MS-Patientin: mit Cannabinoiden zurück ins Leben

Bei einer rollstuhlpflichtigen MS-Patientin konnte Tetrahydrocannabinol (THC, Dronabinol) nicht nur Schmerzen verringern, sondern auch die Alltagsfähigkeit verbessern und eine begleitende Depression lindern – trotz multipler Vortherapien einschließlich anderer Cannabinoide. × Die 63-jährige Patientin ist seit 2010 wegen einer im Jahr 1995 diagnostizierten Multiplen Sklerose (MS) rollstuhlpflichtig. Primäre Schmerzerkrankung ist ein chronisches, pseudoradikuläres Syndrom mit Spondylarthrosen und multisegmentalen Foramenstenosen der Lendenwirbelsäule sowie Zustand nach Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1. Die Patientin berichtet von täglichen, ziehenden Rückenschmerzen im Chronifizierungsstadium 3 nach Gerbershagen, die sie auf der numerischen Rating-Skala (NRS) mit 8 von 10 Punkten (maximal) bzw. 7 von 10 Punkten (im Durchschnitt) quantifiziert. Die Schmerzen führen zu einer zusätzlichen, über die MS hinausgehenden, funktionellen Beeinträchtigung der unteren Extremitäten, zu zunehmenden Beeinträchtigungen im Alltag und zu Schlafstörungen. Die Patientin hatte sich zuletzt sozial immer stärker zurückgezogen und eine Depression entwickelt, sodass neben einer Schmerzlinderung und einer Verbesserung der Alltagsfähigkeiten auch eine Verbesserung von Schlaf und Stimmung als wichtige sekundäre Ziele der Schmerztherapie definiert werden. Multimodale Behandlung ineffektiv Die Schmerztherapie bei der Patientin gestaltet sich allerdings ausgesprochen schwierig. Eine multimodale Therapie unter Berücksichtigung des biopsychosozialen Krankheitsmodells bleibt erfolglos. Im Rahmen der multimodalen Behandlung kommt ein breites Spektrum an medikamentösen und nicht medikamentösen, schmerztherapeutischen Maßnahmen zum Einsatz, die jeweils wegen Ineffektivität wieder beendet werden. Dazu zählen unter anderem eine TENS, die Behandlung mit Tilidin sowie mit Buprenorphin- bzw. Fentanyl-Pflastern, die intrathekale Applikation von Triamcinolon und die Behandlung mit L-Polamidon. Eine Therapie mit Hydromorphon ist ebenfalls nicht ausreichend effektiv und führt zudem zu unerwünschten Opioidwirkungen. Im Kontext des weiteren Verlaufs ist interessant, dass auch zwei Behandlungsversuche mit Cannabinoid-Präparaten – unter anderem Cannabidiol-haltigen Zubereitungen – erfolglos verlaufen. Schließlich ist die Indikation zu einer stationären multimodalen Schmerztherapie gestellt, in deren Rahmen jedoch ebenfalls kein stabiles Therapieregime mit einem die Patientin zufriedenstellenden Ergebnis etabliert werden kann. Zuletzt erfolgt eine Behandlung mit einer Kombination aus Oxycodon 40 mg und Naloxon 20 mg dreimal am Tag, ergänzt um Physiotherapie. Neuer Therapieansatz: THC Add-on Wegen dieser insgesamt unbefriedigenden Schmerz- und Behandlungsanamnese wird gemeinsam entschieden, einen Therapieversuch mit reinem THC zu unternehmen. Das Cannabinoid ist in Deutschland bereits seit 1998 verkehrs- und verordnungsfähig und steht unter der Bezeichnung Dronabinol als Rezepturwirkstoff zur Verfügung. Die Patientin steht dem aufgeschlossen gegenüber. Sie erhält den Wirkstoff in Form öliger Tropfen nach NRF (25 mg/ml THC), die über einen Zeitraum von insgesamt neun Tagen von initial 2 × 2 Tropfen auf zuletzt 2 × 10 Tropfen (entsprechend 14 mg THC) aufdosiert werden. Dabei wird die Oxycodon/Naloxon-Medikation zunächst beibehalten und die Physiotherapie – primär Dehnübungen zur Vermeidung von Muskelverkürzungen – fortgesetzt. Therapieziele erreicht Mit dieser Therapie