat. Allerdings könnte es bald zu einer Trendwende kommen, da Schlauchmagenpatienten in relevantem Umfang Probleme mit gastroösophagealen Reflux erleiden können, sodass hier eine weitere Phase der Beobachtung angebracht erscheint [40].

Postbariatrische physiologische Wirkmechanismen

Mittlerweile gilt als gesichert, dass die Wirkung bariatrischer Operationsverfahren nicht allein auf mechanische Restriktion oder kalorische Malabsorption zurückzuführen ist, sondern vielmehr durch eine Vielzahl komplexer physiologischer Wirkmechanismen zu einer Gewichtsreduktion und einer Verbesserung der assoziierten Begleiterkrankungen führt. Die metabolischen Verbesserungen können dabei bereits unmittelbar nach der Operation und somit unabhängig vom erzielten Gewichtsverlust eintreten.
Zu den möglichen Mechanismen zählen veränderte Spiegel gastrointestinaler Hormone [5], ein gesteigerter Energieumsatz [4], Modifikationen in der Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms [14], ein veränderter Gallensäuremetabolismus [37] sowie eine veränderte Nahrungspräferenz der Patienten nach dem Eingriff [10].

Postoperative Ergebnisse: Gewichtsverlust und Begleiterkrankungen

Bariatrische Operationen bewirken bei der Mehrzahl der operierten Patienten nicht nur einen klinisch relevanten, sondern auch einen lang andauernden Gewichtsverlust. So kann innerhalb des ersten postoperativen Jahres der BMI durchschnittlich um etwa 11 Punkte reduziert werden, was einem absoluten Gewichtsverlust von durchschnittlich fast 30 % entspricht [39]. Über 70 % der Patienten weisen 10 Jahre nach RYGB-Anlage immer noch einen Gesamtgewichtsverlust von über 20 % auf [13].
Darüber hinaus kommt es in einer Vielzahl der Fälle zu einer deutlichen Besserung der metabolischen Begleiterkrankungen der Adipositas, was zur Begriffsbildung der „metabolischen Chirurgie“ geführt hat [26]. In zahlreichen prospektiven, randomisierten Studien ist die signifikante Therapieüberlegenheit der metabolischen Chirurgie im Vergleich zur konservativen Therapie demonstriert worden. Insbesondere in der Therapie des adipositasassoziierten Typ 2 Diabetes mellitus (T2DM) zeigen sich dramatische Therapieerfolge [20, 28]. So lässt sich erstmals in der Geschichte der Diabetestherapie eine suffiziente Einstellung der Blutzuckerparameter ohne jegliche Medikation erreichen. Diese Situation wird als Remission des T2DM bezeichnet. Basierend auf den uns zurzeit vorliegenden Daten ist die bariatrische Chirurgie/metabolische Chirurgie bei Patienten mit Adipositas und einhergehendem T2DM als Primärtherapie zu betrachten und darf betroffenen Patienten nicht mehr vorenthalten werden [26].
Bei Adipositas und T2DM darf die bariatrische Chirurgie Betroffenen nicht mehr vorenthalten werden
Neben der Besserung einer diabetischen Stoffwechsellage wurden auch positive Effekte eines chirurgisch induzierten Gewichtsverlustes auf kardiovaskuläre Risikofaktoren [1] sowie auf andere adipositasassoziierte Begleiterkrankungen berichtet, wie beispielsweise dem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS; [36]), Depressionen [12], dem obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS; [19, 39]) usw. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass Carlsson et al. kürzlich eine verlängerte Lebenserwartung für Patienten nach bariatrischer Chirurgie im Vergleich zu einer nichtoperierten Vergleichsgruppe zeigen konnten [6].

