Skip to main content
Erschienen in: Die Innere Medizin 2/2022

Open Access 11.01.2022 | Chronische Herzinsuffizienz | Facharzt-Training

68/m mit Dyspnoe, peripheren Ödemen und Gewichtsverlust

Vorbereitung auf die Facharztprüfung: Fall 134

verfasst von: Dr. med. C. Kimmich

Erschienen in: Die Innere Medizin | Sonderheft 2/2022

Begleitmaterial
Video Vierkammerblick in Echokardiographie. (Zentrale Notaufnahme, Klinikum Oldenburg)
Hinweise

Redaktion

M. Hoechstetter, München

Video online

Die Online-Version dieses Beitrags (https://​doi.​org/​10.​1007/​s00108-021-01217-4) enthält 1 Video. Das Video steht Ihnen auf www.​springermedizin.​de zur Verfügung. Bitte geben Sie dort den Beitragstitel in die Suche ein, das Video finden Sie beim Beitrag unter „Ergänzende Inhalte“.
QR-Code scannen & Beitrag online lesen

Prüfungssimulation

Fallschilderung

Ein 68-jähriger Mann (180 cm, 75 kg) wird aufgrund ausgeprägter Dyspnoe NYHA III (New-York-Heart-Association-Stadium III) und thorakalen Druckgefühls bei Belastung von einem niedergelassenen Kollegen in der internistischen Notaufnahme vorgestellt. Der Patient berichtet von schleichend zunehmender Atemnot beim Treppensteigen seit mehreren Wochen und einer allgemeinen Abnahme der körperlichen Belastbarkeit seit einem halben Jahr. Die Unterschenkelödeme zeigten sich nach Beginn einer Therapie mit Torasemid 5 mg allenfalls leicht rückläufig. Weiterhin werden Reizhusten und eine störende Nykturie (3-mal/Nacht) beklagt. Letztere zeigt seit mehreren Monaten trotz Einnahme von Tamsulosin 0,4 mg keine Besserung.
Zudem erfolgte vor Kurzem eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) zur Abklärung von Magenschmerzen und Inappetenz bei ungewolltem Gewichtsverlust von 5 kg. Hierbei zeigte sich lediglich eine Gastritis Typ C, die temporär mit Pantoprazol 40 mg behandelt wurde. Das Gewicht konnte seitdem stabil gehalten werden. Mittels Computertomographie (CT) des Abdomens wurde bereits eine abdominelle Raumforderung ausgeschlossen. Die Nierenfunktion ist mit einem Kreatininwert von 1,42 mg/dl (errechnete glomeruläre Filtrationsrate 52 ml/min pro 1,73 m2) leicht eingeschränkt.

Prüfungsfragen

  • An welche Differenzialdiagnosen denken Sie primär und warum? Worauf achten Sie in der körperlichen Untersuchung? Ergänzen Sie ggf. zielführend die Anamnese.
  • Welche nächsten diagnostischen Schritte leiten Sie ein?
  • Was fällt Ihnen im echokardiographischen Bild (Abb. 2) auf?
  • Nennen Sie mögliche differenzialdiagnostische Ursachen einer Myokardhypertrophie. Welche Diagnose erscheint in Anbetracht der vorliegenden Informationen am wahrscheinlichsten? Welchen Laborwert sollten Sie trotz dieser Verdachtsdiagnose erneut kontrollieren?
  • Welche weiteren diagnostischen Schritte leiten Sie ein?
  • Nennen Sie weitere Punkte, die auf eine systemische Amyloidose hinweisen können.
  • Was veranlassen Sie bei nachgewiesener monoklonaler Gammopathie?
  • Wie lautet die bisherige Diagnose? Wie können Sie die systemische Amyloidose sichern?
  • Wie behandeln Sie eine systemische Amyloidose? Was ist vor Einleitung einer Therapie zwingend erforderlich?

