Lyme-Borreliose: Was tun bei unklarer Klinik?

Allein aufgrund der Klinik ist die Diagnose „Lyme-Borreliose“ nur sehr schwer zu stellen, wenn nicht ein klassisches Erythema migrans vorliegt. Wie eine US-Studie zeigt, ist bei unklarem Erscheinungsbild die Bestätigung durch eine zweistufige Serologie erforderlich, um Über- bzw. Unterdiagnosen zu vermeiden. Die initiale Therapieentscheidung bei Kindern mit Verdacht auf eine Borrelieninfektion fällt häufig noch, bevor die Ergebnisse der Labortests eingetroffen sind. Doch wie gut können Ärzte das Vorliegen einer Lyme-Borreliose klinisch einschätzen? In einer prospektiven Kohorte von 1021 Kindern zwischen 1 und 21 Jahren mit Verdacht auf Lyme-Borreliose sind Lise Nigrovic vom Boston Children’s Hospital und Kollegen dieser Frage nachgegangen. Hier zeigte sich, dass es sinnvoller ist, bei unklarer Klinik mit der Therapieempfehlung zu warten, bis die Laborergebnisse bekannt sind. Im Rahmen der Untersuchung sollten geschulte Ärzte in fünf Notfalleinrichtungen mithilfe eines 10-Punkte-Scores (1 = unwahrscheinlich, 10 = sehr wahrscheinlich) die Wahrscheinlichkeit einer Borrelieninfektion bei den jungen Patienten ohne Laborbefund einschätzen. Alle fünf Notfallzentren befanden sich in Endemiegebieten. Eine Lyme-Borreliose wurde entweder diagnostiziert, wenn die Kinder ein Erythema migrans aufwiesen oder wenn bei Vorliegen entsprechender Manifestationen die zweistufige serologische Abklärung (ELISA + Immunoblot) positiv war. Um auch eine spätere Serokonversion zu erfassen, wurden die serologischen Untersuchungen innerhalb von 30 Tagen wiederholt. Einzelne primäre Läsionen sollten einen Durchmesser von mindestens 5 cm haben. Kleinere Hautveränderungen galten nur dann als Erythema migrans, wenn sie alle folgenden Punkte erfüllten: wenn sie sich an der Stelle eines bekannten oder vermuteten Zeckenstich entwickelten, wenn das Zeitintervall zwischen Stich und Auftreten der Läsion bekannt war und wenn sich die Läsion vergrößerte. 4,1% der Kinder hatten ein Erythema migrans, bei 46,9% zeigte sich eine disseminierte und bei 45,8% eine späte Form. Bei den restlichen Kindern waren die Symptome unspezifisch. Bei insgesamt 23,3% der eingeschlossenen Kinder konnte tatsächlich eine Lyme-Borreliose nachgewiesen werden. Die Diagnose wurde bei 11,3% dieser Patienten allein aufgrund des Erythema migrans gestellt, bei 6,3% aufgrund von Erythema migrans und zwei positiven serologischen Befunden und bei 82,4% allein aufgrund der positiven Serologie. Bei keinem der Kinder mit unspezifischen Symptomen waren beide Labortests positiv. Bei einem Fünftel der Patienten wurde eine frühere Lyme-Borreliose nachgewiesen. Häufige Über- oder Unterdiagnostik Aufgrund des klinischen Verdachts allein wurde eine Lyme-Borreliose oft nicht richtig diagnostiziert. Bei 31% der 127 Patienten, bei denen die Ärzte diese für sehr wahrscheinlich gehalten hatten (Score 8–10), waren die Laborbefunde letztlich negativ. Bei 12% der 554 Kinder, bei denen die Ärzte eine Borrelieninfektion für unwahrscheinlich gehalten hatten (Score 1–3), ergab das Labor eine Borreliose. Nur das typische Erythema migrans hat ausreichend Aussagekraft Auch wenn aufgrund eines klinischen Anfangsverdachts eine initiale Behandlung erfolgt, solle, so Nigrovic und Kollegen, eine zweistufige serologische Untersuchung durchgeführt werden, sofern kein klassisches Erythema migrans bestehe. Denn die Wahrscheinlichkeit der richtigen Diagnosestellung allein aufgrund der Klinik sei zu gering. Erst nach Vorliegen der Laborbefunde sollte bei atypischen Befunden die endgültige Therapieentscheidung fallen, so die Autoren. Die AWMF-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft „Kutane Lyme-Borreliose“ vom März 2016 empfiehlt, die serologische Diagnostik nur bei ausreichendem klinischem Verdacht anzufordern, und zwar als Stufendiagnostik im Sinne eines Suchtests (z. B. ELISA) und eines Bestätigungstests (Immunoblot). Die Experten weisen darauf hin, dass ein positiver Antikörpernachweis nicht beweisend für eine klinisch bestehende Lyme-Borreliose ist und ein negativer bei längerer Krankheitsdauer beim Immungesunden eine Lyme-Borreliose weitestgehend ausschließt. Außerdem betonen sie, dass ein isoliert positiver IgM-Nachweis gegen eine Spätmanifestation spricht. Der sofortige Therapiebeginn ohne weitere serologische Abklärung ist auch der deutschen Leitlinie zufolge dann sinnvoll, wenn ein typisches Erythema migrans vorliegt. Bei atypischem Ekzem soll der Verdacht durch eine zweistufige serologische Untersuchung weiter abgeklärt werden. Fällt der Erstbefund negativ aus, soll zunächst das Ergebnis des molekularbiologischen oder kulturellen Direktnachweises abgewartet werden. Auch der Verdacht auf multiple Erytheme soll zunächst mittels Borrelien-Serologie überprüft und erst nach positivem Ausgang mit einer Behandlung begonnen werden. Buchtipp: 15-jähriger Junge mit Husten und Fieber

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