wird ein deutlich positiver Effekt auf alle oben genannten Beschwerden erreicht: Die maximale bzw. durchschnittliche Schmerzintensität sinkt auf 6 von 10 bzw. 4 von 10 Punkte mit längeren schmerzarmen Phasen. Auch der Schlaf und die Stimmung verbessern sich. Dieser Therapieerfolg ist umso bemerkenswerter, da gleichzeitig die Dosis der Oxycodon/Naloxon-Therapie auf derzeit 30/15 mg reduziert werden kann. Im weiteren Verlauf steht jetzt eine schmerzpsychotherapeutische Behandlung an, zu der sich die Patientin dank der verbesserten Symptomatik durch Dronabinol erstmals seit Langem wieder in der Lage sieht. Kurz gefasst Dronabinol verbessert die Stimmung und Alltagsfähigkeit der rollstuhlpflichtigen MS-Patientin mit pseudoradikulärem Syndrom und lindert die bis dahin therapierefraktären Schmerzen. Kasuistik freundlicherweise zur Verfügung gestellt von einem Facharzt für Anästhesiologie/spezielle Schmerztherapie, Berlin Z. n. Apoplex: Dronabinol bessert Appetit und Schlaf Bei neurologischen Patienten greifen oft Schmerzen, Angstzustände und andere Symptome ineinander und erfordern medikamentöse Therapien. Bei einer Patientin nach Schlaganfall gelang es, ein komplexes Symptombild durch Einsatz des Cannabinoidwirkstoffs Dronabinol zu adressieren und die Medikation deutlich zu reduzieren. × Die 77-jährige Patientin hatte einen Schlaganfall im Stromgebiet der A. cerebri media erlitten und wurde nach i. v. Lyse-Therapie aus der neurologischen Klinik in die stationäre neurologische Rehabilitation verlegt. Sie war nach erfolgreicher Lyse motorisch gut mobilisierbar, wobei die Mobilisierung jedoch durch eine ausgeprägte Übelkeit mit entsprechend gestörtem Appetit erschwert wurde. Endoskopisch zeigte sich eine leichte hämorrhagische Gastritis; eine vestibuläre Störung war bekannt. Zusätzlich litt die Patientin unter Angstzuständen und klagte über Rückenschmerzen, die auf einen Diskusprolaps L4/L5 zurückgeführt wurden. Weder gezielte Infiltrationen und Nervenwurzelblockaden noch medikamentöse Ansätze führten zu einer ausreichenden Schmerzkontrolle. Die Übelkeit hielt trotz medikamentöser Therapie an. Daher war die Mobilisierung nur sehr eingeschränkt möglich, was mit einer hohen Einschränkung der Lebensqualität und der Angst vor weiteren Symptomen einherging. Bei Überweisung erhielt die Patientin bedarfsweise Ondansetron 4 mg bis zu 2 × tägl., zusätzlich zur Analgesie Metamizol 4 × 30 gtt sowie Buprenorphin 35 mg TTS alle 96 Stunden. Ergänzend waren mit Blick auf Übelkeit, Depression, Angst und Schlafstörungen Haloperidol, Pantoprazol, Fluoxetin, Pregabalin und Zolpidem Teil des Medikationsplans. Eine zufriedenstellende Symptomkontrolle konnte durch diese umfangreiche Medikation nicht erreicht werden. Therapieziele wurden erreicht Die geschilderte Therapie wurde nach Übernahme in die stationäre Rehabilitation deutlich reduziert. Die Buprenorphin-Dosis wurde halbiert, Metamizol auf 4 × 1 Tablette umgestellt, Pantoprazol halbiert, Ondansetron beibehalten und Haloperidol abgesetzt. Übelkeit und Appetitlosigkeit sowie die Schmerzproblematik änderten sich dadurch nicht, sodass in Absprache mit der Patientin eine Cannabinoid-Therapie mit dem Wirkstoff Dronabinol initiiert wurde. Primäres Ziel war es, die Übelkeit zu lindern und den Appetit zu steigern. Sekundär wurde zudem auf analgetische und anxiolytische Wirkungen gehofft. Die Patientin äußerte den Wunsch nach einer Verringerung der Zahl der einzunehmenden Medikamente. Die Dosierung von Dronabinol 25 mg/ml in öliger Lösung erfolgte einschleichend (Tag 1: 0-0-2 gtt, Tag 2 bis 6: 2-0-2 gtt, Tag 7: 2-0-3 gtt, ab Tag 8: 3-0-3 gtt entspr. 