Antworten

An welche Differenzialdiagnosen denken Sie primär und warum? Worauf achten Sie in der körperlichen Untersuchung? Ergänzen Sie ggf. zielführend die Anamnese

  • Lungenarterienembolie (Dyspnoe, Reizhusten, Unterschenkelödeme)
  • Myokardinfarkt/instabile Angina pectoris (Dyspnoe, epigastrische Schmerzen)
  • Hypertensive, ischämische oder amyloidosebedingte Kardiomyopathie (Dyspnoe, Reizhusten, Nykturie, bekannter Hypertonus)
  • Malignom: Bronchialkarzinom, akute Leukämie (Dyspnoe, Reizhusten, ungewollter Gewichtsverlust)
  • Pneumonie (Dyspnoe, Reizhusten)
  • Glomerulonephritis mit nephrotischem Syndrom (Unterschenkelödeme, Nykturie, chronische Niereninsuffizienz)
Der Fall.
Wichtige Punkte der körperlichen Untersuchung: Temperaturmessung (36,7 °C), Vitalparameter (Blutdruck 100/60 mm Hg; Puls 88 Schläge/min, rhythmisch, regelmäßig; Atemfrequenz 14/min), Mundschleimhäute rosig und reizlos, gestaute Halsvenen in aufrecht sitzender Position, peripherer Lymphknotenstatus unauffällig, regelrechter kardialer Auskultationsbefund, abgeschwächtes Atemgeräusch basal rechts mit fehlender Atemverschieblichkeit in der Perkussion der Lunge, Leber in Medioklavikularlinie 1 cm unter Rippenbogen weich palpabel, Abdomenbefund ansonsten unauffällig. Symmetrische Unterschenkel- und prominente Knöchelödeme
Gezielte Anamnese
  • Symptomorientiert: Inappetenz, kein Brust- oder Oberbauchschmerz. keine Dysurie. kein schäumender oder dunkler Urin
  • Vegetativ: ungewollter Gewichtsverlust von 5 kg, kein Alkohol- oder Nikotinabusus. Kein Fieber oder Nachtschweiß
  • Voroperationen und weitere Erkrankungen: Z.n. Hüfttotalendoprothese rechts 2010; im Anschluss tiefe Beinvenenthrombose (TVT). Z.n. Cholezystektomie, Z. n. Gastritis Typ C, chronische Niereninsuffizienz G3b (Stadieneinteilung nach Kidney Disease: Improving Global Outcomes [KDIGO] 2012)
  • Familien‑/Sozialanamnese mütterlicherseits positiv für Diabetes mellitus Typ 2. Keine Malignome oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Familienanamnese bekannt. Verheiratet, kinderlos, Angestellter mit hauptsächlicher Bürotätigkeit
  • Medikamente: aktuell lediglich Torasemid 5 mg 1‑0‑0 und Tamsulosin 0,4 mg 0‑0‑1
  • Allergien: keine bekannt

Welche nächsten diagnostischen Schritte leiten Sie ein?

Labordiagnostik (Tab. 1), Elektrokardiogramm (EKG; Abb. 1a, b) und Echokardiographie (Abb. 2 und Video), Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen (Abb. 3a, b). In Anbetracht der Anamnese mit Z. n. TVT und Dyspnoe wäre auch eine CT des Thorax mit Kontrastmittel möglich, wobei die chronische Niereninsuffizienz hierbei eine relative Kontraindikation darstellt.
Tab. 1
Relevante Befunde der Labordiagnostik
Chronische Niereninsuffizienz Grad 3b (Stadieneinteilung nach Kidney Disease: Improving Global Outcomes [KDIGO] 2012)
Verlängerung der International Normalized Ratio (INR)
Erhöhung der Cholestaseparameter: alkalische Phosphatase (AP), γ‑Glutamyltransferase (GGT)
Minimale Erhöhung der Alanin-Aminotransferase (ALT)
Latente Hypothyreose (thyreoideastimulierendes Hormon erhöht bei normwertigem freiem Thyroxin)
Erhöhtes hochsensitives Troponin mit 49 ng/l (Norm < 14 ng/l)
Hypokaliämie
NT-proBNP mit 6178 ng/l deutlich erhöht (altersspezifische Norm < 125 ng/l)
Urinstatus mit Ausnahme geringer Proteinurie unauffällig
NT-proBNP N-terminales pro-natriuretisches Peptid vom B‑Typ
  • Labordiagnostik inklusive Differenzialblutbild, Troponin, Kreatinin, Harnstoff, Gerinnungsdiagnostik, Transaminasen und Cholestaseparameter, Bilirubin, ggf. D‑Dimere (in aktuellem Fall nicht erfolgt), Bestimmung des thyreoideastimulierenden Hormons und des N‑terminalen pro-natriuretischen Peptids vom B‑Typ (NT-proBNP), Urinstatus (Tab. 1)
  • Befund EKG (Abb. 1a, b): Sinusrhythmus, 90 Schläge/min, Überdrehter Rechtstyp, R‑Verlust V1–V3, verzögerte R‑Progression über der Vorderwand mit R‑/S-Umschlag V5/V6, S‑Persistenz bis V6
  • Befund Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen (Abb. 3a, b): mittelständiges, nicht verbreitertes Mediastinum. Dilatierte Herzsilhouette mit angedeuteter Bocksbeutelform, passend zu einem Perikarderguss. Geringe Zeichen einer pulmonalvenösen Stauung. Keine umschriebenen Infiltrate. Minimale Pleuraergüsse beidseits, rechts mehr als links

