Die primäre Gicht entsteht durch ein Ungleichgewicht zwischen der tubulär renalen Ausscheidung von Harnsäure und einer erhöhten Produktion bei erhöhter Purinaufnahme. Es handelt sich um eine genetische Erkrankung, die durch Fehlernährung verstärkt wird. Bei der viel selteneren sekundären Gicht handelt es sich dagegen um eine Hyperurikämie infolge eines allgemein erhöhten Nukleotidumsatzes im Rahmen einer anderen Grunderkrankung, z. B. bei onkologischen Erkrankungen. Mononatriumuratkristalle lagern sich besonders bei niedrigen Temperaturen in der Synovialflüssigkeit an, daher gehäuft an den Extremitäten. Der Verlauf in Stadien reicht von einer asymptomatischen Hyperurikämie über die akute und interkritische Gicht bis zur chronischen/tophösen Gicht [
1]. Die Beteiligung des Kiefergelenks im Rahmen einer Gichterkrankung ist äußerst selten und wurde bisher nur in einzelnen Fallberichten beschrieben. Andere seltene Manifestationen im HNO-Bereich wurden an Nasenlöchern, Zunge, Epiglottis, Stimmband, Arytänoidknorpel oder Schildknorpel mit entsprechenden klinischen Befunden und Funktionseinschränkungen beschrieben [
7‐
10]. In den zitierten Fallberichten präsentierte sich der Kiefergelenkbefall ähnlich wie im dargestellten Kasus gehäuft mit einer progredienten Hörminderung aufgrund einer Gehörgangverlegung, Tragusschmerzen [
2], präaurikulären Schwellungen [
4], Schmerzen im Bereich des Kiefergelenks [
2,
3,
5] sowie mit einer eingeschränkten Mundöffnung [
5]. Die üblichen bildgebenden Verfahren (OPG, CT, MRT) reichten in diesen Fällen nicht aus, um eine sichere Diagnose zu stellen. In konventionellen Röntgenaufnahmen werden tophöse Gichtmanifestationen oft als relativ dichte Weichteilprozesse mit ossären Erosionen, Gelenkdestruktionen, überhängenden Knochenrändern („Gichtstachel“) und subchondraler Zystenbildung beschrieben [
11], die chronischen Entzündungen oder mitunter Malignomen ähneln können. Mit der Dual-Energy-CT (DECT) können Uratkristalle spezifisch nachgewiesen werden. Die simultane Anwendung zweier unterschiedliche Röntgenenergien ermöglicht die Unterscheidung von Natriumurat und kalziumhaltigen Strukturen aufgrund unterschiedlichen Röntgenabsorptionsverhaltens. Die MRT kann zusätzlich Veränderungen wie eine chronisch proliferative Synovialitis zeigen [
11]. Eine Biopsie ist bei Manifestation in atypischen Lokalisationen Mittel der Wahl zur Diagnosesicherung. Therapeutisch wird die Gicht vorrangig medikamentös behandelt und um eine purinarme Diät ergänzt. In Einzelfällen kann bei komplizierter Gicht mit Gelenkdestruktion ein chirurgisches Vorgehen indiziert sein. Aufgrund der Ausdehnung des vorliegenden Befundes mit Schädelbasisbezug wäre operativ mit einem erheblichen Defekt zu rechnen gewesen und wurde von der Patientin abgelehnt. In anderen Fallberichten erfolgte häufig eine chirurgische Exploration mit Resektion über einen präaurikulären Zugang [
2,
4], teilweise unter Mitnahme des Unterkieferkondylus bzw. des Meniskus [
5]. Postoperativ gelang in allen Fällen, die Schmerzfreiheit der Patienten und die Wiederherstellung des jeweiligen funktionellen Defizits zu erreichen. Im dargestellten Fall hätte eine partielle Resektion des Tophus eine Hörverbesserung erzielen können, wurde jedoch von der Patientin abgelehnt.