2 × 2,5 mg THC/d). Unter dieser Behandlung ging die Übelkeit zurück und der Appetit steigerte sich, sodass Ondansetron abgesetzt wurde. Die Angstsymptome verringerten sich, der Nachtschlaf besserte sich und Zolpidem war nicht mehr nötig. Ein Rückgang der Schmerzintensität von anfangs 4 bis 5 Punkten auf der Numeric Rating Scale (NRS) auf zuletzt 1 bis 2 Punkte auf der NRS wurde dokumentiert. Damit wurden alle initial gesetzten Therapieziele erreicht – einschließlich einer spürbaren Reduktion der Polypharmazie. Die Lebensqualität der Patientin stieg an, zumal bei der langsamen Aufdosierung mit Ausnahme einer kurzen Schwindelepisode bei vorübergehend niedrigem Blutdruck keine unerwünschten Wirkungen auftraten. Insgesamt wurde die Patientin 17 Tage in stationärer Rehabilitation mit Dronabinol behandelt und dann in die ambulante Anschlussheilbehandlung entlassen. GSAV: Schnellverfahren Eine lückenlose ambulante Weiterführung einer stationär begonnenen Dronabinol-Therapie wurde durch das im August in Kraft getretene Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) erleichtert. Per Ergänzung von § 31 Abs. 6 SGB V wurde die Frist für die Entscheidung über die Cannabinoid-Therapie durch die Krankenkassen bei Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung von bisher drei bis fünf Wochen auf drei Tage verkürzt (entsprechend der Frist in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Hierdurch soll eine kontinuierliche, sektorübergreifende Versorgung mit Cannabinoiden künftig deutlich einfacher umzusetzen sein. Kurz gefasst Besonderer Einzelfall einer Apoplex-Patientin in stationärer Rehabilitation: niedrig dosiertes Dronabinol (2 × 2,5 mg/Tag) beeinflusste Übelkeit Appetit Schmerz Schlaf Angst und konnte die Polypharmazie deutlich reduzieren. Kasuistik freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Geriatrienetzwerk Kärnten, Österreich Kasuistik: Dauer-Migräne sistiert unter Dronabinol Patienten, die an starker Migräne leiden, wird zum Teil zu invasiven Therapiemaßnahmen geraten. Dies ist nicht immer notwendig, wie dieser Fall zeigt, bei dem nach zahlreichen frustranen Versuchen ein guter Therapieerfolg mit Tetrahydrocannabinol (THC) erzielt werden konnte. × Die 31-jährige Patientin leidet seit ihrem 16. Lebensjahr an einer chronischen Migräne. Die Überweisung durch den neurologischen Facharzt erfolgte mit der Bitte, die Implantation eines okzipitalen Nervenstimulationssystems als letztmögliche Therapieoption zu prüfen. Seit 15 Jahren fast täglich Attacken Die Patientin berichtete über 28 Kopfschmerztage pro Monat, davon 20 typische Migränetage mit Hemikranektomie, Erbrechen und Lichtscheu bei einer Attackendauer von bis zu acht Stunden, getriggert unter anderem durch Stress, Alkoholkonsum und Müdigkeit. Das Sozial- und Berufsleben war durch die ständigen Migräneattacken massiv beeinträchtigt. Standardtherapien frustran Im Laufe der fünfzehnjährigen Krankheitsgeschichte hatte die Patientin das komplette Spektrum der medikamentösen und nicht medikamentösen Akuttherapien und Prophylaxen durchlaufen, die bei Migräne zur Verfügung stehen. Bei der Anfallstherapie kamen ASS, Paracetamol und Sumatriptan zum Einsatz. Die Prophylaxe erfolgte bei Vorstellung mit Metoprolol 100 mg/d sowie mit Flunarizin. In der Vergangenheit hatte unter anderem Topiramat keinen zufriedenstellenden Therapieeffekt gehabt, und auch drei Zyklen Botulinumtoxin-Injektionen nach PREEMT-Schema brachten keinen