Was fällt Ihnen im echokardiographischen Bild auf?

Septumbetonte Myokardhypertrophie, Vergrößerung beider Vorhöfe mit Perikardergusslamelle
Befund Echokardiographie:
  • Linker Ventrikel normal groß, hochgradig hypertrophiert (Septumdicke 20 mm). Linksventrikuläre Kontraktilität normal bei einer Ejektionsfraktion von 60 %
  • Strain-Analyse: longitudinale basale Hypokinese mit apikaler Aussparung („apical sparing“)
  • Aorten- und Mitralklappe sowie Trikuspidalklappe fibrosiert mit Insuffizienz Grad I, keine Stenosen
  • Systolischer Pulmonalarteriendruck 51 mm Hg + zentraler Venendruck. Restriktiv-reversible diastolische Funktionsstörung Grad III. Gute systolische Funktion des normal dimensionierten rechten Ventrikels
  • Perikarderguss hämodynamisch nicht relevant, zirkulär, echoarm
  • Maximale Ausdehnung 1,72 cm systolisch, enddiastolisch 1,42 cm vor rechtem Ventrikel

Nennen Sie mögliche differenzialdiagnostische Ursachen einer Myokardhypertrophie. Welche Diagnose erscheint in Anbetracht der vorliegenden Informationen am wahrscheinlichsten? Welchen Laborwert sollten Sie trotz dieser Verdachtsdiagnose erneut kontrollieren?

  • Speichererkrankung (kardiale Amyloidose, Morbus Fabry, Hämochromatose etc.)
  • Hypertensive Herzerkrankung (unwahrscheinlich, da Blutdruck normotensiv)
  • Aortenklappenstenose (echokardiographisch ausgeschlossen)
  • Hypertrophe Kardiomyopathie („apical sparing“ in Echokardiographie atypisch)
  • Erneut zu kontrollierender Wert: Troponin (stabil mit 45ng/l)
Cave.
Trotz des hochgradigen V. a. eine Kardiomyopathie sollte ein erhöhter Troponinwert bei Vorstellung in einer internistischen Notaufnahme kontrolliert werden.

Welche weiteren diagnostischen Schritte leiten Sie ein?

