Erschienen in:
01.03.2010 | Kasuistiken
Chronische Laryngitis und Tumorerkrankung unter dem Einfluss von hormonell wirksamen Substanzen
Zwei Kasuistiken
verfasst von:
PD Dr. D. Kleemann, B. Stengel
Erschienen in:
HNO
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Ausgabe 3/2010
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Zusammenfassung
Hintergrund
Der mögliche Einfluss der Sexualsteroide auf Entwicklung und Wachstum von Larynxkarzinomen, aber auch anderer Tumorentitäten des oberen Aerodigestivtraktes im Rahmen einer multifaktoriellen Genese wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Durch zellexperimentelle Untersuchungen ergaben sich Hinweise auf eine differenzierte Wirkung dieser Substanzen. Neben der Prädominanz des Auftretens der Tumoren beim männlichen Geschlecht ist die hohe Inzidenz in einem Lebensalter, das durch die Verminderung der peripheren androgenen Signale gekennzeichnet ist, bemerkenswert.
Patienten und Methode
Berichtet werden die Kasuistiken zweier Patienten, die aufgrund ihrer Hormonwerte außerhalb des Normwertebereiches und einer chronischen Beschwerdesymptomatik mit hormonell aktiven Substanzen als Heilversuch behandelt wurden. Ihr Erkrankungsverlauf wird über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren dargestellt.
Ergebnisse
Bei einem Patienten, der seit 17 Jahren an einer chronisch hyperplastischen Laryngitis mit histologisch nachgewiesenen Dysplasien aller Schweregrade erkrankt war, gab es einen zeitlich engen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit dem 5α-Reduktasehemmer Finasterid, dem Abfall des vorher doppelt über der Norm liegenden Dihydrotestosteronspiegels (DHT) und dem Auftreten eines invasiven Plattenepithelkarzinoms der Stimmlippe. Im postoperativen Verlauf von 7 rezidivfreien Jahren wiesen die Sexualsteroide im Serum Normwerte auf. Die Larynxschleimhaut zeigte keinerlei dysplastische Veränderungen mehr. Retrospektive Untersuchungen des histologischen Materials wiesen für die Präkanzerosen eine erhebliche Expression des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR), für das Plattenepithelkarzinom die typische hohe Aktivität des EGFR im gesamten Tumorgewebe und für die nachfolgenden Probeexzidate eine im Vergleich deutlich geringere Aktivität auf. Bei einem weiteren Patienten, der sich im Vorfeld alio loco der Tumoroperation eines Mesopharynxkarzinoms unterzogen hatte, trat ein schnelles Rezidiv im Verlauf von 2 Jahren auf. Trotz radikaler Zweitoperation und folgender Nachbestrahlung bestand patientenseitig der Wille zur weiteren Berufsausübung. Beklagt wurde der Mangel der allgemeinen Leistungsfähigkeit und Libido. Die Bestimmung der androgenen Steroide im Serum ergab Werte unterhalb bzw. an der unteren Norm. Die Gabe von 25 mg Dehydroepiandrosteron (DHEA) pro Tag führte zur Verbesserung des Wohlbefindens und zu ausgeglichenen Normalwerten der Sexualsteroide im Serum. Der Patient ist seit 10 Jahren rezidivfrei.
Schlussfolgerung
Die durch zellexperimentelle Untersuchungen aufgestellte Hypothese einer Balancestörung im Stoffwechsel der androgenen Steroide als möglicher Kofaktor für die Entstehung und Entwicklung von Malignomen des oberen Aerodigestivtraktes wird durch einzelne Langzeitbeobachtungen an Patienten unterstützt.