Schwangerschaft nach bariatrischer Chirurgie

Adipositas kann die Fertilität beeinträchtigen. Es kommt nicht selten vor, dass Frauen mit einem BMI > 30 kg/m2 keinen normalen Zyklus haben, wie in einer retrospektiven Kohortenstudie aus Großbritannien berichtet wurde. Als Ursache werden endokrine Dysbalancen vermutet, die eng mit dem metabolischen Syndrom verbunden sind [31]. Eine der häufigsten Ursachen dafür ist das PCOS, das ca. 16 % der Patientinnen zwischen 18 und 45 betrifft [11]. Beim PCOS präsentieren sich Hyperinsulinämie und hohe Androgenspiegel, die zu anovulatorischen Zyklen führen [22].
In den letzten Jahren wurden weltweit Schwangerschaften vermehrt in Frauen mit Status nach bariatrischem Eingriff beobachtet [23]. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen handelt es sich um eine logische Konsequenz der steigenden Zahl durchgeführter bariatrischer Operationen [39]. Eine weitere Ursache ist sicherlich eine veränderte und signifikant verbesserte postbariatrische Sexualfunktion, die sowohl bei Männern als auch Frauen beschrieben worden ist und mit dem erzielten Gewichtsverlust assoziiert ist [34]. Auch die Tatsache, dass viele adipöse Frauen, die vor einem bariatrischen Eingriff an Zyklusanomalien und damit verbundener Infertilität leiden, häufig auch nach dem Eingriff auf eine Empfängnisverhütung verzichten, spielt eine Rolle.
Was auch immer die Ursache ist, nach einem bariatrischen Eingriff normalisieren sich in Folge des erzielten Gewichtverlustes die Insulin- und Sexualhormonspiegel [22], was eine Ovulation erlaubt und die Fertilität verbessert und somit die Chance auf eine Schwangerschaft deutlich erhöht.
Grundsätzlich ist eine Schwangerschaft nach bariatrischer Operation sowohl für die Mutter als auch für das Kind unbedenklich. So wurden in einer großen schwedischen Registerstudie Schwangerschaften von Müttern nach bariatrischer Chirurgie mit denen von nichtoperierten adipösen Müttern verglichen [16]. Aus einer Gruppe von 627.693 Einlingsschwangerschaften im Zeitraum 2006–2011 identifizierten die Autoren 670 Schwangerschaften bei Frauen nach bariatrischer Chirurgie. Im Vergleich zu einer Alter- und BMI-gematchten Vergleichsgruppe zeigte sich dabei, dass postbariatrische Schwangerschaften mit einem signifikant geringeren Risiko für einen Gestationsdiabetes sowie einem hohen Geburtsgewicht („large for gestational age“, LGA), aber mit höherem Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht („small for gestational age“, SGA) assoziiert waren. Für das Risiko einer Frühgeburt, einer Totgeburt und eines Neugeborenentodes konnte hingegen kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen gefunden werden. Diese Ergebnisse wurden in einer Metaanalyse von Kwong et al. bestätigt. In ihrer Studie, in der 20 Studien mit insgesamt 2.789.081 Schwangerschaften und 8364 postbariatrische Schwangerschaften eingeschlossen wurden, fanden die Autoren keine signifikanten Unterschiede in der Inzidenz an Präeklampsie, Bedarf an neonataler intensivmedizinischer Betreuung, Totgeburten, Fehlbildungen oder Neugeborenentod im Vergleich zu schwangeren Frauen mit Adipositas [16].
Aktuell wird die Vermeidung einer Schwangerschaft für die ersten 12–24 Monate nach einem bariatrischen Eingriff empfohlen, da in diesem Zeitraum eine katabole Stoffwechsellage vorherrscht und mit dem größten Gewichtsverlust und dem höchsten Risiko für einen Mangel an Mikronährstoffen zu rechnen ist [15, 22]. Allerdings ist die wissenschaftliche Datenlage, die eine exakte zeitliche Empfehlung zum idealen Zeitpunkt einer postbariatrischen Schwangerschaft erlaubt, unbefriedigend. Einen guten Anhalt liefert hier die Arbeit von Parent et al., in der im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie in Washington State, USA, eine Assoziation zwischen der Inzidenz perinataler Komplikationen und dem Zeitpunkt der Schwangerschaft nach bariatrischer Operation gezeigt werden konnte [23]. Schwangerschaften von Müttern, deren bariatrischer Eingriff weniger als 2 Jahre zurücklag, waren mit einem höheren Risiko an Frühgeburten, Aufenthalt auf einer neonatologischen Intensivstation und SGA assoziiert als Schwangerschaften von Müttern, deren Operation mehr als 2 Jahre zurücklag.

Betreuung bei Schwangerschaft nach bariatrischer Chirurgie

Nährstoffe

Mikronährstoffmängel nach bariatrischen Operationen sind häufig und können daher die fetale Entwicklung unter Umständen negativ beeinflussen [30]. Häufig haben adipöse Patienten schon vor einer bariatrischen Intervention verschiedenste Nährstoffmangelkonstellationen infolge einer vorbestehenden Fehlernährung [8].
Idealerweise wird bei geplanter Schwangerschaft die Vitaminsupplementation bereits 3–6 Monate vor Konzeption angepasst, um mögliche vorbestehende Defizite zu beheben [31]. Dabei sollten die Supplemente nicht nur präkonzeptionell, sondern auch während der Gestationszeit konsequent eingenommen werden. Man empfiehlt insbesondere die fettlöslichen Vitamine sowie Vitamine B, Zink, Kupfer, Selen, Kalzium und Eisen zu supplementieren. Folsäure sollte zusätzlich, wie bei nichtbariatrischen Schwangerschaften, auch supplementiert werden. Makronährstoffe, wie Proteine mit genügend essenziellen Aminosäuren, sollten in der Ernährung zusätzlich gewährleistet sein [33]. Durch Schwangerschaftssymptome wie Hyperemesis ist es möglich, dass eine Nährstoffdefizienz verstärkt wird. In diesem Fall ist ein engmaschiges Monitoring der Vitaminspiegel sehr wichtig.
Generell ist es ratsam, sowohl während einer postbariatrischen Schwangerschaft als auch während der sich anschließenden Stillphase die Nährstoffversorgung mittels Laboruntersuchungen häufiger als bei einer nichtbariatrischen Schwangerschaft zu überwachen [30]. Die wichtigsten Mikronährstoffe, die dabei beachtet werden sollten, werden im Folgenden kurz detaillierter besprochen.