Diagnostischer Algorithmus in Abb. 4
Finden sich die in Tab. 1 angegebenen Befunde und besteht somit der V. a. eine systemische Amyloidose, sollte primär geprüft werden, ob eine monoklonale Gammopathie vorliegt. Hierzu gehören eine Messung der freien Leichtketten im Serum sowie eine Immunfixationselektrophorese von Serum und Urin.
Bei positivem Befund empfiehlt sich im nächsten Schritt die Durchführung einer Screeningbiopsie (subkutanes Fettgewebe, Speicheldrüse, Knochenmark oder oberer/unterer Gastrointestinaltrakt) zur Kongorotfärbung. Bei positivem Ergebnis ist im Anschluss zwingend eine Subtypisierung der Amyloidablagerungen erforderlich. Bei einem negativen Ergebnis und persistierendem V. a. Amyloidose sollte eine Zielorganbiopsie (Probenentnahme aus einem mutmaßlich betroffenen Organ) oder eine weitere Screeningbiopsie erfolgen.
Bei unauffälligem Screening auf das Vorliegen einer monoklonalen Gammopathie und V. a. eine kardiale Amyloidose empfiehlt sich die Durchführung einer Skelettszintigraphie mit 99mTc-Diphosphono-Propandicarbonsäure (99mTc-DPD), 99mTc-Pyrophosphat (99mTc-PYP) oder 99mTc-Hydroymethylendiphosphat (99mTc-HMDP). Bei Nachweis einer ausgeprägten kardialen Tracer-Anreicherung in der Spätphase (Perugini-Grad 2–3) ist die Diagnose der kardialen ATTR-Amyloidose (ATTR Amyloid aus Transthyretin) gesichert und eine Transthyretin(TTR)-Mutations-Analyse anzuraten. Bei negativer oder nur schwacher Tracer-Anreicherung [1] und fortbestehendem V. a. Amyloidose sollte eine Myokardbiopsie erfolgen.
Merke.
Wenn der V. a. eine systemische Amyloidose gestellt wird und eine histopathologische Diagnosesicherung indiziert ist, nutzen Sie eine Methode, die sowohl Sie als auch Ihr Pathologe regelmäßig anwenden. Alternativ kann die Vorstellung an einem Amyloidosezentrum erwogen werden.
Der Fall.
  • Kardiale Magnetresonanztomographie: typisches Bild einer fortgeschrittenen Amyloidose mit restriktiver Kardiomyopathie, typischem „late gadolinium enhancement“ und vermehrtem extrazellulärem Volumen im T1-Mapping
  • Serologische Gammopathieabklärung einschließlich Immunfixation von Serum und Urin, Messung der freien Serumleichtketten, Serumelektrophorese: Nachweis einer monoklonalen Gammopathie vom Immunglobulin-Gκ(IgGκ)-Typ mit IgG von 6,4 g/l und Erhöhung der freien κ‑Leichtketten im Serum auf 181 mg/l bei normwertigen freien λ‑Leichtketten von 15 mg/l
  • Die Urinuntersuchung auf Albuminverlust zur Abklärung einer Nierenbeteiligung bei systemischer Amyloidose oder Morbus Fabry (entweder im 24 h-Sammelurin oder mittels Albumin/Kreatinin-Verhältnis) zeigt lediglich eine Mikroalbuminurie.
  • Abdomensonographie (im aktuellen Fall nicht erfolgt, s. weiterer Verlauf)
Merke.
Bei konzentrischer linksventrikulärer Wandverdickung ohne hypertensive Herzerkrankung sollte an eine kardiale Amyloidose gedacht werden.

Nennen Sie weitere Punkte, die auf eine systemische Amyloidose hinweisen können

Nephrotisches Syndrom, Makroglossie, periorbitale Einblutungen, Karpaltunnelsyndrom, Spinalkanalstenose, Diarrhöen, sensomotorische und/oder autonome Neuropathie etc. (Tab. 2)
Tab. 2
Hinweise auf eine systemische Amyloidose. (Modifiziert nach [1, 3])
Konzentrische linksventrikuläre Wandverdickung (≥ 12 mm) mit echoreicher Myokardtextur bei normo- oder hypotonen Blutdruckwerten
HFpEF, reduzierte longitudinale linksventrikuläre Funktion
Niedervoltage, atrioventrikulärer Block oder Vorhofflimmern im Elektrokardiogramm in Ruhe
Pleuraerguss (insbesondere isoliert rechtsseitig), Perikarderguss
Nephrotisches Syndrom (Albuminurie mit progredientem Nierenversagen)
„Harte“ Hepatomegalie mit Cholestaseparametererhöhung
Gewichtsverlust durch Inappetenz, rasches Sättigungsgefühl oder Diarrhöen und Malabsorption
Makroglossie, submandibuläre Weichteilvermehrung
Periorbitale Purpura und/oder oberflächliche spontane Hauteinblutungen
Atraumatische Bizepssehnenruptur, Karpaltunnelsyndrom oder Spinalkanalstenose (Prodromi für ATTR-Amyloidose)
Distal betonte aufsteigende sensomotorische Polyneuropathie mit Kribbelparästhesien und Taubheitsgefühl
Autonome Dysfunktion wie Herzfrequenzstarre, Gastroparese, orthostatische Hypotonie, erektile Dysfunktion
Glaskörpertrübungen
ATTR Amyloid aus Transthyretin, HFpEF „heart failure with preserved ejection fraction“ (Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion)

Was veranlassen Sie bei nachgewiesener monoklonaler Gammopathie?

