„Die Suche nach den richtigen Antigenen“

CAR-T-Zelltherapie und therapeutische Vakzinierung waren Schwerpunkte bei der 16. CIMT-Tagung in Mainz. Professor Hans-Georg Rammensee beschreibt Schwierigkeiten und Hoffnungen, die mit der Umsetzung der Strategien verbunden sind. Herr Professor Rammensee, CAR-T-Zellen zur Therapie bei Krebs haben es bis in die Klinik geschafft und waren auch Thema bei der 16. CIMT-Jahrestagung in Mainz. Die Forschung wird durch das Netzwerk CARAT gefördert. Worum handelt es sich dabei? Professor Hans-Georg Rammensee: Das ist ein Konsortium, an dem unter anderem das Paul-Ehrlich-Institut in Langen beteiligt ist. Koordiniert wird das EU-Projekt von Wissenschaftlern des Unternehmens Miltenyi. Ziel des Projekts ist unter anderem, die CAR-T-Zelltherapie so zu entwickeln, dass die Zellen in Universitätskliniken selbst – und damit kostengünstiger als bisher – hergestellt werden können. Bei dieser Therapie handelt es sich um einen T-Zell-Transfer, der derzeit sehr teuer ist. Professor Rupert Handgretinger, der Leiter der Kinderklinik hier in Tübingen, versucht, CAR-T-Zellen vor Ort herzustellen, ähnlich etwa wie Stammzellen. Allerdings muss er mit gewaltigen Hindernissen durch die regulierenden Behörden, die an veraltete Gesetze gebunden sind, kämpfen. Gab es in Deutschland früher schon Versuche, mit CAR-T-Zellen klinische Studien zu beginnen? Das Prinzip der CAR-T-Zelltherapie wurde bereits in den 1990er-Jahren von Professor Zelig Eshhar vom Weizmann-Institut in Rehovot in Israel erfunden. Das haben dann andere Wissenschaftler weiterentwickelt. Professor Hinrich Abken an der Universität Köln hat schon 1999 versucht, CAR-T-Zellen in einer Studie klinisch zu prüfen. Durch regulatorische Bedingungen wurde dies jedoch verhindert. Jetzt wird diese Technik für teures Geld aus den USA eingeführt, obwohl Kosten von nur 100.000 statt mehr als 400.000 Euro möglich wären. Schuld sind die regulatorischen Bedingungen in Deutschland, bei denen z. B. erleichternde EU-Richtlinien nicht entsprechend umgesetzt wurden. Ich wünsche mir, dass sich der neue Gesundheitsminister Jens Spahn um dieses Problematik kümmert. Ich würde gerne mal mit ihm darüber sprechen, am besten zusammen mit Professor Handgretinger und PEI-Vertretern. Sie sind einer der drei Koordinatoren des Forschungsprogramms "Krebsimmuntherapie" am DKTK (Deutsches Konsortium Translationale Krebsforschung). Welche Schwerpunkte hat es? Das Programm hat vier Schwerpunkte, und zwar außer der zellulären Behandlung inklusive der CAR-T-Zell-Therapie die therapeutische Vakzinierung, Strategien mit bispezifischen oder direkt Tumoren erkennenden Antikörpern sowie Kombinationstherapien. Dieses Forschungsprogramm gibt es seit Gründung des DKTK im Jahr 2012. Auch die therapeutische Vakzinierung gegen Krebs, einer der Schwerpunkte, gewinnt in der Onkologie an Bedeutung. Womit ist der größte Erfolg zu erwarten: mit Antigenen, mit Zellen? Mit Zellen wäre es nur dann eine Vakzinierung, wenn Tumorzellen als Lysat verwendet würden. Aus meiner Sicht ist jedoch der größte Erfolg mit Antigenen zu erwarten, und zwar mit Peptiden, die tumorspezifisch sind und die wir mit unserer Methode der HLA-Ligandom-Analyse finden. Dazu gab es auf der Tagung eine ganze Reihe wissenschaftlicher Poster. Ich erwarte, dass die Vakzinierung in Kombination mit einem effektiven Adjuvans (Impfverstärker) endlich funktioniert – bisher waren alle