Erschienen in:
28.09.2016 | Pädophilie | Übersicht
Beitrag der Neurowissenschaften zur forensischen Psychiatrie
verfasst von:
Prof. Dr. Kolja Schiltz, Maria Schöne, Bernhard Bogerts
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 4/2016
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Zusammenfassung
Die forensische Psychiatrie widmet sich als Subspezialität der Schnittstelle von Psychiatrie und Recht. Sie wendet zu Diagnostik, Beurteilung, Therapie und Forschung Paradigmata und Erkenntnisse aus der allgemeinen Psychiatrie unter Beachtung der speziellen Erfordernisse rechtlicher Fragestellungen und Rahmenbedingungen an und ist daher in ihrer wissenschaftlichen Fortentwicklung wesentlich auf den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt in der Psychiatrie und damit heute auch der Neurowissenschaft angewiesen. Neurobiologische Hypothesen zu neuronalen Grundlagen psychiatrischer Erkrankungen wurden beispielsweise mit der Dopaminhypothese für Schizophrenie in einer Weise etabliert, die zu eminenten therapeutischen Fortschritten der Behandlung und der langfristigen Lebensqualität Betroffener geführt hat. Analoge Fortschritte dürfen den durch ihre Erkrankung und einer hiermit verbundenen Einschränkung ihrer Freiheitsrechte doppelt betroffenen forensisch-psychiatrischen Patienten nicht vorenthalten werden, weshalb Forschung in diesem Bereich vorangetrieben werden muss. Deutliche Fortschritte der Erkenntnisse über neurobiologische Grundlagen forensisch-psychiatrischer Erkrankungen haben beispielsweise bereits im Feld der Pädophilie und der Psychopathy stattgefunden. Derartige auf Studien von Untersuchungspopulationen basierende neurowissenschaftliche Erkenntnisse über neurobiologische Grundlagen von forensisch-psychiatrischen Erkrankungen bedürfen jedoch der sorgfältig abgewogenen Kommunikation sowohl im Hinblick auf mediale Verbreitung als auch auf die Interpretation einzelner Fälle, beispielsweise vor Gericht. Dies ist von großer Wichtigkeit, um vereinfachenden Missverständnissen vorzugreifen und einen konsekutiven Vertrauensverlust in den wissenschaftlichen Prozess zu vermeiden. Daher ist die Ausbildung forensisch-psychiatrischen Nachwuchses im Verständnis und in der Kommunikation der wissenschaftlichen Methodik moderner forensisch-psychiatrischer Neurowissenschaft von großer Bedeutung für die gesellschaftliche Bedeutung und Fortentwicklung des Faches.