  • Knochenmarkdiagnostik inklusive zytologischer und histologischer Untersuchung, Durchflusszytometrie und Interphase-Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (iFISH)
Der Fall.
CD138+-Befund: Nachweis einer monoklonalen Plasmazellpopulation mit κ‑Leichtketten-Restriktion und 15 %iger Knochenmarkinfiltration
  • Ganzkörperschnittbildgebung zum Ausschluss eines symptomatischen multiplen Myeloms
Der Fall.
In diesem Fall Ganzkörper-CT ohne Nachweis von Osteolysen
Merke.
Ein Patient mit monoklonaler Gammopathie sollte eine Ganzkörperschnittbildgebung zum Ausschluss eines symptomatischen multiplen Myeloms erhalten.

Wie lautet die bisherige Diagnose? Wie können Sie die systemische Amyloidose sichern?

Diagnose: „smoldering myeloma“ vom IgGκ-Typ mit hochgradigem V.a. systemische Leichtkettenamyloidose (AL-Amyloidose) mit kardialer Beteiligung
  • Sicherung mittels Screeningbiopsie (subkutane Fettgewebsaspiration/-biopsie, tiefe Rektumschleimhautbiopsie, Speicheldrüsenbiopsie, Knochenmark)
  • Nachuntersuchung vorhandener Proben aus den letzten Monaten auf Amyloidablagerungen (z. B. Proben aus ÖGD oder Koloskopie)
  • Zielorganbiopsie (insbesondere bei Unsicherheit in der Abgrenzung zu weiteren Kardiomyopathien)
  • Bei V. a. eine systemische ATTR-Amyloidose könnte eine Technetium-Szintigraphie (Skelettszintigraphie) durchgeführt werden. Eine positive Tracer-Anreicherung in der Spätphase bei Abwesenheit einer monoklonalen Gammopathie ist beweisend für kardiale TTR-Amyloid-Ablagerungen.
Der Fall.
Es konnte im konkreten Fall Amyloid in der Rektumbiopsie sowie in der histologischen Knochenmarkuntersuchung nachgewiesen werden. Die subkutane Fettgewebsaspiration zeigte keine Amyloidablagerungen.
Merke.
Der Goldstandard zur Sicherung der Diagnose einer Amyloidose ist der histologische Nachweis mittels Kongorotfärbung.
Cave.
Auch wenn eine bevorzugte Screeningbiopsie (subkutane Fettgewebsaspiration) ohne Amyloidnachweis ist, sollten bei hochgradigem V. a. eine systemische Amyloidose weitere Screeningbiopsien oder eine Zielorganbiopsie durchgeführt werden.

Wie behandeln Sie eine systemische Amyloidose? Was ist vor Einleitung einer Therapie zwingend erforderlich?

