Kollagene als Biomarkermoleküle
Für die organische Matrix ist Kollagen ein wichtiges Bauelement im menschlichen Gewebe. Mehr als 90 % sind dabei Kollagen Typ 1 aus kleinen, nichtsterischen Aminosäuren (z. B. Glycin), die sich in langen Ketten (Helices) mit Lysin- und Hydroxylysin-Verbindungen zu Triple-Strukturen vernetzen. Sowohl Leber- als auch Nierenfunktion sind in der Interpretation von Serumspiegeln von Kollagenmetaboliten wichtig, weil sowohl Bildung, Speicherung als auch Abbau der Kollagene dabei wesentlich mit gesteuert werden.
Serum-Crosslaps (CTX, β‑Crosslaps, Crosslinks)
C- und N‑terminale Stoffwechselprodukte des Kollagens sind stabile Indikatoren für den Knochenstoffwechsel. Dabei sind Serum-Crosslaps (carboxyterminale Kollagen-Crosslinks, „CTX or β [beta]-CTX“, 8,5 kDa) und ihr N‑terminales Gegenstück („N-terminal type 1 collagens“ [NTX]) bekannte Spaltprodukte des Kollagens. Während NTX vorwiegend in der Vergangenheit aus dem Harn gemessen wurden, sind CTX die derzeit am weitesten verbreiteten Serumbiomarker für den Knochenstoffwechsel und in zahlreichen Studien untersucht worden. Sie sind sogar bei Raumtemperatur sehr stabil – eine Probe kann daher gut versandt werden. Ein zirkadianer Rhythmus und Veränderungen nach Nahrungsaufnahme sind bekannt, was standardisierte Abnahmebedingungen nahelegt.
Erhöhte CTX-Spiegel zeigen eine erhöhte Knochenresorption und vice versa einen verminderten Knochenumsatz z. B. unter antiresorptiver Medikation an. Alters- und geschlechtsdefinierte Normbereiche sind evaluiert worden. Der Therapieerfolg, gemessen an der Biomarkerveränderung u. a. bei oralen Bisphosphonat-Therapien, wurde bezüglich Respondern und Nonrespondern kürzlich untersucht. Die TRIO-Studie [
13] zeigte, dass das Erreichen einer bestimmten Biomarkerveränderung auch mit einer entsprechenden Verbesserung der Knochendichte verbunden war. (Für die „kleinste signifikante individuelle Änderung“ [„least significant change“, LSC] und das Erreichen eines entsprechenden Referenzbereiches [„reference interval“, RI] s. Abschnitt „Interpretation der Ergebnisse“).
Praxis: Die Bedeutung von CTX-Werten für die Interpretation von Knochenstoffwechsel und Therapieansprechen auf Osteoporosetherapeutika hat seit den Standardisierungsmaßnahmen und der Erstellung validierter Referenzbereiche weiter zugenommen. Kosten, Verfügbarkeit und praktische Anwendung sind für diesen Parameter bereits durchaus ausgereift.
Serumprokollagene (PINP und PICP)
Propeptide des Typ-1-Prokollagens sind Marker des Knochenaufbaus mit jeweils C‑ und N‑terminalen Molekülen, darunter PICP (Prokollagen-Typ-Ι-C-terminales Propeptid, 100 kDa) und PINP (Prokollagen-Typ-Ι-N-terminales Propeptid, 53 kDa). Beide Peptide werden in äquimolaren Mengen bei der Knochenformation gebildet und sind im Serum stabil. PINP wird in Routinelabors bereits breiter angewandt, weil es gut reproduzierbar ist und international standardisiert wurde, so z. B. über die TRIO-Studie, bei der die Reduktion von vertebralen Frakturen parallel zur Reduktion des PINP und der antiresorptiven Biomarker (CTX) nachweisbar war [
13].
Während Biomarker des Knochenstoffwechsels wie Serum-CTX, aber auch PINP unter antiresorptiver Therapie typischerweise reduziert werden, gibt es zahlreiche Studienergebnisse für einen Anstieg der Formationsmarker wie PINP unter osteoanaboler Therapie, die damit das Ansprechen des Knochenstoffwechsels auf etwa eine Teriparatid-Therapie dokumentieren. PICP hat demgegenüber weniger Bedeutung erlangt, ist für spezielle Fragestellungen (auch aus dem nichtosteologischen Bereich) allerdings weiterhin interessant.
Während des Kollagenabbaus werden Stoffwechselprodukte des Kollagens in Leberzellen aufgenommen, daher hat die Leberfunktion einen Einfluss auf die Serumspiegel – ebenso ist eine eingeschränkte Nierenfunktion ein Hindernis für die Ausscheidung von Kollagenmarkern. Somit ist die Kenntnis von Leber- und Nierenfunktion für die Interpretation wichtig.
