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Anamnese
Die erstmalige Vorstellung des 2 Wochen alten weiblichen Säuglings erfolgte aufgrund einer Lidschwellung und Rötung links mehr als rechts. Die Veränderungen waren am 2. Tag postnatal aufgefallen. Seither habe das Mädchen die Augen nur für wenige Minuten am Tag geöffnet. Laut der Mutter sei der Befund unter der bisherigen Therapie mit Gentamicin-Augentropfen und -Augensalbe leicht rückläufig gewesen. Das Kind war per Sectio in der 41. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen und ansonsten gesund. Es bestünden keine Augenerkrankungen in der Familie.
Befund
In der klinischen Untersuchung zeigte sich ein beidseitiges Unterlidentropium, das nicht reponibel war (Abb. 1a). Am linken Auge waren Ober- und Unterlid zusätzlich dezent gerötet. Eine Sekretbildung war nicht zu erkennen. Spaltlampenbiomikroskopisch war die Bindehaut auf beiden Augen blass. Am linken Auge zeigte sich eine ca. 3 × 4 mm ovaläre helle Hornhauttrübung parazentral unten, a. e. außerhalb der optischen Achse (Abb. 1b). Die Läsion stellte sich Fluorescein-positiv dar (Abb. 1c). Am rechten Auge zeigte sich eine glatte, klare Hornhaut. Beidseits war die Vorderkammer tief und reizfrei, die Pupille rund mit prompter direkter und indirekter Reaktion auf Licht und die Linse klar. Nach der initialen Vorstellung empfahlen wir eine Lokaltherapie mit Floxal-Augensalbe am linken und Corneregel-EDO-Augengel an beiden Augen und bestellten die Patientin zu einem kurzfristigen Kontrolltermin 3 Tage später wieder ein.
Abb. 1
Fotoserie eines 2 Wochen alten Mädchens mit kongenitalem Entropium und Hornhautulkus am linken Auge. Der initiale Befund zeigte ein deutliches Unterlidentropium (a) mit Hornhautepitheldefekt (b): mit Fluorescein angefärbt (c). Bei ausbleibender Besserung unter Lokaltherapie applizierten wir Botulinumtoxin im Bereich des linken Unterlids (d)
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Diagnose
Kongenitales Unterlidentropium beidseits mit Hornhautulkus am linken Auge.
Therapie und Verlauf
Bei der Kontrolluntersuchung zeigte sich der Lidbefund etwa unverändert. Auch die ovaläre Fluorescein-positive Hornhauttrübung am linken Auge war weiterhin vorhanden. Bei kongenitalem Unterlidentropium beidseits mit Hornhautulkus am linken Auge entschlossen wir uns zu einer Botulinumtoxin-Injektion in beide Unterlider zur Unterlidstellungskorrektur durch einen verringerten Muskeltonus.
Der Eingriff wurde eine Woche später (am 28. Lebenstag) ambulant in Kurznarkose durchgeführt. Neben der klinischen Untersuchung entnahmen wir einen mikrobiologischen und virologischen Abstrich der Hornhautläsion und führten je Unterlid 2 Injektionen mit Botulinumtoxin à 2,5 Internationale Einheiten. lidkantennah durch (Abb. 1d).
Bei der Nachkontrolle eine Woche später berichtete die Mutter, dass sich die Zeiten, in denen ihr Kind die Augen öffnete, verlängert hätten (ca. 1,5 h täglich). Allerdings bestünde nach wie vor ein Unterlidentropium (links stärker rechts), das allerdings nun besser reponibel sei. Es zeigte sich ein unveränderter Hornhautbefund mit meist eingerollten Unterlidern. Wir führten die topische Therapie fort (der Abstrich hatte den Nachweis von Serratia marcescens ergeben) und vereinbarten weitere Kontrollen im wöchentlichen Abstand mit zunächst ausbleibender definitiver Stellungskorrektur des linken Unterlids (Abb. 2a) sowie weiterhin intermittierender Fluorescein-Positivität und epithelialer Hypertrophie im Bereich des „alten“ Ulkus (Abb. 2b). Insgesamt zeigte sich die Anfärbung an der linken Hornhaut jedoch rückläufig (Abb. 2c), und es kam, laut Mutter, zu verlängerten Intervallen einer regelrechten Unterlidstellung beidseits.
Abb. 2
Der postoperative Befund nach ca. 4 Wochen zeigte am linken Auge ein reponierbares Unterlidentropium (a) mit rückläufigem Hornhautepitheldefekt (b), der sich nur noch wenig mit Fluorescein anfärbte (c). Nach einer weiteren Woche war kein Epitheldefekt mehr nachweisbar (d), und das Unterlid stand dauerhaft regelrecht
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Bei der Kontrolle einen Monat nach der Botulinumtoxin-Injektion berichtete die Mutter, dass kein Einwärtsdrehen am linken Unterlid mehr bestünde. In der Untersuchung zeigte sich eine regelrechte Unterlidstellung, die Hornhaut stellte sich Fluorescein-negativ dar, und es bestanden lediglich eine kleine gräuliche Hornhautnarbe außerhalb der optischen Achse sowie eine zarte, kaum perfundierte Hornhautvaskularisation von inferior (Abb. 2d).