Vakzinierungsstudien letztlich erfolglos. Eine Krebsimpfung mit Boten-RNA dürfte ähnlich erfolgreich sein wie mit Peptiden und Adjuvans. Der Vorteil: Wenn wir Peptide oder die entsprechenden RNA-Moleküle verwenden, dann werden ausschließlich jene Antigene eingesetzt, mit denen die T-Zellen tatsächlich reagieren sollen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass durch Vakzinierung mit Peptiden und einem neuen, bei uns in Tübingen entwickelten Adjuvans (XS15) sehr gute Immunantworten erzielt werden. Was noch fehlt, sind Phase-3-Studien, die zeigen, dass das auch zu einem klinischen Erfolg führt. Bei Verwendung von RNA muss die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. Das ist den Unternehmen BioNTech in Mainz und CureVac in Tübingen gelungen. In den letzten Jahren ist die Mikroumgebung von Tumoren, das Tumor Microenvironment (TME), immer mehr in den Fokus gerückt. Es wirkt stark immunsuppressiv. Wie lässt sich dies im Sinne einer erfolgreichen Krebstherapie überwinden? Das geht zum Beispiel bereits sehr erfolgreich durch die Checkpointhemmer. Das ist ja einer der Erfolge dieser Antikörpertherapie. Eine Eigenschaft des TME ist, dass es die T-Zellantwort über PD-1/PD-L1-Bindung inhibiert. Die Antikörper verhindern die Bindung zwischen dem Rezeptor auf T-Zellen und dem Liganden auf Krebszellen, was die Immunsuppression aufhebt. Gibt es noch weitere Angriffspunkte im TME? Ein weiteres Beispiel ist STING, ein Immunaktivierungsmolekül, das ähnlich wirkt wie ein Adjuvans. Es wird verabreicht, um Immunzellen innerhalb des Tumors zu aktivieren. Nach erfolgreichen Tierversuchen haben erste klinische Studien begonnen. Die Firma CureVac, eine Ausgründung aus meiner Abteilung, hat jetzt intratumoral verabreichte einzelsträngige RNA, ebenfalls als Adjuvans, ausprobiert, um das TME so zu ändern, dass zum einen Immunzellen Tumoren infiltrieren und zum anderen die Zellen, die bereits im Tumor sind, etwa Makrophagen, aktiviert werden. Das führt offensichtlich dazu, dass weitere Immunzellen in den Tumor wandern. Was ebenfalls das TME verändert, sind altbekannte Chemotherapeutika wie 5-Fluorouracil oder auch Platinverbindungen. Wir erforschen in Tübingen derzeit die Wirksamkeit einer intratumoralen Injektion von Adjuvanzien, also von Immunaktivatoren, kombiniert mit lokaler Bestrahlung. Nach erfolgreichen Mausversuchen wollen wir das auch klinisch prüfen. Bei der Substanz handelt es sich um XS15, das ist ein Ligand des Toll-like-Rezeptors TLR-2. Wir wollen XS15 aber zunächst in einer First-in-man-Studie als Adjuvans einer Peptidvakzinierung verwenden und hoffen, noch 2018 beginnen zu können. Grundlage ist ein lipophiler Immunaktivator aus der Zellmembran von Escherichia coli, den wir als wasserlösliches Molekül neu entwickelt haben. Das ist als Medikament leichter herstellbar als das ursprüngliche Bakterienmolekül. Eine weitere von uns verfolgte Möglichkeit ist der Einsatz neuartiger bispezifischer Antikörper, die TME-spezifische Antigene erkennen und dann in der Nähe befindliche T-Zellen aktivieren. Und was ist mit Bestrahlungen? Die haben ebenfalls eine Immunkomponente, und das wurde auch schon lange (meist unbewusst) genutzt. Wie beim CIMT unter anderem berichtet wurde, tötet eine Bestrahlung nicht nur die Tumorzellen ab, sondern beeinflusst auch das TME, indem es Immunantworten gegen Tumorantigene induziert. Der Effekt der Bestrahlung ist sehr stark dosisabhängig. Zu