CKD bei Diabetes mellitus: Auch ein Thema für die Kardiologie

Progressionsprävention - Zentrales Therapieziel bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) ist es, die Krankheitsprogression zu stoppen und das mit der CKD assoziierte erhöhte kardiovaskuläre Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko zu reduzieren. Ein neuer, seit Kurzem verfügbarer Baustein der medikamentösen progressionshemmenden Therapie ist Finerenon. Die CKD ist eine häufige und zugleich potenziell tödliche Krankheit, die weithin unterschätzt wird, da Symptome häufig erst zu einem Zeitpunkt auftreten, an dem die Erkrankung bereits weit fortgeschritten ist. Als eine der häufigsten Ursachen für die progrediente Verschlechterung der Nierenfunktion bei Erwachsenen gilt neben der Hypertonie der Diabetes mellitus: „Tatsächlich ist das Risiko für die Entwicklung einer Niereninsuffizienz bei Diabetikern zehnmal höher als bei Menschen ohne Diabetes“, so PD Dr. Ingo Hilgendorf, Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen [1]. Patientinnen und Patienten, die gleichzeitig an Diabetes mellitus und CKD leiden, haben zudem ein exzessiv gesteigertes kardiovaskuläres Risiko [2]. So weisen 50% der Betroffenen mit CKD in den Stadien 4 bis 5 Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf, und 40% bis 50% der Todesfälle in diesen beiden Stadien lassen sich auf kardiovaskuläre Ursachen zurückführen – im Vergleich zu 26% bei Kontrollpersonen mit normaler Nierenfunktion [2, 3]. Zugleich ist die CKD bei Diabetes mellitus die häufigste Ursache für eine terminale Niereninsuffizienz, die gegebenenfalls eine Dialyse oder Organtransplantation erforderlich macht [4]. Die CKD bei Diabetes mellitus ist die häufigste Ursache für eine terminale Niereninsuffizienz. „Die Zusammenhänge zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und der CKD sind komplex“, machte Hilgendorf deutlich. Über multiple Feed-back-Mechanismen beeinflusst die kombinierte Insuffizienz beider Organe so die Prognose der Patientinnen und Patienten (Abb. 1) [3]. Beachtet werden muss neben der Nierenfunktion, bestimmt durch die eGFR (Geschätzte Glomeruläre Filtrationsrate), auch die Albuminausscheidung im Urin bzw. die Albumin-Kreatinin-Ratio (UACR) als Maß für die Nierengewebeschädigung: „Diese beiden Parameter geben einen Hinweis auf das kardiovaskuläre Risiko und das Dialyserisiko. Bei hoher Albuminausscheidung ist das Kriterium für ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko bereits dann erfüllt, wenn noch keine Beeinträchtigung der Nierenfunktion vorliegt“, erläuterte der Kardiologe [5]. Abb. 1 Interaktionen zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und der chronischen Nierenerkrankung Springer Medizin Verlag GmbH × Hohes Progressionsrisiko Bei Menschen mit CKD und Diabetes mellitus bleibt das Risiko für eine Krankheitsprogression und für kardiovaskuläre Ereignisse auch dann noch hoch, wenn Blutzuckerspiegel und Blutdruck leitliniengerecht mit RAAS (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System)-Blockern und SGLT-2 (Sodium Glucose Transporter 2)- Inhibitoren gut eingestellt sind: „Da ist therapeutisch also noch sehr viel Luft nach oben“, kommentierte Hilgendorf. Aufgrund ihrer komplementär antifibrotischen und antiinflammatorischen Wirkung erscheint die ergänzende Gabe von Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) pathophysiologisch sinnvoll: „Beim Typ-2-Diabetes wird angenommen, dass eine Überaktivierung des Rezeptors zum Fortschreiten der CKD und zu kardiovaskulären Schäden beiträgt, die durch metabolische, hämodynamische sowie entzündliche und fibrotische Faktoren getrieben werden“, so der Kardiologe. Problematisch sei jedoch, dass es unter einer Behandlung mit den bisherigen steroidalen MRA bei fortschreitender Niereninsuffizienz zu Komplikationen durch eine zunehmende Hyperkaliämie kommen kann [6]. Klinischer Nutzen für Niere und Herz Seit Oktober 2022 kann in Deutschland mit Finerenon (Kerendia®) ein neuer, nichtsteroidaler selektiver MRA zur Behandlung der CKD (Stadium 3 und 4 mit Albuminurie) in Verbindung mit Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen eingesetzt werden [7]. Finerenon zeichne sich durch ein vergleichsweise niedriges Hyperkaliämierisiko bei zugleich sehr guter kardio-renaler Protektion aus, erläuterte der Kardiologe. In den Phase-III-Studien FIDELIO-DKD [8] und FIGARO-DKD [9] sowie in der gepoolten, präspezifizierten FIDELITY-Analyse [10] konnte Finerenon im Vergleich zu Placebo – jeweils zusätzlich zur leitliniengerechten Standardtherapie – das Risiko für renale und kardiovaskuläre Ereignisse deutlich senken. Die FIDELITY-Analyse zeigte eine relative Risikoreduktion von 14% für den primären, kombinierten kardiovaskulären Endpunkt (Hazard Ratio [HR] 0,86; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,78–0,95; p=0,0018), von 23% für den kombinierten