Erschienen in:
14.10.2021 | Begutachtung | Leitthema
Begutachtung im Bereich des SGB VII: Vorschaden und Kausalität bei apophysären Verletzungen und Lösungen
verfasst von:
Prof. Dr. Francisco Fernandez Fernandez, Dorien Schneidmüller, Peter Gaidzik, Klaus Dresing
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
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Ausgabe 11/2021
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Zusammenfassung
Die Beurteilung von Affektionen der Apophysen stellt den Gutachter häufig vor Probleme in der Kausalitätsprüfung und der Einschätzung der Funktionseinschränkungen. Apophysen dienen dem Sehnenansatz und stehen im Zentrum eines einwirkenden Kräfteparallelogramms. Sie fusionieren im 2. Lebensjahrzehnt über eine Apophysenfuge. Altersabhängig besteht eine verminderte mechanische Belastbarkeit der Apophysenfugen in den letzten 1 bis 2 Jahren vor ihrer vollständigen Mineralisation. Gutachterlich voneinander zu unterscheiden sind die Apophysenlösung infolge repetitiver Mikrotraumen bei chronischer Überbelastung und die Apophysenavulsionsfraktur als akute Verletzung infolge plötzlicher maximaler Muskelanspannung. Während eine chronische Überlastung zum Ausschluss aus dem Versicherungsschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung führt, erfüllt die Apophysenavulsionsfraktur die notwendigen Voraussetzungen für die Anerkennung als Versicherungsfall. Bei der Apophysenavulsionsfraktur kommt es zu einer zeitlich begrenzt einwirkenden Kraft, die unmittelbar zu einem Gesundheitsschaden führt, dem Ausriss der Tuberositas tibiae, einschließlich seines Verspannungssystems. Der plötzliche, ruckartige, maximale Muskelzug resultiert in der Überlastung des Verspannungssystems und bei altersbedingt vulnerabler Apophysenfuge im Apophysenausriss. Mit Abschluss der Mineralisation tritt diese Frakturart nicht mehr auf. Der M. Osgood-Schlatter, eine Ansatztendinose der Patellarsehne, kommt bei ca. 20 % aller sportlich aktiven Jugendlichen vor, es ist aber fraglich, ob er mit der akuten Avulsionsfraktur in Verbindung gebracht werden kann. Die Kenntnis der Pathogenese von Apophysenaffektionen und -verletzungen kann den Gutachtern gute Grundlagen zur Einschätzung der Kausalzusammenhänge liefern.