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27.03.2018 | Chirurgische Infektionslehre | Nachrichten

Einmaltücher schützen nicht

Nach dem Anruf im OP ist der Chirurg nicht mehr steril

verfasst von: Dr. Elke Oberhofer

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Telefonieren im OP birgt offenbar ein nicht unerhebliches Kontaminationsrisiko, auch wenn man den Hörer oder das Handy mit einem sterilen Tuch ans Ohr hält. Forscher aus Florida haben nachgewiesen, dass pathogene Keime sehr leicht durch den Stoff auf den Handschuh gelangen.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Während der Op. klingelt das Telefon, der Chirurg unterbricht kurz seine Tätigkeit, nimmt ein steriles Tuch und greift damit zum Hörer. Bislang war das gängige Praxis in vielen OP-Sälen. Ein Team der Universität Florida warnt jedoch, dass der Handschuh danach wahrscheinlich nicht mehr steril ist. Die Forscher konnten zeigen, dass erstens auf dem Hörer mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl pathogener Keime sitzt, und dass diese sich, zweitens, durch das vermeintlich schützende sterile Tuch nicht abhalten lassen, den Handschuh des Operateurs zu besiedeln.

Das Team um Abigail Schirmer hatte von vier Telefonhörern, die in einem betriebsamen OP im Einsatz waren, Oberflächenabstriche genommen und inkubiert. In drei Fällen ließen sich mittels PCR pathogene Stämme nachweisen, darunter Micrococcus luteus, Staphylococcus epidermidis, Microbacterium insulae, Actinomyces und Staphylococcus pasteuri. Nur von einem Handy war die Kultur frei von Bakterien.

Durchlässigkeit mit Leuchtsubstanz getestet

In einem zweiten Versuch wurde die Durchlässigkeit eines typischerweise im OP verwendeten sterilen Einwegtuchs getestet. Dazu bestreuten die Forscher einen glatten Plastikgegenstand mit GloGerm™-Pulver. Letzteres ist eine extra zu Trainingszwecken hergestellte Substanz, deren Partikeldurchmesser dem von Mikroben entspricht (0,5 – 4,0 µm). Die besondere Eigenschaft des Pulvers besteht darin, dass es unter UV-Licht leuchtet.

Das sterile Tuch wurde auf den kontaminierten Plastikgegenstand gelegt, dieser wurde sodann mit einer behandschuhten Hand aufgenommen und 30 Sekunden lang gehalten. Schließlich wurde der Handschuh mit UV-Licht bestrahlt – und siehe da, das leuchtende Pulver war mit bloßem Auge auf dem zuvor sterilen Handschuh sichtbar.

Zuletzt wurde das Experiment in einem gestellten Operations-Setting durchgeführt. Dabei wurden 17 Hörer sowie die Handschuhe, mit denen sie durch ein steriles Tuch hindurch gehalten worden waren, untersucht. Auf den Hörern fanden sich im Mittel zehn koloniebildende Einheiten. In 47% der Fälle hatte eine Übertragung vom Telefon auf den Handschuh stattgefunden.

Sterile Tücher werden während der Op. häufig benutzt, nicht nur um schnell mal zum Telefonhörer oder Handy zu greifen, sondern auch, um damit etwa die Stirnlampe oder Lupe zu adjustieren. Da Letztere nicht notwendigerweise steril seien, so Schirmer et al., laufe man jedes Mal Gefahr, sich auf diesem Wege zu kontaminieren.

Erst vor Kurzem haben Forscher aus Indianapolis (USA) nachgewiesen, dass auch von Einmalhauben eine gewisse Kontaminationsgefahr ausgeht (wir berichteten).

Handys, welche ebenfalls im OP häufig zum Einsatz kommen, wurden in der vorliegenden Studie nicht eigens untersucht; man muss aber davon ausgehen, so Schirmer und ihr Team, dass es sich hier ähnlich verhält wie beim OP-Telefon. Als Regel sollte demnach künftig gelten: Nach dem Telefonieren Handschuhe wechseln!

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Schützen sterile Tücher vor einer Keimübertragung beispielsweise vom Telefon auf den Handschuh?

Antwort: Dies ist nicht der Fall; Mikroben können das Tuch durchdringen.

Bedeutung: Die gängige Praxis, während der Op. zu telefonieren und sich dabei mit einem Einmaltuch vor Kontamination zu schützen, muss überdacht werden.

Einschränkung: Ob sich damit Infektionen verhindern lassen, wurde nicht untersucht. Auch Handys waren nicht Gegenstand der Studie.


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