renalen Endpunkt (HR 0,77; 95%-KI 0,67–0,88; p=0,0002). Die kürzlich aktualisierten Leitlinien der KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) empfehlen, bei persistierender Albuminurie und normalen Kaliumwerten nichtsteroidale MRA zur Progressionshemmung der CKD bei Typ-2-Diabetes zu geben [11]. In den ebenfalls angepassten Leitlinien der ADA (American Diabetes Association) findet sich die Empfehlung, Patientinnen und Patienten mit CKD, die ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse oder ein Fortschreiten der CKD haben oder die keinen SGLT-2-Inhibitor einnehmen können, einen nichtsteroidalen MRA zu geben [5]. Bislang ist Finerenon der einzige in Deutschland zugelassene, nichtsteroidale MRA mit nachgewiesenem klinischem Nutzen für die Nieren und das Herz-Kreislauf-System [8–10]. Zusätzlicher Schutz nach Dekompensation Herzinsuffizienz - Der sGC (lösliche Guanylatzyklase)-Stimulator Vericiguat bietet Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF), die nach kürzlich erlittener Dekompensation mit einer intravenösen Therapie stabilisiert wurden, ergänzenden Schutz zur Basistherapie. Das Risiko für kardiale Ereignisse ist bei Patientinnen und Patienten mit HFrEF (≤40%) sehr hoch. „Dies trifft insbesondere auf die Subgruppe derer zu, bei denen sich die Symptomatik und funktionelle Kapazität fortlaufend verschlechtern und die aufgrund von Dekompensationsereignissen eine Eskalation der bestehenden, leitlinienbasierten medikamentösen Therapie benötigen, was die Gabe von i.v. Diuretika bis hin zur Hospitalisierung einschließt“, erläuterte Prof. Dr. Dr. Stephan von Haehling, Universitätsklinikum Göttingen. Jedes dieser HF-Ereignisse führt zu einem Funktionsverlust des Herzens, der das Mortalitätsrisiko steigert: „Nach der ersten Hospitalisierung liegt das mediane Überleben bei 2,4 Jahren, nach der vierten Hospitalisierung dann nur noch bei etwa sieben Monaten“, so der Kardiologe [12]. Ergebnisse der VICTORIA-Studie Dass mit dem sGC-Stimulator Vericiguat (Verquvo®) bei Patientinnen und Patienten mit symptomatischer chronischer HFrEF nach kürzlicher Dekompensation ein zusätzlicher Schutz zu einer bestehenden leitliniengerechten Therapie erreicht werden kann, hat die speziell für diese Hochrisikogruppe konzipierte randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie VICTORIA gezeigt [13]. Durch die zusätzliche Gabe von Vericiguat wurde bei Patientinnen und Patienten, die bereits optimal auf die Basistherapie eingestellt waren, eine klinisch relevante absolute Risikoreduktion von statistisch signifikanten 4,2 Ereignissen pro 100 Patientenjahren im primären kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod oder erster HF-bedingter Hospitalisation erreicht. Das relative Risiko reduzierte sich um 10% (HR 0,90; 95%-KI 0,82–0,98; p=0,019) [13]. Ein neues Wirkprinzip für die HF Der Einsatz des sGC-Stimulators ist bei stabilisierten Patientinnen und Patienten bereits frühzeitig nach der ersten Dekompensation möglich, parallel zur Optimierung der Basistherapie, und auch bei vulnerablen Patientinnen und Patienten, z.B. mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Hyperkaliämierisiko [14]. „Das Besondere an Vericiguat ist, dass der sGC-Stimulator einen defekten Signalweg repariert. Alle anderen Medikamente, die in der Therapie bei sich verschlechternder HF eingesetzt werden, blocken dagegen jeweils ein überaktives System“, erläuterte von Haehling. Literatur https://diabetesatlas.org. Letzter Aufruf: 11. Oktober 2022 Merker L et al., Diabetologie 2021, 16 (Suppl 2):S324–S328 Jankowski J et al., Circulation 2021, 143:1157–1172 Narres M et al., PLoS ONE 2016, 11:e0147329 American Diabetes Association Professional Practice Committee et al., Diabetes Care 2022, 45 (Suppl 1):S175–S184 Sarwar CMS et al., J Am Coll Cardiol 2016, 68:1575–1589 Fachinformation Kerendia®, Stand: Februar 2022 Bakris GL et al., N Engl J Med 2020, 383:2219–2229 Pitt B et al., N Engl J Med 2021, 385: 2252–2263 Agarwal R et al., Eur Heart J 2022, 43:474–484 KDIGO 2022 Diabetes in CKD Guideline, https://kdigo.org/guidelines/diabetes-ckd/# Setoguchi S et al., Am Heart J 2007, 154:260–266 Armstrong PW et al., N Engl J Med 2020, 382:1883–1893 Fachinformation Verquvo®, Stand: Juli 2021 Impressum „Wenn es an die Nieren geht – Kardiovaskuläre Herausforderungen im klinischen Alltag meistern“ Symposium anlässlich der DGK Herztage 2022, Bonn, 29. September 2022 Bericht: Dr. Silke Wedekind, Frankfurt am Main Artikel gedruckt in: Cardio News Nr. 11/12, Dezember 2022 Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen Corporate Publishing (verantwortlich i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Ulrike Maronde Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF-Download: CKD bei Diabetes mellitus: Auch ein Thema für die Kardiologie

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