Die Behandlung der systemischen Amyloidose folgt zwei Grundlagen:
  • einerseits der Hemmung der Amyloidbildung mittels Reduktion oder Stabilisierung des zugrunde liegenden Vorläuferproteins,
  • andererseits der supportiven Therapie bezogen auf die einzelnen Organmanifestationen.
Ursachentherapie:
  • Dementsprechend ist eine Subtypisierung der Amyloidablagerungen zur Bestätigung des Vorläuferproteins zwingend erforderlich.
  • Die Benennung der verschiedenen Amyloidosen erfolgt nach dem jeweiligen Vorläuferprotein [4].
  • Bei Nachweis einer systemischen ATTR-Amyloidose sollte zudem eine genetische Testung auf eine hereditäre amyloidogene TTR-Genmutation erfolgen, da dies Einfluss auf verfügbare Therapien wie auch Relevanz für Familienangehörige von Betroffenen haben kann.
  • Bei der Behandlung der systemischen AL-Amyloidose wird die zugrunde liegende Knochenmarkerkrankung mit antineoplastischen Therapien behandelt mit dem Ziel, die monoklonalen freien Leichtketten im Serum zu reduzieren bzw. zu beseitigen.
  • Die Behandlung der kardialen ATTR-Amyloidose erfolgt mit dem TTR-Stabilisator Tafamidis, der das im Blut zirkulierende TTR-Tetramer stabilisiert und somit an der Ablagerung hindert.
  • Für die Behandlung der hereditären ATTR-Amyloidose mit peripher-neuropathischer Beteiligung in frühen und intermediären Stadien stehen zudem seit 2018 zwei mit mRNA interferierende Medikamente (Patisiran und Inotersen) zur Verfügung.
  • Die Behandlung der systemischen AA-Amyloidose zielt auf eine Reduktion des Entzündungseiweißes Serumamyloid A ab. In den meisten Fällen ist bei dieser Erkrankung eine entzündlich-rheumatische Erkrankung oder eine chronische Infektion/Entzündung ursächlich. Eine Behandlung erfolgt entsprechend entweder antiinflammatorisch oder durch eine Therapie der zugrunde liegenden Infektion/Entzündung.
Cave.
Keine Chemotherapie vor Bestätigung einer systemischen Leichtkettenamyloidose
Symptomatische Therapie:
  • Die Evidenz zur supportiven Therapie der Organmanifestationen im Rahmen einer systemischen Amyloidose ist deutlich begrenzter.
  • Bei renaler und/oder kardialer Beteiligung werden Salz- und Flüssigkeitsrestriktion empfohlen sowie Diuretika eingesetzt. Eine zu starke Vorlastsenkung sollte jedoch zur Vermeidung von arteriellen Hypotonien vermieden werden.
  • Klassische Blutdrucksenker wie Angiotensin-converting-enzyme-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptor-Subtyp-1-Antagonisten werden aus diesen Gründen insbesondere bei der systemischen AL-Amyloidose oftmals schlecht toleriert.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Kimmich: Finanzielle Interessen: Reisekostenerstattung durch Amyloidosis Foundation; bezahlte Beratertätigkeit für GSK, Sanofi, Janssen, Pfizer, Amgen. Nichtfinanzielle Interessen: Oberarzt Universitätsklinik für Onkologie und Hämatologie/Sektionsleiter autologe Stammzelltransplantation, Klinikum Oldenburg. Mitgliedschaften: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), Deutsche Gesellschaft für Amyloidkrankheiten, International Society of Amyloidosis, Tumorzentrum Weser-Ems.
Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
The supplement containing this article is not sponsored by industry.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Unsere Produktempfehlungen

Die Innere Medizin

Print-Titel

  • Die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Entwicklungen
  • Das fortgeschriebene Handbuch der Inneren Medizin
  • Aktuelle klinische Studien kritisch kommentiert
  • Ausführliche Übersichten mit klaren Handlungsempfehlungen 

e.Med Interdisziplinär

Kombi-Abonnement

Für Ihren Erfolg in Klinik und Praxis - Die beste Hilfe in Ihrem Arbeitsalltag

Mit e.Med Interdisziplinär erhalten Sie Zugang zu allen CME-Fortbildungen und Fachzeitschriften auf SpringerMedizin.de.

e.Dent – Das Online-Abo der Zahnmedizin

Online-Abonnement

Mit e.Dent erhalten Sie Zugang zu allen zahnmedizinischen Fortbildungen und unseren zahnmedizinischen und ausgesuchten medizinischen Zeitschriften.