Behandlungserfolg. Alle medikamentösen Therapien waren jeweils bis zur zulässigen Höchstdosis auftitriert worden. Auch auf nicht-medikamentöser Seite hatte die Patientin einiges unternommen, um ihre Schmerzen in den Griff zu bekommen. Sie hatte verschiedene Entspannungstherapien ausprobiert, darunter Qi Gong, Yoga und eine Hypnosetherapie. Eine Besserung der Symptomatik war bei allen genannten Therapieansätzen bestenfalls kurzfristig möglich. Es gelang keine anhaltende Reduktion der Frequenz oder der Intensität der Migräneattacken. Dronabinoltherapie statt Implantat Die Empfehlung des Neurologen wurde mit der jungen Patientin hinsichtlich möglicher Konsequenzen des Eingriffs eher kritisch diskutiert. Alternativ wurde ein Therapieversuch mit dem Rezepturwirkstoff Dronabinol (reines Tetrahydrocannabinol, THC) in Form öliger Tropfen (25 mg/ml) begonnen. Initial erhielt die Patientin zwei Tropfen am Abend. Anschließend wurde die Dosis alle drei Tage um jeweils einen Tropfen morgens bzw. abends gesteigert. Da im Verlauf Müdigkeit auftrat, wurde das Aufdosierungsintervall zwischenzeitig auf eine Woche verlängert, womit sich die Müdigkeit gut in den Griff bekommen ließ. Bei einer Dosis von 3-0-3 gtt wurde zusätzlich eine Mittagsdosis eingeführt und Dronabinol bis zu einer Enddosis von 3-3-3 gtt – entsprechend 7,5 mg pro Tag – über einen Zeitraum von insgesamt sechs Wochen aufdosiert. Parallel dazu wurde die Prophylaxe mit Metoprolol über einen Zeitraum von vier Wochen ausgeschlichen. Die nicht medikamentösen Entspannungsmaßnahmen wurden beibehalten. Die Behandlung schlug sehr gut an. Parallel zur langsamen Aufdosierung kam es zu einem kontinuierlichen Rückgang der Frequenz und Intensität der Migräneattacken. Am Ende der Aufdosierung berichtete die Patientin, keine klassischen Migränetage mehr zu haben und lediglich an zwei bis vier Tagen pro Monat Kopfschmerzen vom Spannungstyp zu verspüren, die sich mit konventioneller Kopfschmerzmedikation gut in den Griff bekommen ließen. Die Patientin nimmt die Therapie jetzt seit annähernd zweieinhalb Jahren unverändert ein, ohne dass es bisher Anzeichen für eine Toleranzentwicklung gegeben hätte. Das Sozialleben der Patientin hat sich deutlich verbessert. Die sonstige Basistherapie wurde vollständig abgesetzt. Inzwischen hat die Patientin gelernt, ihre Dronabinol-Dosierung bei Bedarf innerhalb enger Grenzen selbst anzupassen. Insgesamt wurden alle Therapieziele erreicht und zusätzlich konnte eine gravierende invasive Therapiemaßnahme vermieden werden. Kurz gefasst Die junge Patientin hatte ihr halbes Leben lang fast täglich unter therapierefraktärer Migräne und Kopfschmerzen gelitten. Erst ein Therapieversuch mit dem Rezeptur-Cannabinoid Dronabinol (reines THC) führte zu einer dauerhaften Reduktion der Frequenz und Intensität der Migräneattacken von zuvor 28 auf zwei bis vier Kopfschmerztage pro Monat. Kasuistik freundlicherweise zur Verfügung gestellt von einem Interdisziplinären Schmerzzentrum in Österreich Kasuistik: Dronabinol bessert postoperative Nausea Postoperativ leiden Patienten oft an hartnäckiger Übelkeit, die den Kostaufbau erschwert und sich rasch auf den Allgemeinzustand auswirken kann. Bei der hier vorgestellten hochbetagten Patientin konnten neben der anhaltenden postoperativen Übelkeit und Inappetenz weitere Beschwerden mit Hilfe des Wirkstoffs Dronabinol erfolgreich behandelt werden. × Die 83-Jährige musste sich wegen eines Bridenileus mit Dünndarmperforation und Peritonitis einem bauchchirurgischen Eingriff sowie in der Folge