Empfehlungen zur Auswahl von Zielparametern und Prozessempfehlungen bei audiologisch-technischen Funktionsprüfungen des Cochlea-Implantats
Erarbeitet von der Arbeitsgruppe ERA (AG-ERA) der ADANO in Kooperation mit dem Fachausschuss „Cochlea-Implantate und implantierbare Hörsysteme“ der DGA. Bestätigt vom Vorstand der ADANO am 31.01.2025.
- Open Access
- 23.05.2025
- Cochlea Implantat
- Leitlinien
Zusammenfassung
Präambel
Empfehlungen
Methode | Fragestellung(en) | Zielparameterempfehlung | Prozessempfehlung | Regelhafter Befund (Minimalkonsens) |
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STANDARD-VERSORGUNG (Vorhaltung notwendig) | ||||
Kopplungs- und Implantatkurzschlussprüfung | – Prüfung auf bidirektionale telemetrische Datenübertragung – Kontrolle der spezifikationsgerechten Funktion des Implantats inkl. der Elektrodenkontakte – Hinweise auf Defekte des Implantats | Spulen-Implantat-Kopplung [ja/nein] Impedanzen [Z in kΩ] | Messung in allen verfügbaren Stimulationsmodi an allen Elektrodenkontakten des Implantats präOP: vor Beginn der Operation in der sterilen Verpackung (alternativ: Überprüfung in NaCl-Lösung direkt vor Insertion) intra-/postOP: Monitoring der Kopplung während der gesamten audiologisch-technischen Diagnostik | (1) stabile Kopplung und bidirektionale Datenübertragung (2) keine Kurzschlüsse zwischen den Elektrodenkontakten |
Impedanzmessung der Elektroden | – Kontrolle der spezifikationsgerechten Funktion des Implantats – Überprüfung aller Elektrodenkontakte auf dem Elektrodenträger sowie der externen Referenzelektrode(n) – Hinweise auf Defekte des Implantats | Impedanzen [Z in kΩ] Massepfadimpedanz [Z in kΩ] | Messung in allen verfügbaren Stimulationsmodi an allen Elektrodenkontakten des Implantats intraOP: direkt nach Insertion (ggf. nach Elektrodenfixierung) und nach Wundverschluss postOP: regelmäßig (z. B. vor jeder/m Anpassung/ Fitting) | (1) kein Hinweis auf offene Stromkreise (keine auffälligen Impedanzen) (2) keine Kurzschlüsse zwischen den Elektrodenkontakten (3) Impedanzen aller intracochleären Elektroden im Erwartungsbereich des jeweiligen Implantatmodells oder Herstellers |
Messung der stimulationsstrominduzierten nichtstimulierenden Elektrodenspannung (SCINSEV) | – Kontrolle der spezifikationsgerechten Funktion des Implantats – Schätzung der Elektrodenposition(en) und Identifizierung einer Fehllage wie „tip fold-over“, „base kinking“ | Spannung pro Stromeinheit [Rn,m in kΩ] | Messung der SCINSEV und Darstellung in einer 12 × 12-, 16 × 16- oder 22 × 22-Matrix (je nach Implantatmodell) intraOP: nach Elektrodenträgerinsertion (ggf. nach Elektrodenträgerfixierung) postOP: regelmäßig im Verlauf | (1) kein Hinweis auf offene Stromkreise (keine auffälligen Impedanzen) (2) keine Kurzschlüsse zwischen den Elektrodenkontakten (3) kontinuierlicher Abfall der Spannung pro Stromeinheit an der Aufzeichnungselektrode mit zunehmender Entfernung von der Stimulationselektrode |
Elektrisch evozierte Stapediusreflexe (ESR) | – Physiologische Funktionsprüfung der Signalleitung (untere Hörbahn – Olivenkomplex – Hirnstammebene) und Reflexauslösung durch den N. facialis – Bestätigung der vollständigen Insertion bzw. Ausschluss einer möglichen Fehlinsertion des Elektrodenträgers – Bestimmung der oberen Grenze des elektrischen Dynamikbereiches (Über- oder Unterstimulation) – Plausibilitätskontrolle von Stimulationsparametern und ECAP | Auslösen des Reflexes [auslösbar/nicht auslösbar] ESR-Auslöseschwellen [Q in nC] | Stimulation auf mehreren über den Elektrodenträger verteilten Elektrodenkontakten (basal – medial – apikal) intraOP: visuelle Detektion (ipsilateral) nach erster Impedanzmessung und Messung der SCINSEV unter Sicht (intraoperativer Situs) bei elektrischer Stimulation (z. B. durch Eingabeln der Auslöseschwelle) postOP: bei Bedarf und wenn durchführbar Messung über ein Impedanzaudiometer bei direkter elektrischer Reizung (ipsilateral) an ausgewählten Elektroden oder Bestimmung der Auslöseschwellen im Freifeld | (1) Reflex auslösbar und als Bewegung der/des Stapessehne und/oder -köpfchens identifizierbar |