Weitere Produktempfehlungen anzeigen
Anhänge

Supplementary Information

Video Vierkammerblick in Echokardiographie. (Zentrale Notaufnahme, Klinikum Oldenburg)
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Yilmaz A, Bauersachs J, Kindermann I et al (2019) Diagnostik und Theraie der kardialen Amyloidose. Kardiologe 13:264CrossRef Yilmaz A, Bauersachs J, Kindermann I et al (2019) Diagnostik und Theraie der kardialen Amyloidose. Kardiologe 13:264CrossRef
2.
Zurück zum Zitat Ihne S, Morbach C, Sommer C, Geier A, Knop S, Störk S (2020) Amyloidosis—the diagnosis and treatment of an underdiagnosed disease. Dtsch Arztebl Int 117:159–166PubMedPubMedCentral Ihne S, Morbach C, Sommer C, Geier A, Knop S, Störk S (2020) Amyloidosis—the diagnosis and treatment of an underdiagnosed disease. Dtsch Arztebl Int 117:159–166PubMedPubMedCentral
3.
Zurück zum Zitat Palladini G, Milani P, Merlini G (2020) Management of AL amyloidosis in 2020. Blood 136(23):2620–2627CrossRef Palladini G, Milani P, Merlini G (2020) Management of AL amyloidosis in 2020. Blood 136(23):2620–2627CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Benson MD, Buxbaum JN, Eisenberg DS et al (2020) Amyloid nomenclature 2020: update and recommendations by the International Society of Amyloidosis (ISA) nomenclature committee. Amyloid 27(4):217–222CrossRef Benson MD, Buxbaum JN, Eisenberg DS et al (2020) Amyloid nomenclature 2020: update and recommendations by the International Society of Amyloidosis (ISA) nomenclature committee. Amyloid 27(4):217–222CrossRef
Metadaten
Titel
68/m mit Dyspnoe, peripheren Ödemen und Gewichtsverlust
Vorbereitung auf die Facharztprüfung: Fall 134
verfasst von
Dr. med. C. Kimmich
Publikationsdatum
11.01.2022
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Innere Medizin / Ausgabe Sonderheft 2/2022
Print ISSN: 2731-7080
Elektronische ISSN: 2731-7099
DOI
https://doi.org/10.1007/s00108-021-01217-4

Weitere Artikel der Sonderheft 2/2022

Die Innere Medizin 2/2022 Zur Ausgabe

Passend zum Thema

ANZEIGE

SGLT-2-Inhibitoren für alle Patient:innen mit chronischer Herzinsuffizienz empfohlen

Das ESC-Leitlinien-Update 2023 bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Behandlung der Herzinsuffizienz (HF), denn nun werden SGLT-2i sowohl für HFrEF, als auch für HFmrEF und HFpEF empfohlen. Somit können jetzt alle Patient:innen mit HF von SGLT-2i als zentralem Bestandteil der Therapie profitieren.

ANZEIGE

Dapagliflozin als neue Therapieoption zur Behandlung einer Herzinsuffizienz unabhängig von der Ejektionsfraktion

Dapagliflozin ist nun zur Behandlung aller Patient:innen mit chronischer symptomatischer Herzinsuffizienz zugelassen und bietet somit auch neue Hoffnung für die Therapie von jenen mit HFpEF. In der DELIVER-Studie zeigte der SGLT-2-Inhibitor eine signifikante Reduktion von Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen und CV-Todesfällen.

ANZEIGE

ACS-Erstlinientherapie: Konsensbeschluss rät zur DAPT mit Ticagrelor

Ein Konsortium führender Fachgesellschaften erarbeitete jüngst auf Basis umfangreicher Metaanalysen einen Konsens für die Therapie koronarer Herzkrankheiten. Was dabei auffiel: Die duale Plättchenhemmung (DAPT) mit Ticagrelor ist die bevorzugte Therapieoption für das akute Koronarsyndrom (ACS).

Passend zum Thema

ANZEIGE

COPD und nicht-invasive Behandlungsmethoden

Content Hub

Nicht-medikamentöse Behandlungsmethoden wie die nicht-invasive Beatmung (NIV) können die Leistungsfähigkeit und Lebensqualität von COPD-Patienten erheblich verbessern und das Sterberisiko senken. Die NIV-Therapie zur Behandlung von fortgeschrittener COPD hat Eingang in die neuen S2k-Leitlinien zur COPD-Therapie gefunden.

ResMed Germany Inc.
ANZEIGE

Geringere Therapieabbruchquoten durch digitale Therapiebegleitung

Ärzte profitieren von digitaler Therapiebegleitung ihrer NIV-Patienten durch einen verlässlichen Partner, weil diese sich besser versorgt fühlen und die Therapie weniger häufig abbrechen. Das entlastet das Gesundheitssystem und schwer Erkrankte gewinnen Lebensqualität.

ANZEIGE

Auch für ältere Patienten empfiehlt sich nicht-invasive Langzeitbeatmung

Nicht-invasive Beatmung ist für Menschen mit chronisch hyperkapnisch respiratorischer Insuffizienz eine bewährte Therapie. Eine Schweizer Studie untersuchte die Auswirkungen der Beatmung auf über 75-Jährige und belegt nun deren Wirksamkeit.