einer Relaparotomie mit Vakuumversiegelung unterziehen. Sie wurde anschließend stationär allgemeinchirurgisch versorgt, wobei unter anderem eine Wunddehiszenz mit Wundschmerz zu behandeln war. Postoperativ entwickelte die Patientin zudem bei vorbestehender Demenz ein Delir, stürzte und zog sich Prellungen und eine Nasenbeinfraktur zu. Internistisch kamen erschwerend eine Hypoalbuminämie sowie eine leichte Herzinsuffizienz mit kombiniertem Aortenvitium hinzu. Ziel: Beseitigung der Übelkeit Klinisch im Vordergrund stand nach Verlegung auf eine Normalstation neben anhaltender Unruhe eine starke Übelkeit, in deren Folge es auch aus Angst vor Erbrechen zu ausgeprägter und von der Patientin subjektiv als sehr belastend empfundener Appetitlosigkeit kam. Sie tolerierte allenfalls Suppe. Außerdem klagte sie über Wundschmerzen, die sie auf einer numerischen Rating Skala (NRS) mit 2 bis 3 Punkten quantifizierte. Die Seniorin war deutlich geschwächt und wenig belastbar, aber selbstständig mobil. Sie sorgte sich stark um ihre künftige ambulante und soziale Versorgung. Bei Übernahme nahm die Patientin 3 x 1 Tbl. Metoclopramid/d, Pantoprazol 40 mg 1 x /d, Metamizol 4 x 30 gtt/d, Donepezil 10 mg 1 x /d und Haloperidol 15 gtt ein. Letzteres wurde vor dem Hintergrund von Demenz und Deliranamnese durch Risperidon ersetzt. Trotz Metoclopramid-Therapie besserte sich die Übelkeit über mehrere Tage nicht. Aufgrund der zunehmend prekären Ernährungssituation wurde Eiweiß gegeben und eine hochkalorische Zusatznahrung angesetzt, außerdem eine diätologische Begleitung initiiert mit dem Ziel, den oralen Kostaufbau voranzutreiben. Letzteres blieb erfolglos, da die Übelkeit anhielt. Dronabinol tropfenweise auftitriert In dieser Situation wurde eine Therapie mit Dronabinol (reines Tetrahydrocannabinol) als Rezeptur in Form einer öligen Lösung 25 mg/ml eingeleitet, insbesondere, um die Übelkeit zu lindern und den Appetit zu steigern. Die Dosierung erfolgte besonders behutsam einschleichend mit 2 gtt (1,7 mg THC) am ersten Tag, danach 2-0-3 gtt von Tag 2 bis 6, bis auf 3-3-3 gtt (3 × 2,5 mg THC) als Enddosis ab Tag 10. Zweimal war bei Abdominalschmerzen eine Vorbehandlung mit Butylbromid erforderlich. Unter dem Cannabinoid konnte die anhaltende Übelkeit behoben werden und der Appetit besserte sich. Innerhalb weniger Tage gelang eine Anhebung der oralen Kalorienzufuhr von ca. 550 kcal auf ca. 1300 kcal pro Tag. Zusatznahrung und Eiweißsubstitution wurden zunächst beibehalten. Parallel dazu verbesserten sich die Wundschmerzen auf NRS-Werte zwischen 0 und 1. Insgesamt stieg die Lebensqualität der Patientin in Folge der Dronabinol-Therapie an. Auch die Unruhephasen wurden seltener und schwächer ausgeprägt. Begleitmedikation stark reduziert Metoclopramid konnte beendet werden, da die Übelkeit ganz verschwand. Butylbromid war ebenfalls nicht mehr erforderlich, Haloperidol war zuvor schon beendet worden. Pantoprazol und Metamizol konnten in der Dosis reduziert werden, sodass der Medikationsplan bei Entlassung deutlich schlanker war als bei Übernahme. Die Patientin erhielt Dronabinol während des stationären Aufenthalts für insgesamt 18 Tage. Während dieser Zeit gelang die Klärung der ambulanten, sozialen Versorgung im Sinne der Organisation einer 24-Stunden-Hilfe, was zusätzlich zum Effekt des Cannbinoids die Ängste der Patientin weiter verringerte und letztlich die Entlassung der dementen Frau ermöglichte. Den ambulanten Kollegen wurde empfohlen, die Dronabinol-Behandlung beizubehalten. Die hochbetagte Patientin profitierte