Prüfungssimulation
Fallschilderung
Prüfungsfragen
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An welche Differenzialdiagnosen denken Sie primär und warum? Worauf achten Sie in der körperlichen Untersuchung? Ergänzen Sie ggf. zielführend die Anamnese.
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Welche nächsten diagnostischen Schritte leiten Sie ein?
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Was fällt Ihnen im echokardiographischen Bild (Abb. 2) auf?
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Nennen Sie mögliche differenzialdiagnostische Ursachen einer Myokardhypertrophie. Welche Diagnose erscheint in Anbetracht der vorliegenden Informationen am wahrscheinlichsten? Welchen Laborwert sollten Sie trotz dieser Verdachtsdiagnose erneut kontrollieren?
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Welche weiteren diagnostischen Schritte leiten Sie ein?
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Nennen Sie weitere Punkte, die auf eine systemische Amyloidose hinweisen können.
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Was veranlassen Sie bei nachgewiesener monoklonaler Gammopathie?
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Wie lautet die bisherige Diagnose? Wie können Sie die systemische Amyloidose sichern?
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Wie behandeln Sie eine systemische Amyloidose? Was ist vor Einleitung einer Therapie zwingend erforderlich?
Antworten
An welche Differenzialdiagnosen denken Sie primär und warum? Worauf achten Sie in der körperlichen Untersuchung? Ergänzen Sie ggf. zielführend die Anamnese
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Lungenarterienembolie (Dyspnoe, Reizhusten, Unterschenkelödeme)
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Myokardinfarkt/instabile Angina pectoris (Dyspnoe, epigastrische Schmerzen)
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Hypertensive, ischämische oder amyloidosebedingte Kardiomyopathie (Dyspnoe, Reizhusten, Nykturie, bekannter Hypertonus)
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Malignom: Bronchialkarzinom, akute Leukämie (Dyspnoe, Reizhusten, ungewollter Gewichtsverlust)
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Pneumonie (Dyspnoe, Reizhusten)
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Glomerulonephritis mit nephrotischem Syndrom (Unterschenkelödeme, Nykturie, chronische Niereninsuffizienz)
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Symptomorientiert: Inappetenz, kein Brust- oder Oberbauchschmerz. keine Dysurie. kein schäumender oder dunkler Urin
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Vegetativ: ungewollter Gewichtsverlust von 5 kg, kein Alkohol- oder Nikotinabusus. Kein Fieber oder Nachtschweiß
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Voroperationen und weitere Erkrankungen: Z. n. Hüfttotalendoprothese rechts 2010; im Anschluss tiefe Beinvenenthrombose (TVT). Z. n. Cholezystektomie, Z. n. Gastritis Typ C, chronische Niereninsuffizienz G3b (Stadieneinteilung nach Kidney Disease: Improving Global Outcomes [KDIGO] 2012)
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Familien‑/Sozialanamnese mütterlicherseits positiv für Diabetes mellitus Typ 2. Keine Malignome oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Familienanamnese bekannt. Verheiratet, kinderlos, Angestellter mit hauptsächlicher Bürotätigkeit
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Medikamente: aktuell lediglich Torasemid 5 mg 1‑0‑0 und Tamsulosin 0,4 mg 0‑0‑1
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Allergien: keine bekannt
Welche nächsten diagnostischen Schritte leiten Sie ein?
Chronische Niereninsuffizienz Grad 3b (Stadieneinteilung nach Kidney Disease: Improving Global Outcomes [KDIGO] 2012) |
Verlängerung der International Normalized Ratio (INR) |
Erhöhung der Cholestaseparameter: alkalische Phosphatase (AP), γ‑Glutamyltransferase (GGT) |
Minimale Erhöhung der Alanin-Aminotransferase (ALT) |
Latente Hypothyreose (thyreoideastimulierendes Hormon erhöht bei normwertigem freiem Thyroxin) |
Erhöhtes hochsensitives Troponin mit 49 ng/l (Norm < 14 ng/l) |
Hypokaliämie |
NT-proBNP mit 6178 ng/l deutlich erhöht (altersspezifische Norm < 125 ng/l) |
Urinstatus mit Ausnahme geringer Proteinurie unauffällig |
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Labordiagnostik inklusive Differenzialblutbild, Troponin, Kreatinin, Harnstoff, Gerinnungsdiagnostik, Transaminasen und Cholestaseparameter, Bilirubin, ggf. D‑Dimere (in aktuellem Fall nicht erfolgt), Bestimmung des thyreoideastimulierenden Hormons und des N‑terminalen pro-natriuretischen Peptids vom B‑Typ (NT-proBNP), Urinstatus (Tab. 1)
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Befund EKG (Abb. 1a, b): Sinusrhythmus, 90 Schläge/min, Überdrehter Rechtstyp, R‑Verlust V1–V3, verzögerte R‑Progression über der Vorderwand mit R‑/S-Umschlag V5/V6, S‑Persistenz bis V6
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Befund Röntgenaufnahme des Thorax in 2 Ebenen (Abb. 3a, b): mittelständiges, nicht verbreitertes Mediastinum. Dilatierte Herzsilhouette mit angedeuteter Bocksbeutelform, passend zu einem Perikarderguss. Geringe Zeichen einer pulmonalvenösen Stauung. Keine umschriebenen Infiltrate. Minimale Pleuraergüsse beidseits, rechts mehr als links
Was fällt Ihnen im echokardiographischen Bild auf?