hohe Dosen töten auch die Immunzellen ab. Der Effekt der Dosis ist je nach Tumorart unterschiedlich. Welchen Stellenwert haben dendritische antigenpräsentierende Zellen für die Vakzinierung? Dendritische Zellen werden schon seit mehr als 30 Jahren erforscht. Die Zellen sind immer beteiligt, auch wenn man nur mit Peptiden oder Boten-RNA vakziniert. Diese Antigene werden auf diesen Zellen in Patienten präsentiert, und das löst die T-Zell-Antwort aus. Man kann auch, wie beim CIMT berichtet wurde, die dendritischen Zellen eines Patienten isolieren, mit Antigenen beladen und dann wieder reinfundieren. Das funktioniert sehr gut, ist aber sehr umständlich. Was die Vakzinierung betrifft, so gibt es auch hier derzeit noch keine erfolgreich abgeschlossene Phase-3-Studie. Was macht die Entwicklung solcher Impfstoffe so schwierig? Zunächst ist es schwierig, die richtigen Antigene auf Tumorzellen zu finden. Mehreren Forschergruppen ist dies aber doch etwa mit mutierten Antigenen, sogenannten Neoantigenen gelungen. Das sind zwar die besten Antigene, aber sie kommen bei den meisten Krebspatienten nicht vor. Es gibt jedoch tumorspezifische Antigene, die eine vergleichbar starke Immunantwort auslösen können. Wir haben gemeinsam die HLA-Ligandom-Analyse entwickelt, mit der sich solche tumorspezifischen Antigene finden lassen. Diese Methode wird auch von Immatics benutzt. Wie funktioniert die Methode? Wir prüfen zunächst, welche Antigene auf Tumoren und welche auf Normalgewebe zu finden sind. Es handelt sich dabei um Peptide, die auf den HLA- bzw. MHC-Oberflächenmolekülen sitzen und als HLA-Liganden bezeichnet werden. Peptide, die nicht auf Normalgewebe vorkommen, sondern nur auf Krebszellen, sind tumorspezifisch und können für die personalisierte Vakzine verwendet werden. Man kann zwar eine solche Vakzine auch auf Basis von RNA oder mithilfe von Viruskonstrukten herstellen. Aber Peptide zu verwenden ist das Einfachste. Ist die Immuntherapie wirksam genug, um sie künftig als Monotherapie gegen Krebs einsetzen zu können? Nein, sie ist bisher gewissermaßen die vierte Säule der Krebstherapie und kann bei den meisten Patienten nicht allein angewendet werden. Meist erfolgt zunächst die chirurgische Resektion und dann zukünftig entweder die Immuntherapie oder die bisherige Chemotherapie mit Bestrahlung. Ist das Immunsystem inzwischen komplett verstanden? Man hat zwar bisher die wesentlichen Bestandteile des Immunsystems verstanden, aber komplett noch lange nicht. Das wird man wahrscheinlich nie können. So hat man zum Beispiel erst jetzt entdeckt, dass in Tumoren offenbar Tausende verschiedener T-Zell-Subgruppen vorhanden sind. Zur Person die arge lola × Professor Hans-Georg Rammensee ist Leiter der Abteilung Immunologie am Interfakultären Institut für Zellbiologie der Universität Tübingen. Schwerpunkt seiner Forschung ist die translationale Immunologie mit Fokus auf T-Zell-Biologie, Antikörper, Antigenpräsentation und angeborener Immunität. Bis heute hat seine Abteilung drei Ausgründungen (Spin-Offs) zu verzeichnen: Immatics, CureVac und Synimmune.

Springer Medizin

„Die Suche nach den richtigen Antigenen“

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Onkologie

Bei Senioren mit Prostatakarzinom auf Anämie achten!

ICI-Therapie in der Schwangerschaft wird gut toleriert

Krebspatienten impfen: Was? Wen? Und wann nicht?

Müde im Alter? Auch an die Nebenniere denken

Update Onkologie