nicht nur durch eine Besserung ihrer bis dahin anhaltenden postoperativen Übelkeit und Appetitlosigkeit von der niedrig dosierten Dronabinol-Rezeptur. Auch Unruhe und Schmerzen besserten sich, so dass die Gesamt-Medikation deutlich reduziert werden konnte. Kasuistik freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Geriatrie-Netzwerk Kärnten. Kasuistik: Dronabinol lindert chronisches HWS-Syndrom Chronische Rückenschmerzen sind oft die Ursache einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit. In dieser Kasuistik konnte durch Tetrahydrocannabinol (THC) ein chronisches HWS-Syndrom so verbessert werden, dass eine körperliche Rehabilitation möglich wurde und eventuell sogar eine berufliche Wiedereingliederung gelingen könnte. × Bei dem 61-jährigen Patienten bestanden seit über sechs Jahren ausgeprägte Nackenschmerzen mit radikulärer Ausstrahlung in Richtung linke Schulter auf Basis einer Spinalkanalstenose auf Höhe der Segmente C3/C4 mit einem Wurzelirritationssyndrom im Bereich C4 linksseitig. Berichtet wurde über tägliche, ziehende HWS-Schmerzen, die auf der numerischen Rating Skala (NRS) mit 9 von 10 Punkten (Maximalwert) bzw. 6 von 10 Punkten (Durchschnittswert) quantifiziert wurden. Schmerzbedingt litt der Patient unter Schlafstörungen und Schwindel. Körperliche Aktivität wurde wegen der Schmerzen weitgehend vermieden. Der Patient konnte seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen und war seit mehreren Jahren arbeitsunfähig, mit stark negativen Folgen für die psychosoziale Gesundheit wie Rückzug vom Familienleben, depressive Verstimmung und Zukunftsängste. Formal lag eine Schmerzchronifizierung im Stadium 3 nach Gerbershagen mit hoher schmerzbedingter Funktionseinschränkung (Korff Grad IV) vor. Vortherapien ohne Erfolg Der Patient war über mehrere Jahre mit multimodaler Schmerztherapie unter Berücksichtigung des biopsychosozialen Krankheitsmodells erfolglos behandelt worden. Physiotherapeutische Behandlungen wurden wiederholt wegen Schmerzverstärkung abgebrochen, auch rehabilitative Maßnahmen sowie transkutane elektrische Nervenstimulationen (TENS) blieben ohne Erfolg. Medikamentös hatte der Patient über die Jahre nahezu das gesamte Spektrum der analgetischen Therapien durchlaufen. Opioide wie Tapentadol, Oxycodon/Naloxon, Hydromorphon wurden entweder nicht vertragen oder erreichten keine ausreichende Schmerzlinderung. Pregabalin, Metamizol, Etoricoxib und andere Nicht-Opioid-Schmerzmittel waren genauso wenig effektiv wie eine Behandlung mit dem Muskelrelaxans Tolperison. Invasiv waren paravertebrale und periradikuläre Injektionen wiederholt erfolgt, mit allenfalls kurzfristigem Effekt. Am wirksamsten war eine stationäre, multimodale Therapie, mit der eine letztlich aber auch nur temporäre Distanzierung vom Schmerz erreicht werden konnte. Schmerzlinderung durch THC Wegen der zahlreichen therapeutischen Fehlschläge wurde entschieden, einen Behandlungsversuch mit dem Rezepturarzneimittel Dronabinol 25 mg/ml ölige Lösung zu unternehmen. Die Aufdosierung des Cannabinoids erfolgte über insgesamt neun Tage. Ausgehend von einer Startdosis von 2× zwei Tropfen morgens und abends (entspr. 