Praxis: Die Verwendung von Formationsmarkern des Knochenstoffwechsels wie PINP lässt gute Rückschlüsse auf osteoanabole Vorgänge der Kollagenmatrix zu und ist daher für die Diagnostik eines erhöhten Knochenstoffwechsels und als Monitoring von osteoanabolen Therapien geeignet. Standardisierung, Stabilität und einfache Testung tragen zur weiteren Verbreitung dieser Analysen bei.
Weitere Kollagenmoleküle im Knochenstoffwechsel
Kaum mehr als Biomarker verwendet werden kurze Kollagenfragmente wie Pyridinoline (PYD) und Desoxypyridinoline (DPD), die ebenfalls beim Abbau des reifen Kollagens entstehen, oder längere Kollagenprodukte wie das ICTP (C-terminale Telopeptid des Typ-I-Kollagens) bzw. die initial oft gemessenen Aminosäuren Hydroxyprolin, Hydroxylysin und glykosylierte Moleküle – Letztere u. a. aufgrund bekannt starker Interferenzen mit Aminosäuren aus der Ernährung.
Enzyme des Knochenstoffwechsels
Tartratresistente saure Phosphatase (TRAP 5b)
Die tartratresistente saure Phosphatase („tartratresistant acid phosphatase“, TRAP) Typ 5b ist ein monomeres Metalloenzym aus Osteoklasten-aktivierten Makrophagen und dendritischen Zellen. TRAP 5b hat ein Molekulargewicht von etwa 35 kDa und eine optimale Aktivität unter sauren Bedingungen mit den Isoenzymen 5a und 5b (Letzteres mit 10-fach höherer Aktivität). Das Enzym ist spezifisch für Osteoklasten und wird durch RANKL („receptor activator of NF-κB ligand“) aktiviert.
Da das Enzym nicht von der Nierenfunktion abhängig ist, kann seine Messung bei Personen mit renaler Einschränkung und evtl. renaler Osteodystrophie eingesetzt werden [
6] und repräsentiert u. a. die Zahl der Osteoklasten.
Praxis: Bei eingeschränkter Nierenfunktion kann die Messung von TRAP 5b als Resorptionsmarker eine Alternative zu den dabei veränderten Kollagenmarkern sein. Allerdings ist aufgrund der eingeschränkten Stabilität des Moleküls ein gekühlter Transport der Probe sicherzustellen.
Alkalische Phosphatase und knochenspezifische alkalische Phosphatase
Die alkalische Phosphatase (ALP) und ihr Knochenisoenzym, die knochenspezifische alkalische Phosphatase („bone specific ALP“ oder bALP) gehören zur Gruppe der membrangebundenen ALP, die in allen Geweben des Körpers vorkommen, mit einem Molekulargewicht von ca. 140 kDa. Die Isoformen unterscheiden sich durch ihre Glykosylierung. Weitere Isoformen kommen in der Leber, dem Gallensystem, der Niere und u. a. der Plazenta vor. Im Knochen werden sie von Osteoblasten während der Knochenformation gebildet, wobei Leber- und Knochenisoenzyme sich im Normalfall die Waage halten und unabhängig von der Nierenfunktion sind.
Das Enzym ist auch bei den seltenen hereditären Hypophosphatasien wichtig [
24], wobei die Ausprägung der Symptome von der Art der speziellen Alkalische Phosphatase-Mutationen abhängt.
Praxis: Im Allgemeinen lassen Messungen der Gesamtaktivität der ALP bei Leber-gesunden Personen einen direkten Rückschluss auf die Knochenaktivität zu. Routinemessungen der ALP sind daher ein möglicher Hinweis auf die Knochenformation wie u. a. bei der Osteomalazie. Die knochenspezifische Isoform bALP ist als Formationsmarker analog zur TRAP 5b als Resorptionsmarker eine diagnostische Alternative bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen.
Osteocalcin
Osteocalcin (OC) ist das häufigste nichtkollagene knochenspezifische Protein („gamma-carboxyglutamic acid-containing protein“, BGLAP) mit 49 Aminosäuren. Die OC-Synthese ist abhängig von Vitamin D und Vitamin K. OC ist an die Knochenmatrix gebunden, aber 20–30 % gelangen auch in die systemische Zirkulation und sind ein Biomarker der Knochenformation während der Osteoblastenentwicklung.
Osteocalcin war einer der ersten Biomarker für den Knochenstoffwechsel und hat weitere Wirkungen im Glukose- und wahrscheinlich auch im Steroidstoffwechsel [
18], die hinsichtlich ihrer Bedeutung ausgelotet werden.
