Borderline-Persönlichkeitsstörung: Auf den Spuren der Remission

2014 belegte erstmals eine Studie, dass 99% von über 16 Jahre beobachteten Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) eine Remission über zwei Jahre erreichten, 60% sogar eine Zwei-Jahres-Recovery [1]. Wissenschaftler aus Heidelberg und Mannheim untersuchen derzeit die mit einer Remission verbundenen Veränderungen von Borderline-Symptomen. Das Konzept der BPS als Persönlichkeitsstörung führte zu dem Paradigma der Persistenz der Symptome, das erstmals durch die McLean Study of Adult Development durchbrochen wurde [1]. Als akut bezeichnete Symptome wie selbstverletzendes Verhalten remittierten dabei in der Studie rascher als so genannte Temperamentssymptome wie chronische Dysphorie (z. B. Ärger) oder interpersonelle Symptome, z. B. die Intoleranz des Alleinseins. Eine Arbeitsgruppe des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim und der Klinik für Allgemeine Psychiatrie in Heidelberg begannen daraufhin, Indizien für eine anhaltende Remission bzw. Recovery hinsichtlich verschiedener Symptomenkomplexe zu sammeln, die sie anlässlich des DGPPN-Kongresses 2016 in Berlin vorstellten. Eine Remission hatten Patienten dann erreicht, wenn sie in den letzten drei Jahren nicht mehr als drei Kriterien einer BPS nach DSM IV erfüllt hatten und nicht stationär behandelt worden waren. Emotionserkennung und -regulation verbessert Eine zentrale Veränderung bei BPS betrifft die emotionale Dysregulation verbunden mit einer Dysfunktion von Emotionserkennung und –regulation. Diagnostik und Fragebögen von 32 Frauen mit einer aktuellen BPS-Diagnose, 32 Frauen mit einer zurückliegenden, remittierten BPS und 28 gesunde Frauen zeigten meist eine mittlere Position von Patienten in Remission zwischen Akutpatienten und Kontrollen, ob bei Symptomzahl oder Symptomschwere oder im State-Trait-Anger-Test. Erhöhte Werte fanden sich übereinstimmend mit der McLean Study aber auch bei remittierter BPS in Remission für die selbstberichtete emotionale Dysregulation, Depressivität und überdauernden Ärger. Alle Teilnehmer nahmen an einem Test teil, bei dem sie emotionale Gesichtsausdrücke (Ärger und Freude) klassifizieren sollten. Dr. Katja Bertsch und ihre Heidelberger Kollegen fanden bei akut Erkrankten bereits bei nur gering ambivalenten, überwiegend freudigen Gesichter den negativen Eindruck von Ärger. Diesen Negativitätsbias zeigten die remittierten Patienten nicht. Sie unterschieden sich von den Kontrollprobandinnen erst bei stärker ärgerlichen Gesichtern, dort waren sie ähnlich hypersensibel wie Akutpatientinnen. Im EEG fanden sich bei der Auswertung ereigniskorrelierter Potenziale Hinweise auf die Reduktion der frühen Hyperreagibilität an der Ableitung P100, eine Normalisierung früher struktureller Gesichtsverarbeitung (N170), aber keine Veränderungen gegenüber Akutpatienten hinsichtlich der späteren attentionalen und kognitiven Prozesse der Emotionsklassifikation (P300). Bertsch regte an, über therapeutische Ansätze nachzudenken, die diese Ergebnisse berücksichtigen: früh psychosoziale Störungsaspekte beachten, Wahrnehmung körpereigener Signale verbessern, psychotherapeutisches Programm um Aufmerksamkeitstrainings ergänzen. Mehr eins mit sich Dr. Robin Bekrater-Bodmann, Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, fand in seinen Untersuchungen bei den Probanden mit einer akuten BPS ein generalisiertes Gefühl der Fremdheit für den eigenen Körper. Wahrscheinlich besteht ein Bezug zu traumatischen Erfahrungen in der Vergangenheit: Es deutete sich an, dass gerade Körperteile mit sexuellem Bezug auch bei Patienten in Remission häufiger nicht als eigene wahrgenommen werden, während insgesamt nur geringe Unterschiede zu gesunden Kontrollen vorhanden waren. Auch andere von ihm untersuchte Wahrnehmungsphänomene zeigten eine Normalisierung bei BPS-Remission. So war bei den Akutpatienten eine Dissoziation in ausgeprägtem Maße auslösbar, bei gesunden Kontrollen und Patienten in Remission nur in geringem Maße. Die experimentelle Induktion von dissoziativem Körpererleben führt auch zu einer geringeren Schmerzwahrnehmung – ein Hinweis auf eine Coping-Strategie bei Traumata: Lieber Objekt als Subjekt sein und sich von dem Geschehen distanzieren. Was zählt: PTSD- und Umfeldbezug Prof. Dr. Martin Bohus vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim wies darauf hin, dass die Ergebnisse der McLean Study of Adult Development nur bedingt auf hiesige Verhältnisse übertragbar sind. Es habe sich um ein extrem selektiertes Klientel gehandelt und die Definition der Remission sei auch fragwürdig. Auch wenn sich Normalisierungen in einigen Symptombereichen zeigen ließen, es blieben doch meist eine Vielzahl von Achse-I-Diagnosen, häufig eine geringe Lebenszufriedenheit und eine Persistenz der posttraumatischen Belastungsstörung. Das zeigten auch seine qualitativen Interviews von 58 Patienten 14 bis 18 Jahre nach Diagnose und Primärtherapie. „Die affektive Instabilität ist das, was am längsten persistiert, gefolgt von einer chronischen Leere und Dissoziation“, berichtete Bohus. Für ihn ist klar: Die Therapie der BPS muss sich stärker auf die persistierende PTSD und die soziale Integration fokussieren. basierend auf: Hauptsymposium 07 „Erstmals Ergebnisse zu remittierten Borderline-Patienten.“ Kongress der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Berlin, 23-26.11.

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