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Die Urologie

Claude Bernard und der „europäische Durchschnittsharn“

  • 01.07.2010
  • Geschichte der Urologie
Erschienen in:

Zusammenfassung

Im 19. Jahrhundert wurden in der Urologie technische Nachweisverfahren zur Quantifizierung diagnostisch relevanter Bestandteile des Urins eingeführt. Die Umsetzung diagnostischer Zeichen in Zahlen machte Vergleichs- und Normalwerte unabdingbar, um den Umschlag vom „Normalen“ zum „Pathologischen“ verifizieren zu können. Erst eine Neukonzeptionierung des Krankheitsbegriffs ermöglichte es, die erhaltenen Messwerte mit einem spezifischen Krankheitsbild zu verknüpfen. Das bisher herrschende ontologische Krankheitsverständnis wurde abgelöst durch die Vorstellung eines graduellen Übergangs von Gesundheit zu Krankheit. Dabei wurde in den Diskussionen über quantifizierende Mess- und Analyseverfahren in der Medizin gerade der „Normalwert“ zu einem zentralen Kritikpunkt.
Ausgehend von Claude Bernard (1813–1878), der den Gebrauch von chemischen Mittelwerten zum „physiologischer Unsinn“ erklärt hatte, geht der Beitrag den zeitgenössischen Diskussionen nach, die Fragen nach der Funktion quantifizierender Verfahren in der medizinischen Diagnostik aufwarfen. Methodologisch basiert die Darstellung einerseits auf Georges Canguilhems (1904–1995) Aussagen zum Normalen und Pathologischen, andererseits auf Ludwik Flecks (1896–1961) Theorem vom „Denkkollektiv“. Akzeptanz oder Ablehnung des Konzeptes eines „Normalwert“ sind „denkstilgebunden“. Die in der Medizin traditionell vorherrschende qualifizierende Semiotik wurde – über „Denkstilverschiebungen“ – in eine quantifizierende Diagnostik transformiert. Die „Technisierung“ der medizinischen Diagnostik im 19. Jahrhundert beförderte dabei diese Neuorientierung in der Urinanalyse. Mit dem klinischen Labor etablierte sich eine Mathematisierung der Medizin.
Titel
Claude Bernard und der „europäische Durchschnittsharn“
Verfasst von
M. Martin
H. Fangerau
Publikationsdatum
01.07.2010
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
Die Urologie / Ausgabe 7/2010
Print ISSN: 2731-7064
Elektronische ISSN: 2731-7072
DOI
https://doi.org/10.1007/s00120-010-2277-9
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