Praxis: Osteocalcin wurde in vielen Studien als Knochenformationsmarker untersucht – seine Messung wird von zahlreichen Labors ergänzend angeboten.
Neue und seltenere Knochenstoffwechselmarker
Mit der Entdeckung von neuen Stoffwechselwegen im Knochen wurden weitere Substanzen als Biomarker des Knochens ins Spiel gebracht. Viele davon sind noch in klinischer Erprobung oder derzeit wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten.
Dazu zählt die Messung von RANKL und Osteoprotegerin (OPG) einem Mitglied der Tumour-necrosis-factor (TNF)-Rezeptor-Familie. Die zentrale Bedeutung dieser Regulatoren des Knochenstoffwechsels ist bekannt und spielt in der Osteoimmunologie, aber auch bei vielen entzündlichen Erkrankungen und darüber hinaus eine große Rolle. Das klinische Potenzial für die Messung von RANKL/OPG wurde in mehreren Studien getestet, die Analysen haben sich für die tägliche Praxis allerdings nicht durchgesetzt.
„Fibroblast growth factor 23“ (FGF23) ist ein Phosphatonin aus der Fibroblast-growth-factor (FGF)-Familie und für den Phosphatstoffwechsel wichtig. Aktivierende Mutationen des FGF23 führen zu renalem Phosphatverlust u. a. bei autosomal-dominanter hypophosphatämischer Osteomalazie [
16]. FGF23 wird aber auch bei tumorinduzierter Osteomalazie erhöht gefunden, während eine verminderte Aktivität erhöhte Phosphatspiegel und eine Tumorkalzinose bewirken kann.
Wnt-assoziierte Proteine und Rezeptoren haben wichtige Funktionen im Knochenstoffwechsel („Wnt signalling“), darunter sezernierte Frizzled-related-Proteine wie SFRP1, SFRP2, SFRP3, SFRP4 oder SFRP5 mit einem Molekulargewicht von ca. 35 kDa. Ihre Bedeutung wird mit neuen Erkenntnissen zu Kalzifizierung und Knochenstoffwechsel noch steigen.
Dickkopf-1 (DKK1), ebenfalls aus der Wnt-Kaskade, ist ein weiteres Protein mit 2 Cystein-reichen Teilen, das mit der Knochenmasse assoziiert ist, aber auch bei Metastasenbildung vermehrt nachgewiesen wird [
7].
Sclerostin ist als Inhibitor der Knochenformation ein weiteres wichtiges Mitglied des Wnt-Signalweges und wird von Osteozyten produziert. Zahlreiche neue Daten verbinden Sclerostin mit physikalischer Aktivität, Altern oder Hormonveränderungen [
19]. Die jüngst untersuchten Anti-Sclerostin-Antikörper haben einen neuen Fokus der osteoanabolen Osteoporosetherapie gebracht. Unter Bisphosphonat-Therapie fand sich keine größere Veränderung von Sclerostin, u. a. weil Osteozyten hier wenig involviert sind, wohl aber unter Östrogenersatztherapie [
12] und Teriparatid [
5]. Die klinische Verwendung von Sclerostin und anderen Molekülen im Wnt-Signalweg wird von zukünftigen osteoanabolen und onkologischen Therapien und deren Monitoring abhängen. Derzeit wird der Parameter weiter untersucht.
Cathepsin K ist eine lysosomale Cysteinprotease, ein Enzym im sauren Bereich, das von Osteoklasten ausgeschieden wird. Seine Verwendung im klinischen Alltag könnte zukünftig an pharmazeutische Interventionen gebunden werden.
„Bone sialoprotein“ (BSP) ist als Glykopeptid eine Matrixkomponente mineralisierter Gewebe (etwa 8 % der nichtkollagenen Proteine des Knochens) mit einem Molekulargewicht von 33–80 kDa und derzeit in wissenschaftlichen Fragestellungen in Verwendung.
Osteonectin (auch „secreted acidic cysteine-rich protein“, SPARC) ist ein saures Glykoprotein im Knochen mit einem Molekulargewicht von 43 kDa und wird während der Knochenformation von Osteoblasten ausgeschieden, um die Mineralisierung zu unterstützen, hat aber auch weitere Eigenschaften in der Kalzifizierung von Gewebe, der Angio- und Adipogenese und wird gegenwärtig weiter untersucht.
Ganz neu ist eine Molekülklasse, die zusätzlich zu bekannten Proteinmolekülen im Serum kürzlich beschrieben wurde: stabile kurzkettige nicht kodierende RNAs (Ribonukleinsäuren), sog. microRNAs, die potenzielle neue Biomarker für spezifische Knochenerkrankungen sein könnten [
21].