eGFR auf Kreatinin-Basis taugt nicht zur Risikoabschätzung

Bei gering eingeschränkter Nierenfunktion ohne Albuminurie sollte man sich nicht auf die Kreatinin-basierte eGFR verlassen: Um Personen mit hohem und niedrigem kardiovaskulärem Risiko zu differenzieren, ist Cystatin C der bessere eGFR-Marker. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. In der Leitlinie „Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO)“ wird schon lange empfohlen, zur Bestätigung einer chronischen Nierenerkrankung, sofern die Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (eGFR) allein auf dem Serumkreatinin beruht (eGFR-Krea) und andere Marker für einen Nierenschaden fehlen, die eGFR auch anhand von Cystatin C (eGFR-Cys) zu bestimmen. Die Serumkonzentration von Cystatin C wird durch Entzündungen oder konsumierende Erkrankungen nur wenig beeinflusst und hängt überwiegend von der glomerulären Filtrationsleistung ab. Wie wichtig die Empfehlung der KDIGO ist, verdeutlicht eine prospektive bevölkerungsbasierte Studie aus Großbritannien: So fand sich eine eGFR-Krea von 45–59 ml/min/1,73 m2 auch bei einigen Teilnehmern mit niedrigem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Tod. Vor allem aber wurde mit einer eGFR-Krea < 60 ml/min/1,73 m2 ein beträchtlicher Anteil an Menschen mit hohem kardiovaskulärem Risiko nicht erfasst. Diese Risikogruppe scheint durch eine eGFR-Cys < 60 ml/min/1,73 m2 mit höherer Sensitivität und Spezifität entdeckt zu werden. Hohe Diskrepanz zwischen eGFR-Krea und eGFR-Cys im Alter Für die Studie wurden Teilnehmer der UK Biobank berücksichtigt, die eine eGFR-Krea ≥ 45 ml/min/1,73 m2 aufwiesen und keine signifikante Albuminurie, keine kardiovaskuläre Erkrankung und kein Nierenversagen hatten. Dies traf auf mehr als 428.000 Erwachsene zu, das mediane Alter lag bei 57 Jahren, der Frauenanteil betrug 55%. Die Differenz zwischen eGFR-Krea- und eGFR-Cys-Werten stieg mit dem Alter; von den unter 65-Jährigen hatten 2,4% eine diskordante Klassifizierung als eGFR < 60 ml/min/1,73 m2, von den Älteren 9,2%. So wurde im Alter über 65 eine eGFR-Krea < 60 ml/min/1,73 m2 bei 36,6% (737 von 2016) durch die eGFR-Cys nicht bestätigt; umgekehrt wurden 8,2% der 6278 über 65-Jährigen mit einer eGFR-Cys < 60 ml/min/1,73 m2 anhand der eGFR-Krea nicht als niereninsuffizient erkannt. Das Zehn-Jahres-Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung (CVD) bzw. für Tod jedweder Ursache war bei älteren Personen mit einer G3a-Nierenerkrankung gemäß eGFR-Cys oder gemäß eGFR-Cys und eGFR-Krea fast doppelt so hoch wie bei Gleichaltrigen, bei denen keiner der beiden Marker auf eine beeinträchtigte Nierenfunktion hinwies. Bei jüngeren Menschen war das Risiko sogar mehr als verdoppelt. Im Gegensatz dazu hatten Teilnehmer, bei denen nur die eGFR-Krea eine Niereninsuffizienz im Stadium G3a auswies, in keiner Altersgruppe ein erhöhtes CVD- oder Mortalitätsrisiko. Genauere Risikostratifizierung mit eGFR-Cys Gemäß der Fläche unter der Receiver-Operating-Kurve kann die eGFR-Cys das CVD- und das Sterberisiko bei Alt und Jung besser abschätzen als die eGFR-Krea. In einem Vorhersagemodell, das als kardiovaskuläre Risikofaktoren Alter, Geschlecht, Rauchstatus, Blutdruck, Cholesterinwerte, Diabetes, Hypertonie und die Einnahme von Blutdrucksenkern berücksichtigt, wurde durch die Hinzunahme von der eGFR-Cys die Genauigkeit der Prognose erhöht, und zwar in ähnlichem Maß wie durch eine Raucheranamnese oder die Lipidwerte. Im Gegensatz dazu wurde durch die Hinzunahme der eGFR-Krea die Risikoklassifizierung nicht verbessert. Ein Nierenversagen trat bei weniger als 1% der Teilnehmenden auf. Zur Vorhersage war die eGR-Cys nicht geeigneter als die eGFR-Krea. Die internationale Forschungsgruppe um Jennifer Lees von der Universität Glasgow zieht aus den Ergebnissen folgende Schlüsse: Mit der eGFR-Cys wird vor allem im Alter ein größerer Anteil von Menschen mit einer geringgradigen Nierenfunktionsstörung (G3a) identifiziert. Bei Personen ohne signifikante Albuminurie wird eine Hochrisikonierenerkrankung mit der eGFR-Cys sowohl sensitiver als auch spezifischer erkannt als mit der eGFR-Krea. Die Differenzierung von Patienten mit niedrigem und hohem Risiko für CVD und Tod gelingt besser mit der eGFR-Cys als mit der eGFR-Krea. Das Wichtigste in Kürze Frage: Verbessert die Abschätzung der Nierenfunktion mittels Cystatin C die Vorhersage des kardiovaskulären und Mortalitätsrisikos? Antwort: In der Gruppe mit einer Niereninsuffizienz im Stadium G3a gemäß Kreatinin-basierter eGFR sind Menschen mit niedrigem und hohem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Tod versammelt. Durch Bestimmung der Cystatin-C-abhängigen eGFR kann ihr Risiko exakter vorhergesagt werden. Bedeutung: Die Kreatinin-basierte eGFR allein ist unzureichend zur Abschätzung der Risiken, die mit einer leichten Nierenfunktionsstörung einhergehen. Einschränkung: Einmalige Bestimmung der eGFR zu Studienbeginn; keine Messung der GFR.

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