2× 1,7 mg THC/d) wurde im Tagesrhythmus um jeweils einen Tropfen morgens und abends erhöht, bis zu einer Zieldosis von 10-0-10 gtt (17 mg THC/d) ab Tag neun. Darunter berichtete der Patient über eine deutliche, ihn sehr zufriedenstellende Schmerzlinderung auf 3 von 10 Punkten (Maximalwert) bzw. 1 von 10 Punkten (Durchschnittswert) auf der NRS. Der Patient kommt seither im Alltag besser zurecht und ist wesentlich aktiver. Auch die depressive Stimmung hat sich gelegt: Berichtet wird von mehr Lebensfreude und gesteigertem Antrieb. Stabile Dosis, dauerhafte Besserung Der Patient wird jetzt seit mehreren Monaten in konstanter Dosis mit oralem THC in Kombination mit physiotherapeutischem Funktionstraining und TENS behandelt. Erstmals seit langem wird die Empfehlung zu regelmäßiger sportlicher Tätigkeit konsequent umgesetzt. Sofern eine dauerhafte körperliche Stabilisierung auf dem erreichten Niveau gelingt, könnte eine berufliche Wiedereingliederung erwogen werden, was ein ausdrücklicher Wunsch des Patienten ist. Die Verträglichkeit des Cannabinoids ist gut: Der Patient berichtet lediglich von leichten Merkfähigkeitsstörungen, die ihn aber nicht einschränken. Kurz gefasst Der durch ein chronisches HWS-Syndrom arbeitsunfähige Patient konnte nach mehrjähriger erfolgloser multimodaler Therapie durch eine Behandlung mit dem Wirkstoff Dronabinol körperlich stabilisiert und rehabilitiert werden. Kasuistik freundlicherweise zur Verfügung gestellt von einem Facharzt für Anästhesiologie/spezielle Schmerztherapie, Berlin Patient mit diabetischer PNP mobiler durch Dronabinol Die Polyneuropathie (PNP) ist eine häufige Folge des Diabetes mellitus. Diese Kasuistik beschreibt einen 46-jährigen Patienten mit Typ-1-Diabetes und schwerer diabetischer PNP, bei dem nach zehnjähriger Schmerzanamnese mit Tetrahydrocannabinol (THC) eine deutliche Verbesserung der Gesamtsituation erreicht wurde. × Der Patient mit langjährigem Typ-1-Diabetes hatte bei der Erstverordnung des Rezepturwirkstoffes Dronabinol bereits eine zehnjährige Schmerzanamnese hinter sich. Den Anfang machten als muskuloskelettal interpretierte, unspezifische Rückenschmerzen, die sich auf die Gelenke zu einem multilokulären Schmerzsyndrom ausweiteten. Die muskuloskelettalen wurden zunehmend überlagert durch polyneuropathische Schmerzen, die im Verlauf mehrerer Jahre zum Hauptproblem des Patienten wurden. Formal lag eine hauptsächlich polyneuropathische Schmerzerkrankung im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen vor, die mit weiteren neurologischen Symptomen, wie Funktionsstörungen im Gangbild, Gleichgewichtsstörungen, Hypästhesien sowie feinmotorischen Störungen einherging. Auch die seelische Gesundheit des Patienten litt unter den Auswirkungen der Erkrankung – bis hin zu Suizidversuchen –, sodass eine psychiatrische Behandlung initiiert wurde. Erschwerend entwickelten sich ausgeprägte Durchschlafstörungen, die der Patient mit nächtlichen Schmerzattacken erklärte. Schmerztherapie war ausgereizt Gemäß der multimodalen Schmerztherapie erhielt der Patient neben Schmerzedukation eine Physiotherapie und betätigte sich sportlich im Rahmen seiner Möglichkeiten. Die antineuropathische Behandlung war medikamentös ausgereizt: Gabapentin 800 mg 3× 2 Tbl./Tag, dazu Tapentadol retard 3× 250 mg, außerdem Metamizol-Tropfen nach Bedarf, maximal 4× 40 gtt/Tag. Zusätzlich erhielt der Patient das Antidepressivum Milnacipran (50-50-0 mg) sowie Trazodon 100 mg. Wegen des Gesamtbildes aus Schmerz, Schlafstörung und eingetrübter Stimmung wurde der Patient als therapierefraktär eingestuft. Zu den brennenden Schmerzen an Füßen und Unterschenkeln, mit teils stechend-einschießenden Schmerzattacken bis 10 Punkte auf der numerischen Rating Skala (NRS), kamen unerwünschte Wirkungen insbesondere der Schmerz- und Begleittherapeutika, bei denen die empfohlenen Tagesdosierungen teils deutlich überschritten wurden. Konkret wurde über