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Linker Ventrikel normal groß, hochgradig hypertrophiert (Septumdicke 20 mm). Linksventrikuläre Kontraktilität normal bei einer Ejektionsfraktion von 60 %
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Strain-Analyse: longitudinale basale Hypokinese mit apikaler Aussparung („apical sparing“)
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Aorten- und Mitralklappe sowie Trikuspidalklappe fibrosiert mit Insuffizienz Grad I, keine Stenosen
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Systolischer Pulmonalarteriendruck 51 mm Hg + zentraler Venendruck. Restriktiv-reversible diastolische Funktionsstörung Grad III. Gute systolische Funktion des normal dimensionierten rechten Ventrikels
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Perikarderguss hämodynamisch nicht relevant, zirkulär, echoarm
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Maximale Ausdehnung 1,72 cm systolisch, enddiastolisch 1,42 cm vor rechtem Ventrikel
Nennen Sie mögliche differenzialdiagnostische Ursachen einer Myokardhypertrophie. Welche Diagnose erscheint in Anbetracht der vorliegenden Informationen am wahrscheinlichsten? Welchen Laborwert sollten Sie trotz dieser Verdachtsdiagnose erneut kontrollieren?
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Speichererkrankung (kardiale Amyloidose, Morbus Fabry, Hämochromatose etc.)
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Hypertensive Herzerkrankung (unwahrscheinlich, da Blutdruck normotensiv)
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Aortenklappenstenose (echokardiographisch ausgeschlossen)
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Hypertrophe Kardiomyopathie („apical sparing“ in Echokardiographie atypisch)
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Erneut zu kontrollierender Wert: Troponin (stabil mit 45 ng/l)
Welche weiteren diagnostischen Schritte leiten Sie ein?
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Kardiale Magnetresonanztomographie: typisches Bild einer fortgeschrittenen Amyloidose mit restriktiver Kardiomyopathie, typischem „late gadolinium enhancement“ und vermehrtem extrazellulärem Volumen im T1-Mapping
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Serologische Gammopathieabklärung einschließlich Immunfixation von Serum und Urin, Messung der freien Serumleichtketten, Serumelektrophorese: Nachweis einer monoklonalen Gammopathie vom Immunglobulin-Gκ(IgGκ)-Typ mit IgG von 6,4 g/l und Erhöhung der freien κ‑Leichtketten im Serum auf 181 mg/l bei normwertigen freien λ‑Leichtketten von 15 mg/l
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Die Urinuntersuchung auf Albuminverlust zur Abklärung einer Nierenbeteiligung bei systemischer Amyloidose oder Morbus Fabry (entweder im 24 h-Sammelurin oder mittels Albumin/Kreatinin-Verhältnis) zeigt lediglich eine Mikroalbuminurie.
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Abdomensonographie (im aktuellen Fall nicht erfolgt, s. weiterer Verlauf)
Nennen Sie weitere Punkte, die auf eine systemische Amyloidose hinweisen können
Konzentrische linksventrikuläre Wandverdickung (≥ 12 mm) mit echoreicher Myokardtextur bei normo- oder hypotonen Blutdruckwerten |
HFpEF, reduzierte longitudinale linksventrikuläre Funktion |
Niedervoltage, atrioventrikulärer Block oder Vorhofflimmern im Elektrokardiogramm in Ruhe |
Pleuraerguss (insbesondere isoliert rechtsseitig), Perikarderguss |
Nephrotisches Syndrom (Albuminurie mit progredientem Nierenversagen) |
„Harte“ Hepatomegalie mit Cholestaseparametererhöhung |
Gewichtsverlust durch Inappetenz, rasches Sättigungsgefühl oder Diarrhöen und Malabsorption |
Makroglossie, submandibuläre Weichteilvermehrung |
Periorbitale Purpura und/oder oberflächliche spontane Hauteinblutungen |
Atraumatische Bizepssehnenruptur, Karpaltunnelsyndrom oder Spinalkanalstenose (Prodromi für ATTR-Amyloidose) |
Distal betonte aufsteigende sensomotorische Polyneuropathie mit Kribbelparästhesien und Taubheitsgefühl |
Autonome Dysfunktion wie Herzfrequenzstarre, Gastroparese, orthostatische Hypotonie, erektile Dysfunktion |
Glaskörpertrübungen |
Was veranlassen Sie bei nachgewiesener monoklonaler Gammopathie?