Eisen

Ein Eisenmangel tritt bei fast 50 % aller bariatrischen Patienten auf [33]. Die Ursachen sind ein veränderter pH-Wert im Magen durch geringere Säuresekretion nach SG oder bei Verwendung von Protonenpumpeninhibitoren sowie eine veränderte intestinale Nahrungspassage nach RYGB.
Im ersten Trimenon ist die parenterale Verabreichung von Eiseninfusionen kontraindiziert. Da orale Präparate nicht immer gut vertragen werden, lohnt es sich, schon bei der Planung einer Schwangerschaft die Eisenwerte zu messen und einen vorbestehenden Mangel zu korrigieren. Wenn orale Präparate eingesetzt werden, kann deren Resorption mit gleichzeitiger Einnahme von Vitamin C gesteigert werden.

Vitamine D und Kalzium

Der Bedarf an Kalzium steigt während der Schwangerschaft, denn das Kind ist während des Wachstums auf eine ausreichende Mineralisation der Knochen angewiesen. Wenn über die Nahrung eine ausreichende Zufuhr nicht erzielt werden kann, werden Mineralien aus der Knochenmasse der Mutter resorbiert, was nur durch angepasste Supplementierung verhindert werden kann. Auch in der Stillzeit werden 300–400 mg mehr Kalzium für die Milchproduktion benötigt [33].
Vitamin D ist wichtig für die Resorption von Kalzium aus der Nahrung und für die Regulierung der Serumkonzentration. Eine Supplementation von 800 IE ist Standard.

Folsäure

Die Folsäure spielt eine wichtige Rolle bei Wachstum und Zellteilung. Obwohl nach bariatrischer Chirurgie nicht häufiger Neuralrohrdefekte auftreten, werden die Patientinnen als Risikogruppe eingestuft [33]. Vor der Schwangerschaft und im ersten Trimenon wird eine tägliche Zufuhr von 5 mg über der üblichen Dosis empfohlen.

Vitamin B12

Ein Mangel an Vitamin B12 kann auch Neuralrohrdefekte und andere neurologische Schäden verursachen. Die Resorption von B12 ist vom „intrinsic factor“ (IF) abhängig, welcher in der Magenmukosa synthetisiert wird. Bei fast allen bariatrischen Eingriffen werden große Anteile des Magens entweder reseziert oder aus der Nahrungspassage ausgeschlossen, was entweder zu einer erniedrigten IF Sekretion oder zu einer verringerten Kontaktzeiten mit dem Speisebrei führt. Oral aufgenommenes Vitamin B12 ist daher durch eine reduzierte Bioverfügbarkeit gekennzeichnet, sodass es postbariatrisch bevorzugt intramuskulär verabreicht wird.

Thiamin (Vitamin B1)

Die Thiaminspeicher im Körper werden bei fehlender Zufuhr innerhalb kurzer Zeit geleert. Bariatrische Patientinnen haben ein erhöhtes Risiko für einen Thiaminmangel. In Kombination mit Hyperemesis gravidarum besteht die Gefahr einer Wernicke-Enzephalopathie [27]. Maßgeblich sind eine präventive Substitution, im Ernstfall eine frühzeitige Erkennung und schnelle Supplementierung, solange die Komplikation noch reversibel ist.