Im Alter von 3 Lebensmonaten zeigten sich eine weiterhin regelrechte Unterlidstellung sowie ein stabiler Hornhautbefund am linken Auge mit einer zarten Narbe.
In der Kontrolluntersuchung mit 5 Lebensmonaten berichtete die Mutter von einem sporadisch auftretenden Rezidiv des Unterlidentropiums links häufiger als rechts. Nach einer manuellen Reposition sei aber kein erneutes Einrollen zu beobachten. In der Untersuchung zeigte sich weiterhin ein reizarmer Befund mit einer unverändert zarten Narbe am linken Auge.
Vier Wochen später berichtete die Mutter von einer korrekten Unterlidstellung beidseits ohne weiteren manuellen Korrekturbedarf.
Diskussion
Das Unterlidentropium ist eine Fehlstellung des Lids, bei der die Unterlidkante nach innen rotiert ist und bei längerem Fortbestand Bindehautreizungen bis hin zu schwerwiegenden Hornhautschäden mit Sehverlust entstehen können. Die Pathogenese lässt sich in senil (involutiv), spastisch, narbenbedingt und kongenital einteilen [3]. In der Literatur sind bisher nur wenige Einzelfälle eines kongenitalen Entropiums beschrieben, noch seltener mit zusätzlicher Hornhautproblematik [1, 4, 6].
Typischerweise ist eine Therapie bei kongenitalem Entropium nicht erforderlich [3]. Im seltenen Fall eines chirurgischen Therapiebedarfes gehören die Anbringung von evertierenden Nähten (nach Quickert) [6] sowie die Refixation der Unterlidretraktoren [1, 4] zu den häufigsten Interventionen. Auch die Injektion von Botulinumtoxin wurde in der Literatur als Therapieoption bei kongenitalem Entropium beschrieben [2, 5]. Redd et al. berichten über einen ähnlichen Fall bei einem einen Monat alten Mädchen, bei dem die Applikation von Botulinumtoxin zu einer vollständigen Rückbildung der Lidfehlstellung sowie des vorbeschriebenen Hornhautulkus geführt hatte [5]. Bei einer zunächst ausbleibenden dauerhaften korrekten Unterlidstellung bei unserer Patientin erwogen wir zwischenzeitlich die Durchführung von evertierenden Nähten nach Quickert, wie es Yang et al. in ihrem Fall eines 3 Wochen alten Jungen beschreiben [6]. Eine erneute Injektion von Botulinumtoxin hätte frühestens nach 6 Wochen gemäß den Richtlinien der Hersteller bzw. der Fachgesellschaften durchgeführt werden können. Die Wirkdauer des Botulinumtoxins beträgt bis zu 3 Monate. Aufgrund der dauerhaften Stellungskorrektur nach einem Monat waren weitere Maßnahmen erfreulicherweise nicht mehr erforderlich. Christiansen et al. beschreiben den gewünschten Effekt nach Botulinumtoxin-Injektion bereits 4 Tage nach erfolgter Injektion bei einem 3 Wochen alten Mädchen [2], bei Redd et al. sind es ebenfalls nur wenige Tage bis zur dauerhaften Unterlidstellungskorrektur [5]. Bei unserer Patientin dauerte es im Gegensatz dazu ca. einen Monat bis zur Stellungskorrektur.
Zusammenfassend beschreiben wir hier die Durchführung einer therapeutischen Botulinumtoxin-Injektion bei kongenitalem Unterlidentropium mit einseitigem Hornhautulkus. Unserer Literaturrecherche nach handelt es sich um eine der jüngsten Patientinnen, die eine Botulinumtoxin-Injektion bei kongenitalem Unterlidentropium erhalten hat (am 28. Lebenstag). Der Fall macht deutlich, wie wichtig eine anfängliche eingehende Untersuchung (ggf. auch in Kurznarkose), die enge Zusammenarbeit mit den Eltern sowie langfristige Nachkontrollen sind.
Fazit für die Praxis
Bei unklarer Lid- und Hornhautproblematik im Säuglingsalter sollte auch ein kongenitales Unterlidentropium ggf. mit einer Hornhautbeteiligung in Betracht gezogen werden.
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Bei häufig schwierigen Untersuchungsbedingungen sind die Einschätzung der Eltern sowie die situationsangepasste Untersuchung sehr wichtig.
Die Botulinumtoxin-Injektion stellt eine gute Alternative zur chirurgischen Intervention dar.
Danksagung
Wir danken der Familie unserer kleinen Patientin für die Kooperation und Einwilligung zu dieser Publikation.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
E.A. Mahler und K.U. Loeffler geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. B. Wabbels und P. Möller geben an, dass sie für Desitin Pharma, Merz Pharma tätig wurden.
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Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
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