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Knochenmarkdiagnostik inklusive zytologischer und histologischer Untersuchung, Durchflusszytometrie und Interphase-Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (iFISH)
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Ganzkörperschnittbildgebung zum Ausschluss eines symptomatischen multiplen Myeloms
Wie lautet die bisherige Diagnose? Wie können Sie die systemische Amyloidose sichern?
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Sicherung mittels Screeningbiopsie (subkutane Fettgewebsaspiration/-biopsie, tiefe Rektumschleimhautbiopsie, Speicheldrüsenbiopsie, Knochenmark)
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Nachuntersuchung vorhandener Proben aus den letzten Monaten auf Amyloidablagerungen (z. B. Proben aus ÖGD oder Koloskopie)
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Zielorganbiopsie (insbesondere bei Unsicherheit in der Abgrenzung zu weiteren Kardiomyopathien)
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Bei V. a. eine systemische ATTR-Amyloidose könnte eine Technetium-Szintigraphie (Skelettszintigraphie) durchgeführt werden. Eine positive Tracer-Anreicherung in der Spätphase bei Abwesenheit einer monoklonalen Gammopathie ist beweisend für kardiale TTR-Amyloid-Ablagerungen.
Wie behandeln Sie eine systemische Amyloidose? Was ist vor Einleitung einer Therapie zwingend erforderlich?
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einerseits der Hemmung der Amyloidbildung mittels Reduktion oder Stabilisierung des zugrunde liegenden Vorläuferproteins,
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andererseits der supportiven Therapie bezogen auf die einzelnen Organmanifestationen.
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Dementsprechend ist eine Subtypisierung der Amyloidablagerungen zur Bestätigung des Vorläuferproteins zwingend erforderlich.
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Die Benennung der verschiedenen Amyloidosen erfolgt nach dem jeweiligen Vorläuferprotein [4].
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Bei Nachweis einer systemischen ATTR-Amyloidose sollte zudem eine genetische Testung auf eine hereditäre amyloidogene TTR-Genmutation erfolgen, da dies Einfluss auf verfügbare Therapien wie auch Relevanz für Familienangehörige von Betroffenen haben kann.
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Bei der Behandlung der systemischen AL-Amyloidose wird die zugrunde liegende Knochenmarkerkrankung mit antineoplastischen Therapien behandelt mit dem Ziel, die monoklonalen freien Leichtketten im Serum zu reduzieren bzw. zu beseitigen.
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Die Behandlung der kardialen ATTR-Amyloidose erfolgt mit dem TTR-Stabilisator Tafamidis, der das im Blut zirkulierende TTR-Tetramer stabilisiert und somit an der Ablagerung hindert.
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Für die Behandlung der hereditären ATTR-Amyloidose mit peripher-neuropathischer Beteiligung in frühen und intermediären Stadien stehen zudem seit 2018 zwei mit mRNA interferierende Medikamente (Patisiran und Inotersen) zur Verfügung.
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Die Behandlung der systemischen AA-Amyloidose zielt auf eine Reduktion des Entzündungseiweißes Serumamyloid A ab. In den meisten Fällen ist bei dieser Erkrankung eine entzündlich-rheumatische Erkrankung oder eine chronische Infektion/Entzündung ursächlich. Eine Behandlung erfolgt entsprechend entweder antiinflammatorisch oder durch eine Therapie der zugrunde liegenden Infektion/Entzündung.
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Die Evidenz zur supportiven Therapie der Organmanifestationen im Rahmen einer systemischen Amyloidose ist deutlich begrenzter.
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Bei renaler und/oder kardialer Beteiligung werden Salz- und Flüssigkeitsrestriktion empfohlen sowie Diuretika eingesetzt. Eine zu starke Vorlastsenkung sollte jedoch zur Vermeidung von arteriellen Hypotonien vermieden werden.
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Klassische Blutdrucksenker wie Angiotensin-converting-enzyme-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptor-Subtyp-1-Antagonisten werden aus diesen Gründen insbesondere bei der systemischen AL-Amyloidose oftmals schlecht toleriert.