Schwitzen, kognitive Einschränkungen und eine starke Tagesmüdigkeit berichtet. Schmerzlinderung unter Dronabinol Der Behandlungsversuch mit dem Rezepturwirkstoff Dronabinol in Form öliger Tropfen (25 mg/ml) hatte das primäre Therapieziel, eine Schmerzlinderung sowie eine Dosisreduktion insbesondere von Gabapentin und Tapentadol aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen zu erreichen. Sekundär wurde eine Verbesserung von Mobilität, Feinmotorik und Schlaf angestrebt. Die Eindosierung des Cannabinoids begann mit 3 Tropfen abends, mit schrittweiser Steigerung auf bis zu 5-0-5 Tropfen. Die Evaluation von Wirksamkeit und Verträglichkeit führte zu einer weiteren Aufdosierung auf 5-5-5 Tropfen (entspr. 12,5 mg THC), zunächst ohne Änderung der sonstigen Medikation. Die Schmerzen gingen deutlich zurück auf nur noch maximal 4 Punkte der NRS. Der Nachtschlaf verbesserte sich stark. Gabapentin konnte auf 800 mg 3× 1 Tbl./Tag halbiert werden, mit entsprechendem Rückgang der Tagesmüdigkeit und Verbesserung der Kognition. Das Opioid konnte leicht auf 250-200-250 mg reduziert werden. Mehr Mobilität und weniger Gewicht Im Verlauf wurde Dronabinol nur noch nach Bedarf – 2-3 Tropfen circa 4× pro Woche – genommen. Für eine bessere Handhabung im Alltag wurde auf Kapseln à 2,5 mg THC umgestellt. Dies wird jetzt seit acht Monaten unverändert beibehalten. Neben Schmerzverbesserung und Verringerung der unerwünschten Wirkungen von Gabapentin/Tapentadol verbesserte sich auch die Mobilität. Es kam zu einer Gewichtsabnahme mit Anpassung der Insulindosis. Der Patient selbst bewertet seine Schmerzsituation heute als so gut „wie schon lange nicht mehr“. Kurz gefasst Nach 10-jähriger Schmerzerfahrung aufgrund einer diabetischen Polyneuropathie wurde der Patient durch die Add-on-Behandlung mit dem Cannabinoidwirkstoff Dronabinol nahezu schmerzfrei und deutlich mobiler. Kasuistik freundlicherweise zur Verfügung gestellt von einem Facharzt für Anästhesiologie, Hamburg Impressum MS-Patientin: mit Cannabinoiden zurück ins Leben Literaturarbeit Artikel gedruckt in Ärzte Zeitung Nr. 107-195D, Freitag/Samstag, 11./12. Oktober 2019 Z. n. Apoplex: Dronabinol bessert Appetit und Schlaf Literaturarbeit Artikel gedruckt in Ärzte Zeitung Nr. 113-205D, Freitag/Samstag, 25./26. Oktober 2019 Kasuistik: Dauer-Migräne sistiert unter Dronabinol Literaturarbeit Artikel gedruckt in Ärzte Zeitung Nr. 118-214D, Freitag/Samstag, 8./9. November 2019 Kasuistik: Dronabinol bessert postoperative Nausea Literaturarbeit Artikel gedruckt in Ärzte Zeitung Nr. 124-224D, Freitag/Samstag, 22./23. November 2019 Kasuistik: Dronabinol lindert chronisches HWS-Syndrom Literaturarbeit Artikel gedruckt in Ärzte Zeitung Nr. 130-234D, Freitag/Samstag, 6./7. Dezember 2019 Patient mit diabetischer PNP mobiler durch Dronabinol Literaturarbeit Artikel gedruckt in Ärzte Zeitung Nr. 133-239D, Freitag/Samstag, 13./14. Dezember 2019 Berichterstattung: Philipp Grätzel von Grätz, Berlin Mit freundlicher Unterstützung der Bionorica ethics GmbH, Neumarkt Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Teresa Windelen Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: MS-Patientin: mit Cannabinoiden zurück ins Leben PDF: Z. n. Apoplex: Dronabinol bessert Appetit und Schlaf PDF: Kasuistik: Dauer-Migräne sistiert unter Dronabinol PDF: Kasuistik: Dronabinol bessert postoperative Nausea PDF: Kasuistik: Dronabinol lindert chronisches HWS-Syndrom PDF: Patient mit diabetischer PNP mobiler durch Dronabinol

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