Innere Hernien nach Roux-en-Y-Magenbypass

Innere Hernien sind eine seltene, aber unter Umständen schwerwiegende Komplikation nach bariatrischer Chirurgie, insbesondere nach RYGB (Abb. 3). Je nach chirurgischer Technik liegt die Inzidenz bei 2–5 % [35].
Da es im Rahmen einer Schwangerschaft innerhalb kurzer Zeit zu relevanten Veränderungen der anatomischen Verhältnisse im Abdomen kommt, treten innere Hernien nach RYGB überwiegend im dritten Trimenon einer Schwangerschaft auf – dann, wenn das uterine Volumenwachstum am größten ist [38].
In dieser Situation ist eine frühe und gezielte klinische Diagnose entscheidend, um schwerwiegende Konsequenzen für den Fetus und die Schwangere zu vermeiden. Allerdings ist das klinische Bild einer inneren Hernie – vor allem in Kombination mit einer Schwangerschaft – sehr unspezifisch, und nicht selten werden innere Hernien in dieser Situation übersehen oder verspätet diagnostiziert. Zu den häufigsten Symptomen einer inneren Hernie zählen epigastrische Schmerzen mit Übelkeit und Erbrechen [9]. Schneider et al. berichteten, dass ein schneller und ausgeprägter Gewichtsverlust nach RYGB prädiktiv für die Entwicklung einer inneren Hernie nach RYGB sei und dass Patienten mit rapidem Gewichtsverlust ein 2fach erhöhtes Risiko für eine innere Hernie aufwiesen [29]. Mütter mit postbariatrischer Schwangerschaft und innerer Hernie weisen nur in etwa einem Drittel der Fälle eine Leukozytose und nur in etwa 10 % der Fälle ein erhöhtes Serumlaktat auf. Beide Marker erscheinen somit für die Diagnose einer inneren Hernie ungeeignet [2].
Auch in der bildgebenden Diagnostik bestehen relevante Einschränkungen hinsichtlich Eignung und Aussagekraft der verschiedenen Verfahren. Während der Ultraschall lediglich dazu dient, Differenzialdiagnosen, wie z. B. akute Cholezystitis, Appendizitis oder Urolithiasis, auszuschließen, kann eine Computertomographie (CT) aufgrund der Strahlenbelastung nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden [9]. In diesem Zusammenhang berichteten Nguyen und Goodman, dass eine Dosis von insgesamt 50 mGy nicht mit nachteiligen Auswirkungen für den Fetus assoziiert war [7].
Im Vergleich konnte für die Magnetresonanztomographie (MRT) als Alternativverfahren gezeigt werden, dass eine MRT im ersten Trimenon für den Fetus unbedenklich zu sein scheint, während die Durchführung einer Gadolinium-MRT das Risiko für rheumatologische, inflammatorische und infiltrative Hautveränderungen erhöhte [25].
Die Triade epigastrischer Schmerz, Schwangerschaft und RYGB sollte an eine Hernie denken lassen
Unabhängig davon: Die Triade epigastrische Schmerzen, Schwangerschaft und RYGB-Operation in der Vorgeschichte sollte jeden behandelnden Arzt automatisch an eine innere Hernie denken lassen. In dieser Situation bestehen die wichtigsten therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen in einer frühzeitigen Kontaktaufnahme mit und der Vorstellung der Patientin an einem Zentrum für Adipositaschirurgie [40].

Fazit für die Praxis

  • Bariatrische Chirurgie ist die aktuell effizienteste Therapie der morbiden Adipositas.
  • Viele der operierten Patienten sind weiblich und im gebärfähigen Alter.
  • Der Roux-en-Y-Magenbypass (RYGB) und die Sleeve-Gastrektomie (SG, Schlauchmagen) sind die häufigsten bariatrischen Eingriffe.
  • Schwangerschaften in Frauen mit Status nach bariatrischem Eingriff sind häufig und für Mutter und Kind grundsätzlich unbedenklich.
  • Aktuell wird die Vermeidung einer Schwangerschaft für die ersten 2 Jahre nach einem bariatrischen Eingriff empfohlen.
  • Sowohl während einer postbariatrischen Schwangerschaft als auch während der sich anschließenden Stillphase sollte die Nährstoffversorgung mittels Laboruntersuchungen häufiger als bei einer nichtbariatrischen Schwangerschaft überwacht, ggf. sollte supplementiert werden.
  • Bei der Triade epigastrische Schmerzen, Schwangerschaft und RYGB-Operation sollten an eine innere Hernie gedacht und frühzeitig Kontakt mit einem Zentrum für Adipositaschirurgie aufgenommen werden.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

L. Flükiger, A. Thalheimer, D. Vetter, J. Widmer, R. Joukhadar und M. Bueter geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
21.
Zurück zum Zitat Mitchell BG, Gupta N (2021) Roux-en‑Y gastric bypass. The SAGES manual: a practical guide to bariatric surgery, S 87–100 Mitchell BG, Gupta N (2021) Roux-en‑Y gastric bypass. The SAGES manual: a practical guide to bariatric surgery, S 87–100
40.
Metadaten
Titel
Bariatrische Operationen und Schwangerschaft
verfasst von
Laura Flükiger
Andreas Thalheimer
Diana Vetter
Jeannette Widmer
Ralf Joukhadar
Prof. Dr. Marco Bueter
Publikationsdatum
08.11.2021
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Gynäkologie / Ausgabe 2/2022
Print ISSN: 2731-7102
Elektronische ISSN: 2731-7110
DOI
https://doi.org/10.1007/s00129-021-04880-8

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