Blasenkarzinom: Leitlinienadhärenz noch mangelhaft

Urologen und Onkologen orientieren sich zwar in der palliativen Systemtherapie bei Patienten mit Harnblasenkarzinom im Wesentlichen an der ersten deutschen S3-Leitlinie. Dies ist jedoch bei der Indikation für die intravesikale Instillationstherapie und die (neo)adjuvante Chemotherapie noch nicht der Fall, wie einer Umfrage zu entnehmen ist. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Im November 2016 wurde die erste deutsche S3-Leitlinie „Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms“ veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt begann eine Umfrage zur Versorgungssituation vor allem bei der medikamentösen Therapie. Sie endete Mitte März 2017. Von mehr als 4000 per E-Mail angeschriebenen urologischen Kollegen waren 281 bereit, den Fragebogen auszufüllen. 278 Bögen ließen sich schließlich auswerten. Wie Dr. Marie Christine Hupe vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck und ihre Kollegen berichten, wurden mit einem Anteil von 82% die meisten Fragebögen von Urologen beantwortet. An der Umfrage teilgenommen hatten zu 51% Kliniken – 11% Unikliniken und 40% Versorgungskliniken – sowie zu 49% Praxen und Medizinische Versorgungszentren. Das Patientenaufkommen sei in fast allen Indikationen und Lokalisationen in der Urologie deutlich höher gewesen als in der Onkologie, so die Ärzte. Intravesikale Chemotherapie bevorzugt in Kliniken Aus den Ergebnissen der Umfrage lesen die Ärzte ab, dass die intravesikale Chemotherapie offenbar bevorzugt in Kliniken vorgenommen wird. In Praxen und Kliniken gleich häufig erfolge dagegen die BCG-Instillation. Eine Verzerrung der Daten schließen sie allerdings nicht aus. Etwas mehr als jeder Zweite verabreicht der Umfrage zufolge „prinzipiell“ eine neoadjuvante Therapie, vier von fünf Befragten eine adjuvante Behandlung. Etwa 48% der Ärzte applizieren 4–6 Zyklen einer adjuvanten und 76% ebenso viele Zyklen einer neoadjuvanten Therapie. Damit weichen sie von der Leitlinie ab, in der nur 3–4 Zyklen empfohlen werden. Die höhere Zyklenzahl in der Neoadjuvanz sei vor allem bei Onkologen festzustellen, so die Ärzte. Um eine Op. nicht zu verzögern oder den Allgemeinzustand vor dem Eingriff nicht zu stark einzuschränken, sollten besonders in der Neoadjuvanz nicht mehr als vier Zyklen verabreicht werden. Am stärksten mit der Leitlinie konform gehen die Antworten der Befragten zum fortgeschrittenen bzw. metastasierten Urothelkarzinom. Am häufigsten wird hier in der Erstlinie Gemcitabin/Cisplatin verabreicht (˃ 90%). Bei körperlich nicht fitten Patienten gaben 54% an, auf die Kombination Gemcitabin/Carboplatin zurückzugreifen. In der Zweitlinie verabreichen 65% der Befragten Vinflunin, aber auch 3% bereits eine Immuntherapie. Für die Drittlinientherapie gibt es in der S3-Leitlinie allerdings noch keine Empfehlungen zur Immuntherapie. Dennoch gaben 9% an, nach der Zweittherapie eine Immuntherapie anzuwenden. Seit Juni 2017 – also nach dem Ende der Befragung – sind die Immuntherapeutika Nivolumab, Pembrolizumab und Atezolizumab zugelassen worden. „Anhand unserer Daten wird deutlich, dass eine Immuntherapie vor der Zulassung deutlich häufiger an Universitätskliniken verabreicht wurde, z. B. im Rahmen von Studien“, so die Ärzte. Hupe und ihre Kollegen gehen davon aus, dass die Immuntherapie die Therapielandschaft beim fortgeschrittenen/metastasierten Urothelkarzinom in den vergangenen Monaten entscheidend verändert hat und langfristig prägen werde. Entsprechend sei eine neue Umfrage geplant. Deren Ergebnisse werden noch in diesem Jahr erwartet. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie ist die Versorgungssituation bei Patienten mit Harnblasenkarzinom kurz nach der Veröffentlichung der ersten deutschen Leitlinie? Antwort: Die Fragebogenaktion verdeutlicht, dass sich Urologen und Onkologen zwar in der palliativen Systemtherapie im Wesentlichen an der Leitlinie orientieren, dies ist jedoch bei der Indikation für die intravesikale Instillationstherapie und die (neo)adjuvante Chemotherapie noch nicht der Fall. Bedeutung: Die Leitlinienadhärenz kann noch verbessert werden. Einschränkung: Zum Zeitpunkt der Umfrage – Ende 2016, Anfang 2017 – stand noch kein Präparat zur Immuntherapie von Patienten mit lokal fortgeschrittenem bzw. metastasierten Urothelkarzinom zur Verfügung. Die Ergebnisse einer Folgeumfrage zur aktuellen Versorgungssituation werden noch 2018 erwartet.

Springer Medizin

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