Elektrisch evozierte Summenaktionspotentiale des Hörnervs (ECAP) | – Reizantwortschwellendiagnostik/Schwellenprofil (Ausgangsbefunde und Daten für die CI-Anpassung) – Verlaufskontrolle der neuronalen Parameter/retrocochleäre Diagnostik bei unklarer Integrität des Hörnervs – Lageprüfung des Elektrodenträgers (z. B. Ausschluss von „tip fold-over“, Elektrodenmigration) | Nachweisbarkeit der ECAP [ja/nein] ECAP-Schwellen [Q in nC] ECAP-Wachstumsfunktionen (AGF), N1–P1-Amplitude [U in µV] Absolutlatenzen von N1 und P1 [t in µs] SOE-Profil, N1–P1 Amplituden [U in µV] | Bestimmung der ECAP-AGF, ECAP-Latenzen sowie ECAP-Schwellen auf allen intracochleären Elektroden (12–22, je nach Implantatmodell) Messung von ein oder mehreren SOE-Profilen an mehreren Elektroden (apikal), je nach Implantatmodell und Elektrodenträger intraOP: nach erfolgter Impedanzmessung, ggf. auch nach Elektroden-Konditionierung, bei Bedarf im Anschluss SOE-Messung postOP: regelmäßig (vor/bei Anpassung/Fitting) nach Impedanzmessung, bei Bedarf SOE-Messung | (1) ECAP an allen Elektroden nachweisbar (2) ECAP-Schwellen liegen im Erwartungsbereich des jeweiligen Implantatmodells (abhängig von den Werten der Stimulationsparameter) (3) bei SOE unter Beibehaltung einer definierten Prüfelektrodenposition (Prüf- und Ableitelektrode) nimmt der Einfluss der Verschiebung der Maskierungsposition (Maskerelektrode) entlang des Elektrodenträgers kontinuierlich ab (abhängig von den Werten der Stimulationsparameter und vom jeweiligen Implantatmodell) |
Frühe elektrisch evozierte Potentiale (FEEP, Technik: EBERA) | – Retrocochleäre Diagnostik bei auditorischer Synaptopathie/Neuropathie (AS/AN) sowie unklarer Integrität des Hörnervs und unteren Hirnstamms, Detektion von Reifungs- und Degenerationsprozessen – Beurteilung der Reizverarbeitung und -weiterleitung in besonderen Fällen, d. h. wenn keine ECAP-Messung möglich (bei erworbenen Veränderungen des Innenohrs, z. B nach chronischen Entzündungen, traumatischen Veränderungen) – Reizantwortschwellendiagnostik | Absolutlatenzen der Wellen eIII und eV sowie Interpeaklatenz (IPL) in Abhängigkeit von der Reizstärke: [t in ms] Kleinster Reiz mit identifizierbarer und reproduzierbarer Reizantwortschwelle [Q in nC] Potentialamplituden [U in nV] | Potentialmessung auf ausgewählten (intracochleären) Elektrodenkontakten oder Bereichen, Detektion der Potentiallatenzen und Bestimmung der Reizantwortschwelle intraOP: bei Bedarf Messung über ein AEP/ERA-System nach Impedanz‑/ESR-/ECAP-Messung, Position der Ableitelektroden: Cz oder Fpz vs. Mastoid oder Ohrläppchen (kontralateral) bzw. im unteren Bereich des M. sternocleidomastoideus (ipsilateral) postOP: bei Bedarf Messung über ein AEP/ERA-System, Position der Ableitelektroden: Cz oder Fpz vs. Mastoid oder Ohrläppchen (ipsi- und kontralateral) | (1) Hirnstammpotentiale überschwellig auslösbar, Wellen eIII und eV gut identifizierbar, Absolutlatenzen sowie Interpeaklatenzen liegen im Erwartungsbereich (abhängig von den Werten der Stimulationsparameter) (2) FEEP-Schwellen liegen im Erwartungsbereich (abhängig von den Werten der Stimulationsparameter) |
BEI EAS/HYBRID-VERSORGUNG (Vorhaltung im Einzelfall nützlich) | ||||
Elektrocochleographie (ECochG) | – Kontrolle und Überwachung (Monitoring) der cochleären Funktion von Haarsinneszellen sowie afferenten Hörnervenfasern (Restgehörerhalt) vor, während sowie nach der Insertion des Elektrodenträgers – Kontrolle der Haarzellfunktion während und nach der Implantation | Nachweisbarkeit der 3 Signalkomponenten der ECochG (CM, CAP, SP), mind. „cochlear microphonic“ (CM) Bestimmung der (größten) CM-Amplitude [U in µV] | Akustische Stimulation, z. B. bei 500 Hz („tone burst“) mit ca. 40 dB SL sowie Potentialmessung auf ausgewählten Elektrodenkontakten intraOP: bei Bedarf Ableitung der ECochG extracochleär: Elektrode am runden Fenster (vor Insertion) oder auf dem Promontorium (während der Insertion), intracochleär: apikale Elektrode; jeweils in Referenz zu einer Ableitelektrode (Cz oder Fpz) postOP: bei Bedarf Ableitung der ECochG intracochleär: apikale Elektrode (22 oder 1 je nach Implantatmodell); jeweils in Referenz zu einer Ableitelektrode (Cz oder Fpz) | (1) kein (rascher) Amplitudenabfall in der ECochG während der Insertion des Elektrodenträgers (2) Intra- und postOP stabile CM-Amplituden |
OPTIONAL (vorwiegend wissenschaftlich interessant) | ||||
Späte elektrisch evozierte Potentiale des auditorischen Kortex (SEEP, Technik: ECERA) | – Integritätsprüfung der Hörbahn bis zur Ebene der Hirnrinde – Beurteilung der Hörbahnreifung auf kortikaler Ebene | P1–N1–P2–N2-Komplex [t in ms] | Potentialmessung auf ausgewählten Elektrodenkontakten bzw. Bereichen, Detektion der Potentiallatenzen und Bestimmung der Reizantwortschwelle postOP: bei Bedarf Messung über ein AEP/ERA-System, Position der Ableitelektroden: Cz oder Fpz vs. Mastoid oder Ohrläppchen (ipsi- und kontralateral) | (1) Kortikale Potentiale überschwellig auslösbar, P1–N1–P2–N2-Komplex gut identifizierbar, Absolutlatenzen sowie Interpeaklatenzen liegen im Erwartungsbereich (abhängig von den Werten der Stimulationsparameter) |