Erschienen in:
26.04.2023 | Klimawandel | Leitthema
Der ambulante pneumologische Patient in Zeiten zunehmender globaler Erwärmung
Welche klinischen Anpassungen sind evidenzbasiert aktuell zu empfehlen?
verfasst von:
Prof. Dr. med. Christian Witt, Dr. med. Uta Liebers
Erschienen in:
Zeitschrift für Pneumologie
|
Ausgabe 3/2023
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Die Lunge hat als Grenzorgan zur Umwelt eine Portalfunktion. Infolge des Klimawandels werden Hitzewellen kombiniert mit lokaler Luftschadstoffbelastung zunehmen. Dabei wirken Hitze und Luftbelastung pathogenetisch als Kofaktoren, als Beschleuniger der chronischen Entzündung bis hin zu Exazerbationen bzw. Dekompensationen. Die hitzeassoziierte Morbidität von COPD(chronisch obstruktive Lungenerkrankung)-Patienten steigt während Hitzewellen um bis zu 9 %, die Mortalität um 3–6 % an. In Deutschland hat das Gesundheitssystem mit 6,7 % einen signifikanten Anteil an den landesweiten CO2(Kohlenstoffdioxid)-Emissionen, insgesamt 55 Mio. t CO2 bzw. 0,68 t CO2/Person. Damit gehört es zu den 5 größten Emittenten der Gesundheitssysteme weltweit. In der pneumologischen Therapie bewirken Dosieraerosole einen hohen Treibhauseffekt. Ursächlich dafür ist die spezifische Treibhauswirkung der Hydrofluoroalkane. Ihr Anteil an den Verordnungen betrug 2020 in Deutschland 48 %, dabei haben sie ein mehr als 1000fach höheres Schädigungspotenzial („global warming potential“) für die Erderwärmung als CO2. Im Unterschied zu Respimat- und Pulverinhalatoren liegt das CO2-Äquivalent pro Therapiejahr bei den Dosieraerosolen mit Hydrofluoroalkanen um den Faktor 20 bis 30 höher. Folglich ist als klinische Konsequenz die Veränderung des Verschreibungsverhaltens evidenzbasiert angezeigt. Da der Patient mit chronischer Lungenkrankheit besonders vulnerabel gegenüber Hitzestress ist, bedarf es weiterhin mehr Initiativen zur Schulung des Selbstmanagements bei Hitze und Einführung einer klimaadaptierten Arzneimitteltherapie sowie allgemeiner Maßnahmen wie Krankenzimmerklimatisierung, Senkung des Mobilitätsaufwandes der Patienten (z. B. mit telefonischer Videosprechstunde/Telemedizin). Für den ambulanten Bereich wurden jüngst auch Sprechstundenformate zur ganzheitlichen Betrachtung der Krankheit und der Lebensführung der Patienten als sog. „Klimasprechstunde“ vorgeschlagen.